Es dürfte der härteste Einschnitt sein, den unsere Gesellschaft - nach dem Krieg - erlebt hat. Ab sofort gilt der Katastrophenfall in Bayern . Geschäfte sind dicht, Kneipen und Restaurants dürfen nur bis 15 Uhr geöffnet haben, Veranstaltungen sind verboten. So sehen es die Menschen in der Region, die ihre Geschäfte schließen müssen.
Ministerpräsident Markus Söder will die Zeiten in Kneipen verkürzen, die Supermärkte allerdings dürften unter der Woche bis 22 Uhr geöffnet haben, und auch das Sonntagsverkaufsverbot soll in Zeiten von Corona zwischen 12 und 18 Uhr nicht gelten.
Neue Supermarktöffnungszeiten stoßen in der Region auf Kritik: "Wir können nicht noch mehr leisten"
Die geplanten Maßnahmen bringen Jana Straub auf die Palme. Sie ist die Besitzerin der Edeka-Märkte in Oerlenbach und Oberthulba und fragt sich, ob der Ministerpräsident sich das gut überlegt hat. Offensichtlich kommt sie zu einem eindeutigen Ergebnis: "Wenn ich Herrn Söder je treffen sollte, muss ich ihn fragen, ob er noch alle Latten am Zaun hat. Der Sonntag gehört meinen Leuten."
Sie erzählt aus ihrem Corona-Alltag in beiden Supermärkten: "Ich habe 70 Angestellte. Davon müssen viele zuhause bleiben, weil sie kleine Kinder haben. Heute habe ich acht Kinder in Oberthulba im Aufenthaltsraum, ich hab gesagt, dass sie die Kids einfach mitbringen sollen. Aktuell hilft mir meine Schwiegertochter bei der Betreuung. Die ist 20, hat heute Nacht als Krankenschwester Nachtschicht und hilft uns noch. Wir machen, was wir können, wir halten alle zusammen und arbeiten von früh bis spät. Aber der Sonntag, der gehört meinen Mitarbeitern, für die ich einstehe."
Sie betont, dass sie mit allen Mitarbeitern in diesen Zeiten so viel wie möglich für ihre Kunden unternehme, aber gerade in diesen Zeiten "können wir nicht noch mehr leisten".
Geschäfte in Bad Kissingen müssen schließen: Einschnitte treffen Betreiber hart
Am Mittwoch sind in Bad Kissingen keine Bekleidungsgeschäfte, Schmuck- oder Deko-Läden oder Floristenshops mehr geöffnet. Auch Ralf Ludewig vom gleichnamigen Geschäft in der Innenstadt trifft es. "Wir schließen am Mittwoch." Sollte er schlechte Laune haben, ist ihm die nicht anzumerken, auch wenn er kürzlich erst in einen zweiten Laden investiert hat und ihn die Einschnitte hart treffen müssen. "Es trifft ja alle, jeder hat jetzt zu kämpfen, der eine mehr, der andere weniger. Ich hoffe, dass es schnell vorübergeht."
Am Montagabend wollte sich Ludewig noch beim Einzelhandelsverband erkundigen, denn so wie ihm geht es jetzt vielen: Sie sind vom Katastrophenfall überrascht, kaum einer weiß, was zu tun ist. "Es geht um die Abwicklung: Kurzarbeit? Unbezahlten Urlaub? Sonderurlaub? Das muss alles noch geregelt werden, es müssen Gespräche mit dem Arbeitsamt und den Krankenkassen geführt werden." Eins ist für ihn klar: "Es gibt hier nur Verlierer, keine Gewinner."
Zu den großen Verlieren gehört die Gastronomie. Es trifft die Kult-Kneipe "Eule" in Bad Kissingen wie das gehobene Restaurant "Schuberts Weinstube". Deren Geschäftsführer Christian Hippler hat zehn Angestellte und kaum noch Hoffnung. "Es ist entsetzlich. Nach den derzeitigen Plänen müssen wir um 15 Uhr schließen. Da kommt keiner." Er hat erst noch überlegt: Soll er Essen "to go" anbieten? Das würde zu nichts führen: "Was soll ich einkaufen? Ich kann doch nichts planen. Ja, der Staat signalisiert Hilfe - aber die Kredite kann doch keiner zurückzahlen, wenn kein Einkommen da ist. Das bricht Tausenden das Genick."
Gastronomie ist der große Verlierer der Corona-Maßnahmen
Christian Hänsch hat seine "Eule" schon abgeschlossen. "In den letzten Tagen hat sich der Umsatz schon halbiert." Aber er hat Verständnis: "Es ist okay, was sie tun. Es soll so sein." Wie vielen anderen Gastronomen bleiben ihm aber auch die laufenden Kosten wie beispielsweise die Pacht.
Geschlossen ist der Universum Filmpalast. Kino-Chef Peter Hofmann : "Ich habe 17.000 Euro Lohnkosten jeden Monat. Aber wir werden das überstehen. Ich bin seit 40 Jahren Unternehmer und ein vorsichtiger Mensch, ich habe vorgesorgt." Die freie Zeit will er jetzt so überbrücken: " Gartencenter und Baumarkt haben offen - mein Hobby ist der Garten."
Tatsächlich bleibt der Pflanzenmarkt Schlereth geöffnet. Dieter Schlereth: "Wir gelten als systemrelevant, weil die Leute Gemüsepflanzen brauchen. Viele kommen jetzt in unser Geschäft und sagen, sie hätten den Rasen aufgelöst und würden jetzt versuchen, Selbstversorger zu werden." Er ist sehr froh über die Entscheidung. "Im Frühjahr machen wir unser Hauptgeschäft. Und Radieschen kann man nicht bitten, erst im August zu keimen - die müssen jetzt ausgesät werden."
Welche Geschäfte gelten als systemrelevant?
Systemrelevant dürften ebenso Elektronunternehmen wie Elektro Fischer sein. Aber: "Wir schließen das Geschäft, der Kundendienst besteht aber weiter", so Jochen Gärtner, Geschäftsführer. "Bei Stromausfall müssen wir raus, und Waschmaschinen müssen ja auch repariert werden." Er bittet allerdings die Kunden, Abstand beim Einlass in die Wohnung zu halten und dafür zu sorgen, dass sich die Techniker die Hände waschen können.
Völlig im Unklaren sind jetzt Physiotherapeuten. Anna-Sophie Seuffert von "Physiotherapie und Podologie Seuffert": "Wir haben zwar die Info, dass wir zur Grundversorgen gehören. Aber bei Patienten mit Chemotherapie oder Immunschwäche setzen wir die Behandlung für zwei Wochen aus." Und auch hier gilt: Wenn keiner kommt, kommt auch kein Geld in die Kasse.
Corona trifft die Kisssalis, die nun nebst Fitnessstudio geschlossen ist, auch Rehakliniken schließen ihre Muckibuden. Derweil versuchen sich andere Unternehmer selbst zu helfen. Viele bieten jetzt einen Lieferservice an, Feinkost Faber beispielsweise liefert ab 20 Euro Bestellwert im Stadtgebiet Bad Kissingen kostenlos. In Münnerstadt bietet das Rund-um-Geschäft "Eisenkrais" ebenfalls einen kostenlosen Lieferservice für Ware ab 30 Euro an, darunter fallen 3 Euro Pauschale an. Die Forellenzucht Hein aus Reichenbach fährt ihre Fische nun in Bad Kissingen , Münnerstadt und den jeweiligen Stadtteilen aus.
Die gute Nachricht: Die Menschen halten zusammen
Ein Tag der schlechten Nachrichten? Ja, aber nicht nur: Immer mehr Menschen schließen sich in Hilfsgruppen auf sozialen Medien wie Facebook zusammen. Zum Beispiel auf " Bad Kissingen - Gemeinsam sind wir stark", hier kommen Sucher und Bieter beispielsweise bei Kinderbetreuung oder Besorgungen zusammen.