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Poppenhausen (Wasserkuppe)
"Wir sind schockiert über das eigene Land": Unternehmer aus der Rhön verklagen Jens Spahn
Unternehmer aus der Rhön haben Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verklagt. Der Streitwert um eine Bestellung von FFP2-Masken beträgt 1,3 Millionen Euro.
Boris Kiauka (links) und Andreas Schubert, Geschäftsführer der Gleitschirm-Flugschule Papillon auf der Wasserkuppe, verklagen Jens Spahn       -  Boris Kiauka (links) und Andreas Schubert, Geschäftsführer der Gleitschirm-Flugschule Papillon auf der Wasserkuppe, werfen Jens Spahn vor, FFP2-Masken bestellt, aber nicht bezahlt zu haben. Foto: Daniela Petersen
| Boris Kiauka (links) und Andreas Schubert, Geschäftsführer der Gleitschirm-Flugschule Papillon auf der Wasserkuppe, werfen Jens Spahn vor, FFP2-Masken bestellt, aber nicht bezahlt zu haben. Foto: Daniela Petersen
Redaktion
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:02 Uhr

Vor einem Jahr haben Boris Kiauka und Andreas Schubert für das Gesundheitsministerium 250.000 FFP2-Masken bei ihren Geschäftspartnern in Wuhan bestellt und ausgeliefert. Bis heute warten die beiden Unternehmer, dass die Rechnung bezahlt wird. Doch der Bund sträubt sich. Vergangene Woche war der Streit Thema am Landgericht Bonn .

Es ist ein ungewöhnlicher Zivilprozess: Zum einen, weil die Verhandlung digital in einer Videokonferenz stattfindet, zum anderen ist der Beschuldigte ein hoher Politiker: Jens Spahn ( CDU ). Kläger sind Boris Kiauka und Andreas Schubert, Geschäftsführer der Gleitschirm-Flugschule Papillon auf der Wasserkuppe . Sie werfen Spahn vor, FFP2-Masken bestellt, aber nicht bezahlt zu haben. Insgesamt geht es um 1,3 Millionen Euro.

Unternehmer liefern FFP2-Masken an den Bund - und bleiben auf Kosten sitzen

Im Frühjahr 2020, als es einen Mangel an Atemschutzmasken gab, lobte das Bundesgesundheitsministerium ein sogenanntes Open-House-Verfahren aus: Jeder Lieferant, der mehr als 25.000 FFP2-Masken beschaffen kann, sollte dafür einen Fixpreis von 4,50 Euro erhalten. Die Resonanz war groß. 738 Verträge wurden geschlossen. Auch Kiauka und Schubert stiegen in das Geschäft ein und organisierten - wie schon Wochen zuvor - FFP2-Masken über ihren langjährigen Geschäftspartner in China. 250.000 Stück. Drei Euro zahlten die Unternehmer pro Maske, gingen in Vorleistung und sitzen jetzt auf Kosten von 750.000 Euro.

"Wir sagen, die Masken sind mangelhaft. Sie lagern in Crailsheim und können dort abgeholt werden", sagt Rechtsanwalt Thorsten Ehrhard, der das Gesundheitsministerium in dem Fall vertritt, in der Verhandlung. Die Filterleistung liege bei etwa 90 Prozent, nötig seien 94. Dass die Masken zu durchlässig seien, dem widersprechen die beiden Kläger : "Unsere Masken wurden geprüft, da gab es keine Beanstandungen", betont Kiauka. Ganz im Gegenteil: So hätten die besagten Masken sogar eine Filterleistung von 98 Prozent aufgezeigt.

Ein weiterer Streitpunkt in dem Verfahren sind der Liefertermin , der eine Woche später erfolgte als geplant, sowie die Ausschreibung selbst. So sei in dem Text keine Vorgabe zur Qualität gemacht worden. "Es sollte eine FFP2-Maske sein, es waren keine Kriterien vorgegeben", sagt Schubert. Ebenfalls ein Kritikpunkt: Hätte die Bundesregierung nicht erst vier Wochen nach der Lieferung den Rücktritt von dem Vertrag erklärt, hätten die Masken womöglich anderweitig verkauft werden können. "Wir haben auf die Zahlung gewartet, die nach sieben Tagen eingehen sollte und hören nach 28 Tagen, dass der Vertrag geplatzt ist und wir die Masken abholen können", sagt Kiauka am Rande des Prozesses. Schubert fügt an: "Wir sind schockiert über das eigene Land und wie dieser - wie wir dachten - zuverlässigste Vertragspartner - das alles so abtut."

Mangelhafte FFP2-Masken? Unternehmer aus Franken widersprechen 

Was genau in dem Vertrag steht, das müsse geprüft werden, erklärt Richter Stefan Bellin. Noch sei "die Sache nicht entscheidungsreif". Die beiden Parteien werden sich jetzt noch einmal über ihre Anwälte besprechen und zum Beispiel klären, ob der Fall mit einem Vergleich abgeschlossen werden kann. Andernfalls wird es im Mai eine Beweisaufnahme geben. Dabei würden dann Experten im Vorfeld die Masken noch einmal prüfen. Kommt es nicht zum Vergleich, sei ein Ende des Rechtsstreits noch nicht abzusehen, sagt Schubert.

Nachgefragt bei den Unternehmern aus der Rhön: "Uns ging es nie um die schnelle Mark"

Herr Schubert, Herr Kiauka: Wieso sind Sie ins Maskengeschäft eingestiegen?

Andreas Schubert: Seit 2016 haben wir eine Kooperation mit einer Flugschule in Wuhan in China. Dadurch sind wir schon im November 2019 auf Corona aufmerksam geworden. Wie schlimm die Situation ist, wurde mir nach einem Gespräch mit einem Bekannten deutlich, der Arzt ist und sagte, dass er 1000 Kilometer für sieben FFP2-Masken gefahren ist. Durch die Geschäftsbeziehungen nach China konnten wir diese Masken leicht besorgen. Zum Beispiel haben wir fürs Fuldaer Herz-Jesu-Krankenhaus die ersten FFP2-Masken beschaffen können. Das war lange vor der Ausschreibung der Bundesregierung .

Boris Kiauka: Uns ging es nie um die schnelle Mark. Wir haben das als gesellschaftlichen Auftrag gesehen.

Wie kommt die Streitsumme von 1,3 Millionen Euro zustande?

Boris Kiauka: Laut Vertrag sollten wir 4,50 Euro pro Maske erhalten, eine Summe, die wir ja gar nicht selbst verhandelt haben, sondern die als Festpreis im Open-House-Verfahrens so ausgeschrieben war. Insgesamt beläuft sich bei 250.000 Masken der Streitwert auf 1,34 Millionen Euro, inklusive Mehrwertsteuer. Schon vorher standen wir mit Spahn in Kontakt. Die Mengen waren uns aber zu groß. Die Rechnung wäre erst Wochen später bezahlt worden, das konnten wir als mittelständiges Tourismusunternehmen mit 100 Mitarbeitern in Kurzarbeit nicht stemmen.

Was sagen Sie zu den Argumenten der Gegenseite, etwa dass die Qualität der Masken nicht stimmt?

Andreas Schubert: Unsere Masken sind geprüft und entsprechen den Vorgaben. Was die Lieferzeit betrifft, so liegt die Verzögerung nicht an uns: Wir haben am 10. April 2020 den Zuschlag erhalten und sollten bis zum 30. April abliefern. Das lief alles über zwei Logistikfirmen, die den Termin nicht einhalten konnten. Die Masken wurden dann am 7. Mai geliefert und nach Biblis gebracht. Bis zur Verhandlung wussten wir nicht einmal, ob sie noch irgendwo lagern. Jetzt wissen wir, dass sie in Baden-Württemberg liegen sollen.

Masken-Ankauf

738 Zuschläge an Lieferanten von Masken und Schutzausrüstung wurden laut Bundesregierung beim sogenannten Open-House-Verfahren erteilt.

2,05 Milliarden Masken orderte das Ministerium , tatsächlich geliefert wurden 277 Millionen FFP2- sowie 73 Millionen OP-Masken. Davon nahm der Bund aber nur 257 Millionen Masken ab.

65 Klagen sind beim Landgericht Bonn eingereicht worden (Stand Februar 2021). Auch Walter Kohl , der Sohn des Altkanzlers, hat angekündigt, Jens Spahn zu verklagen . Er hat ebenfalls Masken geliefert, die vom Ministerium dann nicht abgenommen wurden.

180 Millionen Euro beträgt der insgesamte Streitwert der Klagen.

Daniela Petersen

 
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Kommentare
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  • C. H.
    ich bin geneigt "selber schuld" zu sagen....

    Ernsthaft: kein mir bekanntes Handwerksunternehmen nimmt noch Aufträge aus öffentlicher Hand an. Ausser gegen Vorkasse für mindestens den Materialwert.
    Alle beklagen die Zahlungsmoral...
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  • C. B.
    Die beiden sind schockiert über unser Land? Ich denke man kann eher schockiert sein, dass zwei Unternehmer mit 100 Mitarbeitern (in Kurzarbeit!!) überhaupt an solchen Deals teilnehmen. Und als Flugschule "Masken" verkaufen.

    Fazit: Unternehmerisches Risiko nennt man das. Die Chance bestand auf 30% schnellen Gewinn. Dafür haben die beiden mit Ihrem Unternehmen und den Angestellten gezockt.

    Hoffentlich zahlt die Zeche nun nicht der Steuerzahler...
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  • W. V.
    50 % Gewinn wären es gewesen: 4,5÷3=1,5.
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  • G. Z.
    Kriegsgewinnler wären es gewesen! Und China hätte es ermöglicht! Wahnsinn. An Corona ohne Risiko verdienen wollen und sich nachher beschweren. Manchmal kommts einen vor, als ob da der ein Ganove den anderen Ganoven besch....en will. Die Maßstäbe verloren und Notlagen ausgenutzt.
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  • S. K.
    wird Jens Spahn hier persönlich verklagt? Hat er die Masken für sich bestellt?
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  • R. R.
    Nicht Jens Spahn sondern wir der Staat zahlt, also wir.
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  • C. H.
    Es ging nicht um die Mark, sondern Euro.
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  • G. Z.
    tja, hätten den Auftrag halt doch über die Herren Sauter und Nüsslein abwickeln sollen. Dann gäbe es solche Probleme nicht! - Eine Schande !
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  • H. H.
    Genau da liegt doch das Problemchen
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