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Bad Kissingen
Alles andere als abstrakt
Tanja Tetzlaff beweist mit ihrem zweiten Bach-Solokonzert beim Kissinger Sommer, dass Bachs Suite für Violoncello solo emotional gespielt werden kann.
Tanja Tetzlaff Foto: Gerhild Ahnert       -  Tanja Tetzlaff Foto: Gerhild Ahnert
| Tanja Tetzlaff Foto: Gerhild Ahnert
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 18.08.2022 03:35 Uhr

Johann Sebastian Bachs Suite für Violoncello solo gelten wegen ihres oft raffinierten Aufbaus als abstrakte, konstruierte Musik, die den Zuhörer formal begeistern, aber emotional kalt lassen kann. Das kann schon sein. Aber wenn es passiert, liegt es nicht am Komponisten, sondern am Interpreten.

Den Beweis lieferte jetzt Tanja Tetzlaff mit ihrem zweiten Bach-Solokonzert im diesjährigen Festival. Vor drei Wochen hatte sie in Bildhausen die Suiten Nr. 3 und 5 gespielt, jetzt legte sie im Rossini-Saal die Suiten Nr. 1 G-dur BWV 1007 und Nr. 6 D-dur BWV 1012 nach. Und verbreitete damit großes Vergnügen.

Dass die beiden Sarabanden mit ihren Akkordstauungen und -entspannungen, mit ihrer Ruhe höchst emotional wurden, überraschte nicht. Aber es war, stärker noch als in Bildhausen, auffallend, wie stark sich Tanja Tetzlaff innerhalb der Formen von ihren Gefühlen und Assoziationen leiten ließ, wie frei sie agogisch gestaltete, wie sie in die rasantesten Läufe der Courantes plötzlich Ecken der Nachdenklichkeit einbaute, wie sie aus den drei- und vierstimmigen Akkorden die Melodietöne herausstellte, wie sie in den Gigues die virtuosen Grenzen zu vergessen schien. Da konnte man auch mal schmunzeln, da entstand ein Bach-Bild, das einen Menschen mit Vergnügen an Schwierigkeiten zeigte. Das war einfach mitreißend musiziert.

Dazu gab's dieses Mal Britten, seine Solosuite Nr. 3 op. 87, teilweise durchaus von Bach geprägt, aber auch von russischen Volksliedern, die sich allerdings lange verstecken - kein Wunder, denn Widmungsträger war Mstislav Rostropovich. Da stellte sie mit großem Gespür fürs Detail nicht nur die Geschichten dar, die sich in den neun Sätzen verbergen, sondern sie zeigte auch, wie sich die Spieltechnik seit Bach verändert hat und vor allem bogentechnisch die Anforderungen erweitert hat. Mit der Sarabande aus Bachs C-dur Suite Nr. 3 BWV 1009 als Zugabe verabschiedete sich Tanja Tetzlaff in den Urlaub. Bach hat sechs Suiten für Violoncello solo komponiert. Vier von ihnen hat sie jetzt gespielt. Jetzt müssen wir nur noch auf die restlichen zwei warten.

 
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