
Die Leute meinen es bestimmt gut. Seit hier die kleinen Betrachtungen über das Alter erscheinen, gibt es von mitfühlenden Lesern regelmäßig aufmunternde Sprüche. So wie den: "Was langsam reift, das altert spät." Das ist nett, wirklich.
Aber die Wahrheit ist doch: Wir reifen viel zu schnell und altern immer früher. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie viele junge Leute graue Haare haben? Wobei man ja froh sein muss, überhaupt graue Haare zu haben – manchen verabschieden sie sich sogar unter Umgehung der Grauzone.
Wer wirklich etwas über das Alter erzählen kann, ist Woody Allen. Neulich fiel mir ein Interview mit ihm in die Hände, das er im zarten Alter von 70 Jahren gegeben hatte und in dem der heute 86-Jährige einige bemerkenswerte Alters-Erkenntnisse vom Stapel ließ. Zum Beispiel verriet er, wie man sich unliebsame Zeitgenossen oder unangenehme Reporter-Fragen vom Leib hält. Ob er Rap-Musik höre, wollte der Interviewer - warum auch immer - wissen. Darauf Woody Allen: "Sie müssen lauter reden. Ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden!"
Dann ging es darum, ob das Alter möglicherweise komische Aspekte bereit hält. Auch hier sprach der Meister viel Wahres: "Es gibt nichts Komisches am Altern. Außer für die anderen." Und weiter: "Man erlangt keine plötzliche Weisheit, kein tieferes Verständnis fürs Leben. Dass man allen vergibt – Fehlanzeige! Sie hassen immer noch jeden, der Sie mal schlecht behandelt hat. Und sie lieben auch nicht plötzlich jeden Baum und jede Blume."
Klingt ernüchternd. Deshalb könnte jetzt wirklich ein paar Was-langsam-reift-altert-spät-Sprüche zur Aufheiterung brauchen. Aber auch das wird zunehmend problematisch. Wenn Sie mir schreiben, ist das insofern schlecht, als die Sehschärfe mehr und mehr nachlässt. Und wenn Sie mich anrufen, dürfen Sie nicht allzu enttäuscht sein, wenn ich die ganze Zeit nur herum schreie: "Sie müssen lauter reden. Ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden!"