Alfred Karg kommt regelmäßig aus den USA in sein Heimatdorf Detter, denn seine Mutter wohnt noch dort. Der Besuch am vergangenen Wochenende jedoch war etwas Besonderes, denn zum ersten Mal seit 50 Jahren sah er seine ehemaligen Klassenkameraden aus der Schule und dem Konfirmandenunterricht wieder.
Überrascht hat ihn die Einladung zur goldenen Konfirmation nicht, denn über seine Mutter hatte er telefonisch schon davon erfahren. Lange Zeit war nicht sicher, ob er den Termin wahrnehmen konnte, nun ist er „froh, dass er es geschafft“ hat.
Zunächst war Alfred Karg aus beruflichen Gründen in den USA gelandet, später lernte er dort seine Frau kennen und blieb. In Connecticut hatte er als beratender Ingenieur Fuß gefasst. Zwar hatte das Paar hin und wieder eine Rückkehr nach Deutschland erwogen, doch blieben sie – auch wegen der beiden gemeinsamen Kinder – in den Staaten. Als die Kinder zu Erstkommunion und Firmung gingen, konnte Alfred Karg Vergleiche ziehen.
In Erinnerungen geschwelgt
„Wenn man am Sonntag zehn Minuten vor dem Gottesdienst zur Kirche kommt, muss man draußen vor der Tür bleiben, so voll ist die Kirche dann schon.“ Die amerikanische Kirche sei sehr beliebt und in sozialen Angelegenheiten sehr aktiv. Seinen Besuch in Detter erlebte der Wahl-Amerikaner „sehr angenehm, es war ein schönes Zusammensein.“ Bereits am Vorabend hatte sich die Gruppe getroffen und in Erinnerungen an die Konfirmation und die Vorbereitung geschwelgt. Den Abend organisiert hatte Gisela Nikolai, die auch ihre goldene Konfirmation feiern konnte.
Zusammen mit dem Pfarramt hatte sie die Adressen aller Jubilare ausfindig machen können und bereits in der Vorbereitungszeit „viel Vorfreude gehabt, alle wiederzusehen“. Erinnern kann sich Gisela Nikolai an den 5. April 1964: „Zu zweit sind wir eingesegnet worden, und auch zu zweit sind wir zum Abendmahl gegangen. Damals war ich viel mehr aufgeregt als heute.“
Es wurde noch richtig viel auswendig gelernt: „Die Zehn Gebote, der Kleine Katechismus, die Psalmen plus Auslegungen, und was Pfarrer Weiher damals ganz wichtig war: Das Lied „Ein' feste Burg ist unser Gott.“ Das kann die Gruppe heute natürlich auch noch singen. Dass im Gegensatz zu damals heute Bänke statt Stühle in der Kirche stehen, ist nicht der einzige Unterschied: „Zwei aus unserer damaligen Gruppe sind schon gestorben. An die musste ich auch denken.“ Die Konfirmation und auch die Segenserneuerung haben für Gisela Nikolai „persönlich eine sehr große Bedeutung“. Pfarrer Thomas Braun findet es „toll, dass der Rücklauf so groß ist“. Früher sei der Zeitpunkt der Konfirmation einem Wendepunkt im beruflichen, gesellschaftlichen und kirchlichen Leben gleichgekommen, und habe für jeden Konfirmanden eine große Bedeutung gehabt. Die Jubelkonfirmanden aus Detter und Weißenbach seien kurz nach dem Krieg konfirmiert worden, „das hat zusammengeschweißt, die Verbundenheit ist sehr groß“. Das individuell große Ereignis Konfirmation wurde durch Geschehnisse auf der ganzen Welt begleitet, von denen Pfarrer Thomas Braun nur einige recherchiert hatte. Im Jahr 1949, auf das die „eisernen Konfirmanden“ zurückblicken, wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet, und die erste Curry-Wurst wurde in Berlin verkauft. Vor 60 Jahren, 1954, geschah mit dem 3:2-Sieg gegen Ungarn das Wunder von Bern, und in Deutschland konnte die erste Filterkaffeemaschine käuflich erworben werden. 1964, als die „goldenen Konfirmanden“ geweiht wurden, wurde Willy Brandt Vorsitzender der SPD, Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt, und die Beatles belegten die ersten fünf Plätze der US-Charts. Im Jahr der Konfirmation der heutigen Silber-Jubilare, 1989, fiel die Berliner Mauer, der Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens wurde gewaltsam niedergeschlagen, und in Berlin fand die erste Love-Parade statt. „Wovon wir uns tragen lassen, entscheiden wir“, und Pfarrer Thomas Braun fand den Bogen zur Bibelstelle, in der das Himmelreich einem Schatz im Acker und einer Perle gleichgesetzt wird. Während der Mensch vor vielen wichtigen Entscheidungen stehe, hatten die Personen im Gleichnis keine Zweifel, alles für den Schatz und die Perle herzugeben. Genauso habe Gott alles, was er hatte – seinen Sohn – hergegeben, um uns zu finden. „Wir müssen uns nicht entscheiden, Gott hat sich für uns entschieden.“ Die Jubelkonfirmation zusammen feiern zu können – „Sie werden es als Geschenk empfinden.“