
Claudia Hecht ist sauer. Weil sie in Reiterswiesen innerhalb der Drei-Kilometer-Grenze wohnt, die darüber entscheidet, ob die Karte bezahlt wird oder nicht, muss sie für die Kosten des Schulwegs ihrer 13-jährigen Tochter selbst aufkommen. Jetzt kommen mit der Einführung des neuen Nahverkehrsverbundes Mainfranken (NVM) Anfang des Jahres noch gestiegene Preise der Bustickets dazu.
6er-Schülerkarte war gute Lösung
„Klar braucht es Regelungen wie die Drei-Kilometer-Grenze, aber der Unmut der Eltern, bei denen es teilweise um wenige Meter geht, ist auch verständlich. Bisher hatten wir mit der 6er-Karte für Schüler eine einigermaßen akzeptable Lösung“, berichtet die dreifache Mutter.
Doch dieses Busticket gibt es seit 1. Januar so nicht mehr. „Jetzt müssen wir Tickets für Einzelfahrten kaufen, die nun 1,20 Euro kosten, das entspricht bei sechs Fahrten 7,20 Euro. Das ist fast das Doppelte gegenüber dem bisherigen Preis von 3,90 Euro und ist nicht mehr vertretbar.“
Die Monatskarte rechne sich mit Ferien- und Krankheitstagen nicht für Kinder, die nur zur Schule und zurückfahren müssen.
Kinder sind verunsichert
Hinzu kam, dass die Familie nicht über die neuen Preise informiert worden sei: „Mein Kind stand am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien am Bus, wurde angemault, weil es nicht genug Geld dabei hatte, wurde aus dem Bus geschickt und dann wieder zurückgepfiffen, dass sie mitfahren könne, aber gefälligst am nächsten Tag genug Geld mitbringen solle. Die Kinder sind völlig verunsichert und verwirrt.“

In der Familie Seuffert aus Reiterswiesen geht ein Kind in die Realschule und eins ins Gymnasium. Für die Fahrt zur Realschule muss Bettina Seuffert zahlen, für die zum Gymnasium nicht: „Beide Kinder fahren mit der gleichen Buslinie und steigen bei den gleichen Bushaltestellen ein und aus – das ist ein Witz.“
Ihr Haus liegt 2,9 Kilometer von der Realschule entfernt. Ihr Antrag auf Schülerbeförderung wurde abgelehnt, genauso ein Widerspruch. Auch die Kinder würden täglich die Ungerechtigkeit bemerken, wenn im Bus der eine zahlen muss, der andere aber nicht.
Schulweg von Reiterswiesen sei nicht zumutbar
Für Claudia Hecht und Bettina Seuffert hat die aktuelle Preiserhöhung das Fass zum Überlaufen gebracht – sie haben sich zusammen mit anderen Familien aus ihrem Stadtteil mit einem Schreiben an Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) gewandt.
Sie möchten, dass die Drei-Kilometer-Grenze und die Definition, was ein sicherer Schulweg ist, überprüft werden.
Den Weg von Reiterswiesen zu den Schulen sehen sie nicht als zumutbar an: „Die Strecke enthält Waldränder, wenig belebte Straßen, den vierspurigen Ostring, gefährliche Verkehrsknotenpunkte wie am Elisabeth Krankenhaus. Selbst als Erwachsene fühlt man sich auf diesem Weg in der Dunkelheit nicht sicher, und dort sollen sich elfjährige Mädchen und Jungen mit einem kiloschweren Rucksack gut fühlen?“, fragen sie in dem Schreiben.
Schulweg sollte kostenlos sein
Andererseits sei es nicht gewollt, dass Kinder von den Eltern zur Schule gefahren werden. „Und Busfahren hat ja auch mit Selbstständigkeit und persönlicher Entwicklung zu tun“, sagt Bettina Seuffert. „Schule sollte kostenlos sein und damit der Weg dorthin auch“, sind sich die Mütter einig.
Inzwischen haben die Familien eine Antwort erhalten.
„Was wir als Stadt jetzt in unserem Verantwortungsbereich machen werden, ist, dass wir den NVM auffordern, die bisherigen preisgünstigeren 6er-Tickets für Kinder (wieder) einzuführen“, berichtet Pressesprecher Thomas Hack. „Dafür will sich der Oberbürgermeister einsetzen.“
In Sachen Schülerbeförderung ist die Stadt für Grund- und Mittelschulen zuständig, der Landkreis für weiterführende Schulen.
Drei-Kilometer-Grenze gesetzlich vorgegeben
Die unterschiedliche Behandlung des Schulwegs zu Realschule und Gymnasium, wie es bei Familie Seuffert der Fall ist, begründet die Pressestelle des Landkreises damit, dass das Gymnasium von Reiterswiesen etwas weiter entfernt und die Eingänge der Schulen an unterschiedlichen Straßen liegen.
„Je nach Wohnort der Familie ist es also denkbar, dass der Schulweg eines Kindes die Drei-Kilometer-Grenze überschreitet und der Schulweg des anderen Kindes knapp darunter liegt“, erklärt Pressesprecherin Anja Vorndran auf Nachfrage der Redaktion.
Und weiter teilt die Sprecherin mit: „Bei der Drei-Kilometer-Grenze handelt es sich um eine feste gesetzliche Vorgabe, die keinen Raum für Einzelfallprüfungen bei knappen Unterschreitungen lässt.“
Kommunikation soll verbessert werden
Zum Fall der Schülerin, die am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien zunächst aus dem Bus verwiesen wurde, versprechen die Stadtwerke Bad Kissingen als Betreiber der Busse: „Die Busfahrer sind angewiesen, kulant zu handeln, insbesondere bei Unklarheiten. In diesem Fall handelt es sich offenbar um ein Missverständnis. Wir werden die Kommunikation zu den neuen Ticketpreisen weiter verbessern.“
Da der NVM mehrere Verkehrsgebiete in Mainfranken verbinde, seien Schulungen für das Fahrpersonal und eine enge Abstimmung erforderlich, damit ein einheitlicher Wissensstand innerhalb des Verkehrsverbundes gewährleistet werden kann, so Kevin Dees, Marketingleiter bei den Stadtwerken.
Mutter Claudia Hecht ist froh, dass sich die Stadt für die Wiedereinführung der 6er-Busfahrkarte für Kinder einsetzen will – „immerhin tut sich etwas“.