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Hammelburg
Allein unterwegs, aber selten allein
Luca Söder arbeitet mit seinen 20 Jahren als Volunteer ein Jahr in Kolumbien. Was er dort erlebt, und was der Abiturient anderen Schulabgängern empfiehlt.
Luca Söder (20) blickt auf die Comuna 13 San Javier, einem Stadtteil von Medellín, Hauptstadt der kolumbianischen Bergprovinz Antioquia.       -  Luca Söder (20) blickt auf die Comuna 13 San Javier, einem Stadtteil von Medellín, Hauptstadt der kolumbianischen Bergprovinz Antioquia.
Foto: Privatarchiv Luca Söder | Luca Söder (20) blickt auf die Comuna 13 San Javier, einem Stadtteil von Medellín, Hauptstadt der kolumbianischen Bergprovinz Antioquia.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 21.10.2022 15:15 Uhr

Seit September arbeitet Luca Söder (20) in Kolumbien als Volunteer (freiwillige Hilfskraft) für Kost und Logis. Obwohl das Leben an der Nordspitze Lateinamerikas nicht ganz ungefährlich ist, wie der Hammelburger Abiturient bald am eigenen Leib erfahren musste, schwärmt er von der ihm unbekannten Kultur und der beeindruckenden Naturlandschaft zwischen Amazonas-Regenwald und Wüsten, Ausläufern der Anden und Vulkanen, Karibik- und Pazifik-Küste. "Wer wie ich Lust hat, andere Kulturen kennenzulernen, Neues zu sehen und nicht immer im gleichen Umfeld zu leben, der sollte unbedingt bald losfahren", empfiehlt er allen Schulabgängern.

Sofort nach dem Abitur am Hammelburger Frobenius-Gymnasium im Sommer 2020 ist Luca Söder allerdings nicht losgefahren. Zunächst ging er nach Berlin, absolvierte als Stipendiat ein Orientierungsprogramm und arbeitete anschließend vier Monate bei der Post, um sich das Geld für den Auslandsaufenthalt zu verdienen. "Ich wollte schon immer mal für längere Zeit in einer fremden Kultur leben. Vor allem Südamerika hat mich gereizt."

So ließ er sich über das Volunteer-Programm Work & Travel nach Kolumbien vermitteln. "Über W&T findet man immer wieder Gelegenheiten, um sich mit Arbeit Geld zu verdienen", erklärt der junge Globetrotter. Auf vielen Eco-Farms oder in Hostels bekommt man für fünf Stunden Arbeit pro Tag drei Mahlzeiten und eine Schlafgelegenheit, die der 20-Jährige für seine manchmal kurzen Nächte sicher braucht: "Kolumbien hat eine stark ausgeprägte Musikszene", schreibt der Abiturient auf WhatsApp, ergänzt aber gleich: "Auch geschichtlich hat das Land unglaublich viel Interessantes zu bieten."

Zwar ist Luca allein unterwegs, "aber selten allein". Er findet immer schnell Anschluss, da nicht nur andere Volunteers, sondern auch die Einheimischen offen für Bekanntschaften sind. Wie vorteilhaft dies ist, hat Luca erlebt: Auf einer Wandertour durch den Dschungel wurde er von einem Schwarm giftiger Wespen angegriffen. Weit und breit keine Apotheke! Da war es gut, dass ein indigener Reiseführer die zwölf Wespenstiche mit Blättern und Früchten behandeln und dadurch Infektionen verhindern konnte.

Ein anderes Mal war er auf einer eigentlich 1,5-stündigen Busfahrt im Gebirge. Wegen eines schweren Unfalls war die enge Straße gesperrt, sein Bus musste warten. Als Luca nach zwölf Stunden den Bus verließ, um endlich in einem nahen Haus die Toilette zu nutzen, wurde ausgerechnet in diesem Moment die Sperrung aufgehoben. Der Bus fuhr weiter - ohne Luca. Ein Junge forderte ihn auf Spanisch auf, mit ihm zum nächsten Parkplatz zu joggen. Tatsächlich stand dort der Bus. "Ohne diesen Jungen wäre der Bus ohne mich, aber mit meinem Rucksack weitergefahren."

Aufregendes Weihnachtsfest

Besonderes Pech hatte der Hammelburger ausgerechnet am Weihnachtsfest, "definitiv das Aufregendste meines Lebens": Auf einer Abendveranstaltung wurden seine Freunde, mit denen er feierte, mit K.-o.-Tropfen betäubt und ausgeraubt. Nur Luca hatte Glück im Unglück: Da er zwei Tage zuvor an Heiligabend einen Motorrad-Unfall hatte, wollte er sich an diesem Abend noch schonen, war frühzeitig im Bett und entging so den K.-o.-Tropfen - allerdings nur ein paar Tage bis Silvester, denn dann wurden auch ihm solche Tropfen ins Getränk gemischt. Diesmal waren es seine Freunde, die ungeschoren davonkamen und Luca ins Bett bringen konnten.

Wie kriminell und politisch gefährlich das Leben in Lateinamerika ist, erfuhr Luca kürzlich in seiner Unterkunft in der Millionenstadt Medellín, der Hauptstadt der kolumbianischen Bergprovinz Antioquia. In seiner Wohnung fand eine vor fünf Jahren aus Venezuela geflohene Journalistin neuen Unterschlupf. Als Leiterin des einzigen oppositionellen Radiosenders in Venezuela war sie viermal ins Gefängnis gekommen. Wegen politischer Verfolgung und zunehmender Inflation war sie schließlich nach Kolumbien gekommen. Doch auch dieses Stadtviertel Medellíns, die Comuna 13 San Javier, "hatte bis vor einigen Jahren extreme Kriminalitätsprobleme", hat Luca gehört: Dort hat in frühen Jahren der Drogenboss Pablo Escobar (1949-1993) seine Geschäfte abgewickelt.

Arbeit als Manager im Hostel

Noch einige Wochen will Luca Söder in Medellín bleiben. Momentan arbeitet er als Experience Manager in Vollzeit in einem großen Hostel und muss Sport- und Freizeitprogramme organisieren. Danach plant er zum Abschluss eine Fahrrad-Tour nach Cali, südwestlich von Bogotá, und einen kurzen Aufenthalt an der Pazifik-Küste.

Ende April will er in die Karibik und an einer Segelregatta von der Insel St. Martin nach Frankreich teilnehmen. "Im Juni komme ich voraussichtlich wieder zurück nach Hammelburg ." Im Herbst fängt dann für ihn der Ernst des Lebens an: "Ich werde wohl International Management in Berlin studieren."

Sprachen: Schlüssel zu anderen Kulturen

Was hat Luca in Südamerika gelernt? "Das Beste an der Reise sind meine neuen Bekanntschaften, andere Menschen zu treffen und Erfahrungen auszutauschen. Ich werde in Zukunft weltoffener sein. Außerdem bin ich jetzt extrem motiviert, mein Spanisch zu verbessern und noch eine weitere Sprache zu lernen. Sprachen sind die Schlüssel zu neuen Kulturen. Herkunft und Alter sind unwichtig: Wenn du etwas unbedingt möchtest, kannst du es auch erreichen."

 
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