
Alpaka-Wandern ist ein immer größer werdender Trend. Etwa 25.000 Alpakas leben bereits in Deutschland, allerdings gibt es derzeit keine Meldepflicht, daher beruhen die Zahlen der verschiedenen Zuchtverbände auf Schätzungen.
Diese Zahlen habe ich im Kopf, als wir in Münnerstadt-Reichenbach ankommen. Es ist eine unscheinbare Kurve in einer Wohnsiedlung, von der ein Feldweg abgeht. „Wenn ihr ankommt, in den Feldweg hineinlaufen, dann findet ihr mich“, meinte Birgit Appel-Wimschneider am Telefon.
12 Lamas und Alpakas leben in Reichenbach
Aber wir müssen gar nicht suchen, sie kommt uns vom Hof der Orenda Ranch schon entgegengelaufen, um mich und meine Kollegin zu begrüßen. Etwa 12 Lamas und Alpakas leben auf der Ranch in Reichenbach.
Wir dürfen gleich mitten rein in die Herde, zum Kennenlernen. Keine Minute später schnuppert das erste Tier an meinen Sachen. Sie sind zutraulich und ziemlich neugierig, aber gleichzeitig so sanft, dass ich mitten zwischen den Tieren stehend keinerlei Angst empfinde.
Schnell merke ich, dass manche sich gerne streicheln lassen, während andere zwar nahe kommen, aber anscheinend nicht berührt werden wollen.

Alpakas früher für ihre Wolle gezüchtet
„Alpakas sind früher wie Schafe für ihre Wolle gezüchtet worden. Viele sind lieb, aber nicht so sehr menschenbezogen, deshalb setzte ich die Tiere für die Wanderungen ein, die Lust darauf haben“, sagt Birgit Appel-Wimschneider.
„Man darf sie auch nicht überbeanspruchen. Mehr als zwei- oder dreimal die Woche laufen die Alpakas bei mir nicht, damit es ihnen nicht zu viel wird.“

Als sie erwähnt, dass manche der Alpakas Kunststücke können, bin ich begeistert und bekomme eine Vorführung. „Urmel“ hüpft aufs Podest und gibt Küsschen.

Deshalb nehmen Menschen an einer Wanderung teil
Wir treffen die anderen Teilnehmenden der Wanderung. Es ist eine gemischte Truppe. Marina Wolf kommt mit ihrer Tochter regelmäßig. „Ich komme regelmäßig, immer, wenn mich etwas beschäftigt. Die Tiere spiegeln das eigene Verhalten, das hilft beim Reflektieren“, meint sie.

Sophia Döbler und Johannes Fröschlein haben die Wanderung von ihrer Verwandtschaft geschenkt bekommen und sich einen der ersten sonnigen Tage ausgesucht, um das Geschenk einzulösen.

Während wir auf leisen Zehen aus dem Dorf heraus ins Grüne tapsen, stellt sich schnell eine gewisse Ruhe in der Truppe ein. Die Tiere bewegen sich recht gemütlich, ändern immer wieder die Ordnung, um bei ihren Freunden zu laufen.
Alle entspannen sich ein wenig, es entsteht ein lockeres Gespräch, während die Alpakas und Lamas immer wieder kurz stehenbleiben, um etwas anschauen.

Achtsamkeitstraining mit den Alpakas aus Reichenbach
„Alpakas haben große Augen und sind flauschig, das spricht das Kindchenschema an. Also haben die Menschen keine Angst. Außerdem sind sie sanft, neugierig und ruhig. Das ist besonders gut für unruhige oder ängstliche Kinder und Menschen, die unsicher sind“, erklärt Appel-Wimschneider.
Ansonsten eigne sich ein Spaziergang mit Alpakas erstmal für alle, die sich darauf einlassen wollen. Es ist ein Achtsamkeitstraining, das die Chance bietet, die Natur neu zu entdecken, wie sie betont.
Es erlaubt einen neuen Blick auf die Natur
Für mich ist Wandern mit Alpakas etwas Neues. Da ich sonst den Umgang mit Pferden gewohnt bin, muss ich mich an das ruhigere Tempo erst gewöhnen. Es lässt einen neuen Blick auf die gewohnten Wiesen zu, denn es gibt kein Trainingsziel oder eine angestrebte zu bewerkstelligende Kilometerzahl, sondern einfach den Blick auf Felder und die Sonne im Gesicht.
„Filou“, das Alpaka an meiner Seite für diesen Spaziergang, merkt, wenn ich abgelenkt bin und bleibt dann stehen. Es ist ein effektiver Weg, mich immer wieder in den Augenblick zurückzuholen.

Auch für meine Kollegin Amelie ist es das erste Mal mit den Neuweltkameliden: „Die Wanderung war die beste Entscheidung, die ich heute hätte treffen können. 'Fuego', mein Lama, ist ein superaufmerksames Tier. Er bewegt sich wirklich majestätisch. Aber jedes Mal, wenn ich versuche, ein Bild von ihm zu machen, dreht er ganz frech seinen Kopf gekonnt weg“, sagt sie.

„Alpakas und auch Lamas sind unerwartet charakterstarke Tiere. Wenn ein Tier gestreichelt werden will, dann kommt es auch zu mir. Man kann die Berührung nicht den Tieren aufzwingen. Manche mögen es gar nicht, angefasst zu werden. Und andere reiben sich so wie Katzen an einem, bis man sie krault“, schließt Amelie ab.
Die schönsten Bilder der Wanderung:
Alpakas als Therapie
Birgit Appel-Wimschneider bietet neben Reittherapie auch Therapie mit den Alpakas an: „Therapie mit Pferden hat den Vorteil, dass man sich draufsetzen kann, und somit ein besseres Körpergefühl bekommt, aber es ist körperlich anspruchsvoll und viele Menschen haben vor den großen Tieren Angst. Oder manche Kinder sind zu unkonzentriert für den Umgang mit Pferden, dann ist die Verletzungsgefahr zu hoch.“
Genau für diese Menschen eigne sich die tiergestützte Therapie mit Alpakas besonders gut. Das Führen der Tiere kann bei Burnout oder Angst beruhigen, das langsame Tempo eignet sich gut für Menschen mit Handicaps, Gewichtsproblemen und Senioren. Oder einfach zum Entschleunigen.

Der Trend der flauschigen Tiere
„Viele sind auf den Trend aufgesprungen und haben Alpakas gekauft, ohne sich auszukennen. Dann werden die Tiere leicht ausgebeutet oder falsch gehalten. Auch die Gäste brauchen eine Einführung vor der Wanderung “, sagt Appel-Wimschneider. „Auch die Tiere müssen ausgebildet sein, wenn die Tiere ständig anhalten zum Fressen oder in irgendeine Richtung ziehen, dann schränkt das den positiven Effekt der Wanderung ein.“
Wer überlegt, sich Alpakas oder Lamas anzuschaffen, kann bei Birgit Appel-Wimschneider einen Grundlagenkurs zur Haltung der Tiere belegen.
Weitere Informationen gibt es unter www.orenda-ranch.com
