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Bad Brückenau
Alfred Schäfers sehr bewegtes Leben
Alfred Schäfer war mehr als nur der "Stern-Wirt". Auch wenn die heute geschlossene Gastwirtschaft sein Schicksal wesentlich mitbestimmte.
Indien, Sri Lanka, Ruanda, Kasachstan - Alfred Schäfer sah sich als 'Botschafter der bayerischen Küche' und bereiste in den letzten Jahren seines Lebens mit Hilfe diverser Organisationen wochenlang viele Länder der Erde. Foto: Sammlung Schäfer       -  Indien, Sri Lanka, Ruanda, Kasachstan - Alfred Schäfer sah sich als 'Botschafter der bayerischen Küche' und bereiste in den letzten Jahren seines Lebens mit Hilfe diverser Organisationen wochenlang viele Länder der Erde. Foto: Sammlung Schäfer
| Indien, Sri Lanka, Ruanda, Kasachstan - Alfred Schäfer sah sich als "Botschafter der bayerischen Küche" und bereiste in den letzten Jahren seines Lebens mit Hilfe diverser Organisationen wochenlang viele Länder der ...
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 17.08.2022 21:10 Uhr

Alfred Schäfer war Ur-Bröggenäer. Viele nannten ihn nur "den Stern-Wirt". Selbst als er das längst nicht mehr war. Am Sonntag, 19. Januar, ist einer der bekanntesten Einwohner der Stadt nach schwerer Krankheit gestorben. An seinem Mythos strickte er zu Lebzeiten selbst mit.

Der "Gasthof zum Stern" in der Altstadt - er war so etwas wie ein Schicksalsort für Alfred Schäfer. Er ließ ihn Zeit seines Lebens nie los.

Gern erzählte der mit 76 Jahren Verstorbene von glorreichen Tagen. Von Urgroßvater Ignatz, der den Stern 1871 als Mundschenk König Ludwigs übernahm. Von Großvater Gustav, Mitbegründer des Siebener-Sprudels. Oder von sich selbst, dass er 1972 den Gasthof in vierter Generation von seinem Vater Franz übernahm. "Ich habe mein Elternhaus sehr geliebt und die Heimat. Ich wollte die Stern-Tradition unbedingt fortführen", sagte er Anfang 2012 in einem Zeitungs-Interview.

Schäfer hat seine Kochausbildung 1958 bis 1961 im Würzburger Lokal "Stadt Mainz" gemacht, die Meisterprüfung am 10. Dezember 1971.

Strauß, Carrell und Heino zu Gast

Der Meister-Koch schwärmte von den 1970er- und 1980er-Jahren, als nicht nur der "Stern", sondern die gesamte Stadt Bad Brückenau dank vieler Kurgäste und Geschäftsleute blühte. Volksmusik-Star Carolin Reiber und Bayerns Ministerpräsident Franz-Josef Strauß residierten in seinem Hotelrestaurant. Letzteren verehrte Schäfer so sehr, dass er seinen Sohn nach ihm nannte. 1989 begrüßte der Wirt Rudi Carrell und Heino. Besonders stolz präsentierte er auf den Staats-Ehrenpreis der Bayerischen Küche 1991. Und die Tatsache, dass "Stern" mit dem Berliner Adlon in der Hotelklassifizierung des Hotel- und Gaststättenverbandes gelistet wurde.

Auch Leid und Verderben

Doch Alfred Schäfer sagte auch: "Die Erinnerungen an diese Zeiten tun weh." Denn das Leben in und mit dem "Stern" bedeuteten für ihn und seine Familie auch Leid und Verderben. 1978 wurde sein Vater von einem Bundeswehr-Soldaten ermordet. Viermal brannte es in dem Gasthof. Dass ihm viele Bad Brückenauer beim Wiederaufbau des Stern" und seiner Existenz halfen, sprach für seine Beliebtheit.

Worauf sie keinen Einfluss hatten, war "die schleichende Katastrophe", wie er selbst es nannte. Die Pflegereform 1996 schlug auch auf Bad Brückenaus Gastwirtschaften durch - es kamen kaum noch Kurgäste. Spätestens 2005 wurden finanzielle Probleme offenkundig, die sich seit längerem angehäuft hatten und an denen Schäfer selbst Mitschuld trug. Und er verfiel dem Alkohol. "Ich habe Probleme runtergeschluckt, kam mit mir nicht zurecht. Ich habe mich schlicht verloren." Exzesse, Streitigkeiten, Bruch mit der Familie.

2009 wurde der "Stern" zwangsversteigert, blieb aber im Familienbesitz. Sohn Franz-Josef erwarb sein Elternhaus, das auch das des Vaters war. Er führte den Gasthof zunächst weiter.

Das Ende vom Abstieg Alfred Schäfers bedeutete das nicht. Bis Ende 2010 durfte er im "Stern" wohnen bleiben. Dann erklärte ihn seine Familie wegen diverser Vorfälle zur "unerwünschten Person". "Ich bin mit nichts gegangen. Ich hatte nur das Bild meiner Eltern und ein Kreuz unterm Arm. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen", erinnerte er sich.

Weihnachten 2010 der endgültige Zusammenbruch: "Ich lag einsam im Bett und wusste nicht weiter." Alfred Schäfer versuchte, sich umzubringen, wurde gerettet. Der Wendepunkt.

Kraft im Glauben gefunden

Der Bad Brückenauer fand Kraft im Glauben. Vier Wochen verbrachte er in Indien; in einem Kloster in der Eifel musste er von morgens bis abends schweigen. Ohne den "Stern" - so schien es in den 2010er-Jahren - ging es Alfred Schäfer besser. Augenscheinlich bekam er seine Alkoholsucht unter Kontrolle, wirkte geläutert. Der ehemalige Gastwirt lebte in der Siebenbrückengasse, in Sichtweite seiner früheren Wirkungsstätte - ohne direkten Kontakt dorthin oder zu Ex-Frau und Tochter. Nur zu Sohn Franz-Josef hatte er zuletzt nach eigenen Worten "in gutes Verhältnis".

In seiner Heimatstadt Bad Brückenau war der "Stern-Wirt" in seinen letzten Jahren nur sporadisch anzutreffen. Er sah sich als "Botschafter der bayerischen Küche", bereiste mit Hilfe diverser Organisationen wochenlang viele Länder der Erde. Indien, Sri Lanka, Ruanda, Kasachstan: Gern berichtete Schäfer von "Weltoffenheit und Gastlichkeit", die er dort erfuhr. Und er freute sich, "mein Wissen und Können wieder präsentieren zu dürfen".

Schicksalsschlag: Sohn gestorben

Im Oktober 2018 ereilte Alfred Schäfer der aus heutiger Sicht finale Schicksalsschlag. Sein Sohn Franz-Josef starb mit 42 Jahren bei einem Autounfall auf der A27 bei Walsrode, Richtung Bremen. "Als Elternteil sein Kind auf so tragische Weise zu verlieren; das ist das Allerschlimmste, die ultimative Katastrophe. Das junge Leben meines Sohnes ist dahin - so grausam, so sinnlos", sagte der Vater damals.

Alfred Schäfer war sicher kein mustergültiger Mensch und nicht bei jedem beliebt. Aber er war - so wie dieser Autor ihn kannte - vielseitig und kreativ, offenherzig und zuvorkommend, aber auch fromm und verletzlich. Mit ihm verliert Bad Brückenau nicht nur einen guten Koch und Gastwirt sowie den Schöpfer des Mühlenbuches. Sondern einfach ein Original.

 
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    Herr Standke. Sehr gut geschriebener Artikel - wenn auch zu einem traurigen Anlass. Sie haben alle Facetten eines Bad Brückenauer Originals treffend und einfühlsam, gleichwohl mit der nötige Distanz, beschrieben. Ein sehr gelungener und verdienter Nachruf. Respekt.
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