Alida Kraft ist 22 Jahre alt. Die Bad Kissingerin hat im vergangenen Jahr, gemeinsam mit ihrer Mutter, die Ausbildung zur Hospizbegleiterin absolviert. Auslöser, sich näher mit Sterben, Tod und Hospizarbeit zu befassen, war eine private Situation, bei der sie eine Person begleiteten. Über diese Begleitung kamen sie mit Rita Hillenbrand, einer der Koordinatorinnen beim Hospizverein in Kontakt und entschieden sich für die Ausbildung: „Irgendwann im Leben muss man irgendjemand beim Sterben begleiten und wenn man es selbst ist, deshalb haben wir den Kurs besucht.“
Dabei war keineswegs von Anfang an klar, dass sie nach der Ausbildung auch als Hospizbegleiterin ehrenamtlich tätig sein möchten. „Es war dann keine hohe Hürde mehr“, erinnert sich Alida Kraft. Derzeit begleitet sie eine ältere Person, die sie regelmäßig besucht, sich Zeit nimmt und zuhört.
Der Blick liegt auf dem Leben
Im Bekannten- und Freundeskreis stoße sie mit ihrem Engagement durchaus auf Unverständnis. „Oh, das könnte ich nicht“ oder „Das ist ein negatives Thema“ seien nicht selten Bemerkungen, die sie zu hören bekomme. Die Berührungsängste mit Tod und Sterben seien oft groß.
Alida Kraft sieht das anders, sie richtet den Blick auf das Leben und nicht auf den Tod: „Wir begleiten Lebende. Es sind Menschen, bei denen wir davon ausgehen, dass ihr Ende nahe ist, aber sie sind am Leben.“ Auf diesen Perspektivwechsel legt sie großen Wert. „Man geht hin und verbringt Zeit, man unterhält sich.“ Sie hält kurz inne und schmunzelt: „Es ist wie ein schöner Besuch bei der Oma.“
Zeit nehmen und zuhören
Zeit miteinander verbringen, sich unterhalten, zuhören, das stehe im Vordergrund. „Der Blick liegt nicht auf Tod und Sterben.“ Vielmehr gehe es darum, die verbleibende Zeit der Menschen mit positiven Erlebnissen zu füllen. Oftmals haben sei keine Verwandten mehr oder niemanden in der Nähe, der regelmäßig zu Besuch kommen könnte.
„Man muss gar nicht viel tun. Einfach da sein“, teilt sie aus ihren Erfahrungen mit. „Ich höre zu, höre Geschichten über das Leben, die Familie, das Leben im Heim. Über alles, was den Menschen gerade bewegt.“
Doch nicht nur alleinstehende Menschen werden von begleitet. Auch für die Angehörigen ist ein Hospizbegleiter da, um deren Sorgen, Fragen und Ängste anzuhören. „Es kann vorkommen, dass sie mit dem bevorstehenden Tod mehr Probleme haben als die betroffene Person selbst.“
Keine Angst vor dem Tod
Die Ausbildung hat Alida Krafts Blick auf den eigenen Tod verändert. „Ich kann die Ausbildung jedem wärmstens empfehlen, es gehört zur Allgemeinbildung. Stattdessen wird der Tod im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen. Weil man davor Angst hat. Man will es nicht wahrhaben, dass jeder sterben muss.“
Hat Alida Kraft keine Angst mehr vor dem Tod? „Im Kurs für Hospizbegleiter wird der Tod so erklärt, dass man ihn versteht, dass man keine Angst mehr davor hat.“ Dieses Wissen darüber, was kommt - bei einem selbst und anderen - lasse sie anders auf das Leben schauen und es intensiver genießen, denn niemand könne wissen, wann der Tod komme.
So gehe sie beispielsweise nie im Streit zu Bett. „Wir können nicht wissen, ob wir am anderen Morgen wieder aufwachen.“
Loslassen können
Loslassen sei in der Hospizbegleitung ein großes Thema. Es gehe darum, den Angehörigen dabei helfen, die sterbende Person gehen zu lassen, aber auch dem Kranken und Sterbenden selbst beizustehen. „Nicht die Aufgaben abnehmen, sondern begleiten“, beschreibt es Kraft.
Häufig gehe es darum, die Menschen zu bestärken, zu ermutigen und versuchen ihnen die Angst zu nehmen. „Man muss keine Angst vor dem Tod haben und nicht versuchen wollen festzuhalten, was ohnehin nicht zu kontrollieren ist.“
Daher gelte für sie: „Jeden Tag so zu leben, als wenn es morgen schon vorbei ist. Alles, was bis dahin war als Geschenk zu sehen und wenn es so weit ist, Ja-sagen zu können – mit einem Lachen im Gesicht.“
Die Mutter nach Hause geholt
Andrea Link berichtet, wie wichtig die Begleitung durch den Hospizverein für sie und ihre Mutter war. Auch es nur für eine kurze Zeit war, sei die Unterstützung umso wichtiger gewesen. „Meine Mutter lebte in einer Senioren WG. Immer wieder kam sie ins Krankenhaus.“
Nach Hassfurt kam sie, weil in Kissingen und Schweinfurt kein Bett für sie frei war. „Ich bin jeden Tag hingefahren, es ging ihr dort sehr schlecht, sie wollte wieder heim und ich wusste nicht, welche Möglichkeiten ich habe, sie dort herauszuholen und ihr weitere Operationen und Untersuchungen zu ersparen“, berichtet Link von ihrer Hilflosigkeit und Verzweiflung.
Patientenverfügung war die Voraussetzung
„Im Hospizverein wurde mir der Rücken gestärkt, ich hätte mich sonst gar nicht getraut, die aus dem Krankenhaus zu holen.“ Andrea Links Mutter war 97 Jahre alt und Privatpatientin . „Ich war so froh, dass ich sie nicht allein im Krankenhaus habe sterben lassen. Ohne Rückdeckung durch den Hospizverein wäre das nicht möglich gewesen.“
Dass eine Patientenverfügung vorlag, sei allerdings die Voraussetzung dafür gewesen, dass Andrea Link im Sinne ihrer Mutter handeln, ihr schmerzhafte Behandlungen und Untersuchungen ersparen und stattdessen ein Sterben in Würde ermöglichen konnte.