Inzwischen ist es schon 40 Jahre her und dennoch erinnern sich noch viele Menschen – vielleicht auch wegen des Attentats palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler – ganz genau an die Olympischen Sommerspiele 1972. Dass das internationale Sportereignis in Deutschland, und noch dazu in Bayern, stattfand, war natürlich ein Knüller. Und dann wurde das Olympische Feuer auch noch durch den Landkreis Bad Kissingen getragen.
Sportler aus zahlreichen Vereinen stellten sich damals zur Verfügung, um die Fackel – Oft nur 100 Meter weit – zu tragen und dann an andere weiterzugeben. Aber damit nicht genug. An den Spielen in München nahm 1972 sogar ein Kissinger, nämlich der Bogenschütze Siegfried Ortmann, teil. Zudem gestaltete der gebürtige Kissinger Günter Noris mit seiner Big Band der Bundeswehr das musikalische Rahmenprogramm der Olympiade aus. Und Manto Graf zu Castell-Rüdenhausen, der bei der Bundespolizei in Oerlenbach Grenztruppjäger war, wurde für den Polizeidienst bei Olympia eingesetzt. Das Attentat der Palästinenser war sein erster „Tatort“, wie er einmal in einem Interview sagte.
Der Fackellauf zur Eröffnung des Münchner Weltereignisses brachte im Landkreis aber nicht nur zahlreiche Sportler auf die Beine. Auch die Bürger säumten die Straßen und feuerten die Jungs an. Dabeisein war alles, Olympia ist schließlich nicht alle Tage.
Der Münnerstädter Hartmut Hessel zum Beispiel trug die Fackel zusammen mit anderen durch Waldfenster, Gustav Brand lief durch Arnshausen und der Nüdlinger Leander Schottdorf hielt sie in Bad Kissingen in Händen. 6700 Exemplare der olympischen Fackel hatte die Firma Krupp seinerzeit aus Edelstahl gefertigt. Hessel hat die stählerne Trophäe seines Läufer-Teams noch zu Hause im Schrank. Die Arnshäuser verwahrten sie lange Zeit im Sportheim, inzwischen ist sie leider verschwunden, sagt Brand. 75 Zentimeter ist sie groß und wiegt laut Hersteller 1,35 Kilogramm. „München 1972 Spiele der XX. Olympiade“ ist zur Erinnerung auf dem Handrohr eingraviert.
„Na freilich waren wir mächtig stolz“, schlägt Brand den Bogen zurück zum 26. August 1972, als er im Alter von 39 Jahren die Olympia-Flamme für 100 Meter übernahm. Kurz zuvor, am 19. August, hatte es schon mal einen Probelauf gegeben, wo die Jungs so zu sagen „trocken“ üben sollten, „denn da durfte natürlich nichts schief gegen“. Das Feuer kam dann aus Richtung Oerlenbach.
Vom Ortsschild Arnshausen bis zum Hohen Kreuz an der Hauptstraße mussten die Arnshäuser ran, weiß auch der einstige Fackelläufer Dieter Sliwa noch ganz genau. Acht Sportkameraden liefen mit. Er war damals 19 und „sehr stolz“, zu den „Auserwählten“ zu gehören. Und auf den Straßen des Dorfes war natürlich jede Menge Volk unterwegs, denn schließlich wird die Olympia-Fackel nicht alle Tage durch den Ort getragen.
Die XX. Olympischen Sommerspiele begannen am 26. August und endeten am 11. September. Am Tag der Eröffnung kam das Feuer, das Ende Juli 1972 im griechischen Olympia entzündet worden war, im Münchner Olympiastadion an. Durch acht Länder, insgesamt 5532 Kilometer weit, war es getragen worden. Aber neben München gab es noch weitere Wettkampfstätten in Deutschland, an denen es brennen sollte: Da waren Nürnberg, Augsburg, aber auch Kiel, wo die Segelwettbewerbe stattfanden. Am 28. August traf das Feuer dann in Kiel-Schilksee ein. Und von München nach Kiel ging die Fackel auch durch den Landkreis Bad Kissingen.
Der Bayerische Landessportverband (BLSV) sollte die Strecke der Fackelläufer festlegen. Also wurden die Vorsitzenden der Vereine vom BLSV-Kreisverband alle nach Arnshausen ins Sportheim eingeladen, erinnert sich Günter Bender (Oerlenbach), der damals Jugendreferent und BLSV-Geschäftsführer war. Die Fackelträger sollten von Schweinfurt kommen, über Oerlenbach und Arnshausen nach Bad Kissingen hinein laufen und später über die Garitzer Kreuzung Richtung Oberthulba und Bad Brückenau weitersprinten.
In Bad Kissingen gab es sogar eine zentrale Veranstaltung im Rosengarten, bei der Oberbürgermeister Hans Weiß feierliche Worte sprach und einige Damen, die sich unter den Zuschauern befanden, aus Rührung ihre Tücher in die dort aufgestellte Flammen-Schale hielten. Die Einteilung der Läufer verlief hie und da übrigens nicht ganz reibungslos. Heute muss Bender lachen, wenn er erzählt, dass er damals, als er ins Arnshäuser Sportheim kam, gleich von einem Oerlenbacher eine Backpfeife einstecken musste. Denn die Oerlenbacher wollten verhindern, dass die Eltingshäuser mitliefen. Bender hatte jedoch auch einen jungen Mann aus diesem Gemeindeteil mit eingeteilt. Schließlich kam aber doch alles wieder ins Lot. Der Fackellauf fand bei schönstem Wetter statt und war auch in Benders Augen damals ein Großereignis, „denn schließlich galt man ja als Teilnehmer der Olympischen Spiele“.
„Es war für die Jungs eine Ehre“, sagt auch Ekbert Warmuth (Bad Kissingen) über den Fackellauf der Handballer, die er damals als Lehrer an der Nüdlinger Volksschule trainierte. Schon seit 1966 war Warmuth, damals 35 Jahre alt, Kreisfachberater für Leibeserziehung gewesen und hatte den Schulsport auf Kreisebene mitorganisiert. Max Pawlas, Edgar Ritschka, Werner Neumann, Edmund Kiesel und Leander Schottdorf hießen die Auserwählten der A-Mannschaft der DJK Nüdlingen, die die Fackel von der Garitzer Kreuzung bis zum Parkwohnstift trugen.
Münnerstadt lag zwar nicht an der Strecke der Fackelläufer, die in sieben Etappen eingeteilt war. Aber die Mürschter Otmar Bömmel, Jürgen Wohlfromm, Michael Gräber und Hartmut Hessel durften die Fackel durch Waldfenster tragen. „Ich übernahm die Fackel, glaub ich, damals von einem Turmspringer aus Garitz“, kramt Hessel aus seinem Gedächtnis aus. 22 Jahre war er alt und bekennt, dass Olympia damals „was ganz Besonderes“ war. Die Fackel von damals hält er in Ehren. Zu hohen familiären Festlichkeiten wird sie auch immer mal angezündet. Wenn der TSV Münnerstadt demnächst 150. Jubiläum feiert, wird er sie auch für die geplante Ausstellung zur Verfügung stellen.
Innerhalb des BLSV wurden auch Eintrittskarten für die Spiele in München ausgegeben. Wer das Glück hatte, bei der Olympiade dabei zu sein, wie zum Beispiel auch Hartmut Hessel und Ekbert Warmuth, schwärmte danach in den höchsten Tönen von den tollen Erlebnissen dort: Zum Beispiel von Mark Spitz, dem siebenfachen Goldmedaillengewinner oder der Bestleistung des Stabhochspringers Wolfgang Nordwig (5,50 Meter). Und Hessel weiß es noch wie heute: „Als Heide Rosendahl ihre Goldmedaille im Weitsprung (6,78 Meter) machte, war ich genau nebendran.“