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BAD KISSINGEN
Am Montag kommen 100 Flüchtlinge an
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:43 Uhr

Am Montag beziehen die ersten 100 Flüchtlinge die Notunterkunft in der Röntgenstraße, 100 weitere kommen später hinzu. Bei der Bürgerversammlung im Landratsamt am Mittwoch äußerten einige der rund 90 Anwesenden angesichts dieser unvermuteten Nachrichtenlage ihre Sorgen und Ängste.

Auch die Verantwortlichen des Landkreises waren offenbar überrascht, dass sie nun auf Weisung der Regierung von Unterfranken doch so schnell Asylbewerber unterbringen müssen. „Die Politik kann nur reagieren, wir sind eine Art Feuerwehr“, sagte stellvertretender Landrat Emil Müller angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme.

Zunächst hatte man von Seiten der Kreisverwaltung zwei kreiseigene Turnhallen als Notunterkünfte ins Auge gefasst (wir berichteten). Über längere Zeit wären dann Schulsportstunden ausgefallen und die Vereine hätten nicht mehr dort trainieren können, sagte Müller. Nach Ortseinsicht verschiedener anderer leer stehender Gebäude in Bad Kissingen fiel die Wahl dann am vergangenen Donnerstag auf das Gebäude der einstigen Wäschefabrik. Ein Vorteil ist laut Müller, dass man das Haus innerhalb einer Woche für die Neuankömmlinge herrichten konnte.

„Die Politik kann nur reagieren, wir sind eine Art Feuerwehr“
Emil Müller stellvertretender Landrat

„Es sind getrennte Räume, in denen eine bestimmte Anzahl Betten stehen wird“, sagte Stefan Seufert, der im Landratsamt die Asylbewerbeangelegenheiten koordiniert. Anders als zum Beispiel in einer Turnhalle hätten die Menschen so noch etwas Privatsphäre. Mindestens sechs Wochen werden die Neuankömmlinge angeblich in der Notunterkunft verbringen. Seufert geht jedoch davon aus, dass Manche drei bis vier Monate dort wohnen.

Man kann verstehen, dass die Ankunft so vieler fremder Menschen in der unmittelbaren Nähe manchem Nachbarn der Notunterkunft Kopfzerbrechen bereitet. Die einen fragten nach einem Sicherheitsdienst für das Haus, andere befürchteten mehr Müll in der Röntgenstraße. Man wollte wissen, ob es eine Hausordnung gibt und wieviel Geld die Flüchtlinge zur Verfügung haben. Eine Frau befürchtete gar, dass die „schöne Kurstadt“ durch die neuen Bewohner Schaden nehmen könnte. Ein Bürger hatte Bedenken, dass Winkels zum Zentrum für Flüchtlinge wird, weil ja im September in der früheren Posthalle eine Gemeinschaftsunterkunft mit 80 Personen eröffnet wird.

Alles Sorgen und Ängste, die Müller und Seufert ernst nahmen. Nach Müllers Angaben wird ein zweiköpfiger Sicherheitsdienst rund um die Uhr anwesend sein. Zusammen mit den Ehrenamtlichen müsse man zu Beginn den Flüchtlingen die Grundzüge deutscher Mülltrennung beibringen, ist Seuferts Standpunkt.

Eine Hausordnung müssen sich die Kissinger nicht neu schnitzen. Dank bestehender Unterkünfte in anderen Regierungsbezirken gibt es diese schon in mehreren Sprachen, so Abteilungsleiter Tim Eichenberg. In dieser Broschüre steht auch, dass die Heimbewohner nach 22 Uhr „leise Gespräche“ führen sollen.

Stellvertretender Landrat Müller räumte mit den immer wieder kolportierten Vorurteilen auf, dass Asylbewerber „bei uns alles kostenlos“ bekämen. „Sie haben 143 Euro im Monat als Taschengeld.“ Dass sie alle Handys haben, bedeute nicht, dass sie die geschenkt bekommen, so Müller. „Aber es ist die einzige Brücke, die sie zu ihrer Familie, zu ihrer Heimat haben.“ Die meisten unter ihnen sparen deshalb ihren monatlichen Satz, um sich schließlich ein Handy leisten zu können, weiß Müller aus persönlichen Gesprächen.

Ein ebenfalls hartnäckig kursierendes „Märchen“ nannte es Koordinator Seufert, dass Bürger und Geschäftsleute sich mit der Bereitstellung einer Flüchtlingsunterkunft eine „goldene Nase verdienen“ würden. Eine der Anwohnerinnen sah darin eine Verschwendung von Steuergeldern. Aufgekommen war dieses Thema bereits zu Beginn der Versammlung, als klar wurde, dass Bauunternehmer und Dritter Bürgermeister Toni Schick Vermieter der alten Wäschefabrik ist.

Nach Seuferts Angaben kann der Vermieter einer derartigen Liegenschaft nur „ortsübliche Vergleichsmieten“ verlangen. Zudem muss er die Betreuung der Flüchtlinge stemmen und für Waschmaschine, Bettwäsche, Küchenutensilien und ähnliche Gebrauchsgüter aufkommen, so der Koordinator. „Es gibt keine Pro-Kopf-Pauschalen.“

Seufert äußerte Verständnis für die Ängste der Bad Kissinger. „Aber es ist auch für die Flüchtlinge eine Riesenherausforderung, ohne Sprachkenntnisse hierher zu kommen.“ Zumal sie ja nicht wüssten, was sie hier erwartet und ob sie nicht vielleicht wieder abgeschoben werden.

Bad Kissingen habe bislang wenige Flüchtlinge aufgenommen, so stellvertretender Landrat Müller. Aus diesem Grund suchte die Regierung bereits 2014 hier nach einem Gebäude für eine Gemeinschaftsunterkunft. Aber auch die jetzt notwendige Sofortunterkunft könne man laut Müller nur zentral einrichten, weil hier in der Stadt viele Ärzte und ein Krankenhaus vorhanden sind, weil Rotes Kreuz und THW zentral bei der Registrierung mithelfen und der Caterer vor Ort ist.

Die Zwei vom Sicherheitsdienst.
Foto: Isolde Krapf | Die Zwei vom Sicherheitsdienst.
Auf einen Blick: Die frühere Wäschefabrik, vorn ein Sanitärcontainer.
Foto: Isolde Krapf | Auf einen Blick: Die frühere Wäschefabrik, vorn ein Sanitärcontainer.
Bezugsfertig: Etliche Räume der Notunterkunft in der Röntgenstraße waren am Donnerstag bereits hergerichtet. Im Bild (von links) Stefan Seufert, Koordinator für Asylbewerber-Angelegenheiten und stellvertretender Landrat Emil Müller.
Foto: Isolde Krapf | Bezugsfertig: Etliche Räume der Notunterkunft in der Röntgenstraße waren am Donnerstag bereits hergerichtet. Im Bild (von links) Stefan Seufert, Koordinator für Asylbewerber-Angelegenheiten und stellvertretender ...
 
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