Während die acht Jugendlichen, die nach dem Faschingsdienstagsumzug in Poppenlauer teils mit schweren Alkoholvergiftungen in Kliniken kamen, wohl noch an ihrem schlimmen Kater leiden, haben sich Polizei und Behörden bereits kurzgeschlossen. Tenor: Das soll in den kommenden Jahren nicht mehr passieren.
Wie berichtet, uferte der Fasching in Poppenlauer aus. Jugendliche und junge Erwachsene - die jüngste war 14 Jahre alt - becherten am Rand der Veranstaltung. Und zwar derart, dass die Polizei und die Rettungsdienste sich gezwungen sahen, einen Notfallplan umzusetzen: Im Rathaus wurde ein Raum mit Liegen eingerichtet, um die Alkoholleichen zu versorgen. Als es dort zu eng wurde, wichen die Helfer ins Pfarrhaus aus.
Acht in Klinik
Von den insgesamt 18 Betrunkenen mussten acht in Kliniken von Meiningen über Bad Kissingen bis nach Würzburg gebracht werden. Ein Mädchen war so vergiftet, dass schwerwiegende gesundheitliche Schäden befürchtet wurden.
Wer ist die Frau, die den Alkohol vorbeifuhr?
Wie es den Jungen und Mädchen geht, wusste Stefan Haschke , Chef der Polizeiinspektion Bad Kissingen , am Donnerstag nicht. Was er aber wusste, ist: "Wir müssen alles daran setzen, dass das sich nicht wiederholen kann." Vertreter des Landratsamtes, des Jugendamtes, der Veranstalter und die Polizei haben sich am Donnerstag kurzgeschlossen, um an einem runden Tisch zu erörtern, wie das nächste Faschingstreiben so organisiert werden kann, dass sich derartige Vorfälle nicht mehr ereignen. Stefan Haschke : "Daneben ermitteln wir gerade. Unter anderem versuchen wir herauszufinden, wer die Frau war, die den Jugendlichen Alkohol-Nachschub brachte." Faschingszug-Veranstalter Gerhard Dietz hatte beobachtet, wie eine Frau - offensichtlich eine Mutter - mit dem Auto vorfuhr, den Kofferraum aufmachte und die Jugendlichen sich dort mit weiteren Pullen bedienten.
Präventionsmaßnahmen
Das Jugendamt ist bereits von der Polizei eingeschaltet worden. Melanie Hofmann , Sprecherin des Landratsamtes, auf Anfrage: "Beim runden Tisch sollen Präventionsmaßnahmen erarbeitet werden, die helfen könnten, diese Ereignisse zu vermeiden." Übermäßiger Alkoholkonsum könne für die Gesundheit schwerwiegende akute und chronische Folgen haben. "Vor allem Kinder und Jugendliche sind gefährdet, da ihre körperliche und geistige Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist", so Melanie Hofmann für das Jugendamt. "Ein Vollrausch kann bei Kindern und Jugendlichen bleibende Hirnschäden hinterlassen. Der menschliche Körper ist während der Wachstumsphase anfälliger für das Zellgift."
Die Vertreter des Jugendamtes sehen allerdings noch mehr Probleme als die gesundheitlichen. Die Jugendphase sei ein wichtiger Abschnitt der Sozialisation. Soziales Verhalten werde in dieser Phase geprägt. Alkoholkonsum könne diesen Prozess stören. Sozialpsychologische Aspekte, wie die Herausbildung der eigenen Identität in der Jugendphase, würden durch den Alkoholkonsum belastet. Jugendliche müssten eine Reihe von Entwicklungsaufgaben bewältigen, dazu gehöre die intellektuelle und kognitive Entwicklung, die Bildung sozialer Kompetenz, die Herausbildung der eigenen Identität, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sowie das Erlernen von Normen und Werten. "Wenn bei der Bewältigung dieser Aufgaben Alkohol eine tragende Funktion übernimmt, so wird der Prozess gestört. Für ein junges Gehirn ist eine große Menge an Alkohol, die in sehr kurzer Zeit getrunken wird, lebensgefährlich."
Müssen die Eltern jetzt zahlen?
In sozialen Medien, auch auf der Facebook-Seite der Saale-Zeitung, fragten sich Kommentatoren, ob die Jugendlichen, beziehungsweise deren Eltern, den Rettungseinsatz bezahlen müssten. Eine Umfrage bei den Krankenkassen DAK , AOK und TK hat ergeben: Nein. Stefan Wandel von der DAK : "Das halten wir nicht für sinnvoll. Wir setzen auf Prävention, um in der Schule und im Elternhaus den vermehrten Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen zu thematisiere. Mit unserer Kampagne "bunt statt blau" bringen wird das Thema in den Schulalltag." Die DAK führt auch das Projekt "HaLT" an, das Jugendliche und Eltern direkt nach der Einweisung ins Krankenhaus kontaktiert. "Hier werden Eltern stark eingebunden und es wird versucht, das Geschehene mit ihnen aufzuarbeiten."
Ähnlich äußert sich Peter Schieber von der TK Unterfranken: "Nicht nur Jugendliche trinken, es trinken auch Erwachsene. Es hat unterschiedliche Ursachen, warum jemand wegen Komasaufens eingeliefert wird. In der gesetzlichen Krankenkasse gibt es kein Verursacherprinzip, außer bei Unfällen. Sanktionen für individuelles Fehlverhalten sind nicht sinnvoll und nicht kontrollierbar. Ob Raucher, Übergewichtige oder Extremsporter - wir könnten dann immer sagen, dass derjenige es selbst verursacht hat. Auch wir setzen darauf, durch die Prävention Suchtkarrieren zu verhindern - das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
So erhalte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jährlich mehr als 35 Millionen Euro von den gesetzlichen Krankenkassen, um Projekte und Aufklärungsarbeit dazu anzubieten.