Vor zehn Jahren gründete Ursula Nickel die Bad Kissinger Adipositas-Selbsthilfegruppe für Menschen mit erhöhtem Übergewicht.
Das Gründungsfest wird am Sonntag,15. Oktober, um 10 Uhr mit einem öffentlichen Festakt und der Vorstellung der Selbsthilfegruppe unter dem Motto „Unser gewichtiger Lebensweg. Was die Gruppe mir gibt“ eingeleitet.
Von Jugend an war Ursula Nickel übergewichtig. Vor zehn Jahren fasste sie dann den Entschluss, im Landkreis eine Adipositas-Selbsthilfegruppe zu gründen. „Irgendwann hat man genug gelitten.“
In einer Gruppe macht es mehr Spaß, sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen, konnte sie schon bald feststellen.
Nur ein Mann ist dabei
Nach einem Aufruf in der Zeitung hatte Nickel damals 90 Meldungen aus der weiteren Region erhalten, sogar weit über die Landkreisgrenzen hinaus.
Zum ersten Informationstreffen kamen nur 25 Betroffene. Heute hat die Gruppe etwa 20 Mitglieder, von denen ein Dutzend zum „harten Kern“ gehört, darunter nur ein Mann.
60 Prozent der Männer sind übergewichtig
Der Statistik nach hätten es mehr Männer nötig, sich um ihre Figur zu kümmern, wissen Ursula Nickel und ihre Mitstreiterin Irmengard Van de Weyer, die beide als Sprecherinnen der Gruppe momentan noch mit letzten Festvorbereitungen beschäftigt sind.
„60 Prozent der Männer sind übergewichtig, die Hälfte davon schwer“, zitiert Van de Weyer im Pressegespräch aus der Statistik.
Nach dem Äußeren beurteilt
Warum gibt es also fast nur Frauen in der Gruppe? „Frauen müssen sich viel mehr mit ihrer Figur beschäftigen“, ist ihre Antwort und ergänzt: „Der Mensch wird viel zu oft nach seinem Äußeren beurteilt.“
Dies betrifft Frauen in der noch immer von Männern beherrschten Gesellschaft besonders. „Eine dicke Frau muss sich bei Bewerbungen doppelt beweisen.“ Dies nagt bei vielen am Selbstbewusstsein und kann im schlimmsten Fall zur Depression führen.
Ab BMI 30 adipös
Der Frust wird dadurch noch verstärkt, dass selbst die Wissenschaft sich nicht einig ist, ob Adipositas eine Krankheit ist oder lediglich das Krankheitsrisiko erhöht. „Vor 20 Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation Adipositas als chronische Krankheit eingestuft“, sagt Van de Weyer, wobei es abhängig vom Body-Mass-Index (BMI) drei Härtegrade gibt.
„Ab BMI 30 wird der Mensch als adipös eingestuft.“ Übermäßiges Körpergewicht kann Diabetes und Gelenkerkrankungen zur Folge haben, Herz und Kreislauf angreifen, zu Atemwegserkrankungen, Schlafapnoe und sogar zu Krebserkrankungen führen, nennt die Gruppensprecherin einige der Risiken.
Regelmäßige Treffen
Es dauert meistens lange, bis sich Betroffene über ihren Zustand klar werden und sich entscheiden, etwas gegen ihr Übergewicht zu tun. Nickel: „Man muss innehalten, sich seinen Zustand bewusst machen und Hilfe holen.“
Eine gute Möglichkeit ist die Selbsthilfegruppe , in der „Hilfe statt Häme“ geboten wird.
Bei den regelmäßigen Treffen jeweils am zweiten und vierten Mittwoch im Bad Kissinger Mehrgenerationenhaus um 18.30 Uhr kann man seine Erfahrungen in Gemeinschaft „mit großer Offenheit und ohne Zwang austauschen, sich gegenseitig aufbauen, unterstützen und motivieren“, werben die Sprecherinnen.
Referate und Gemeinschaftserlebnisse
Gelegentlich gibt es Referate zu praktischen Themen wie Ernährung oder Fußgymnastik. Hin und wieder macht die Gruppe auch einen Ausflug.
Nickel: „Das Gemeinschaftserlebnis ist wichtig, da sich adipöse Menschen oft aus Scham und Frust aus dem öffentlichen Leben in die Isolation zurückziehen.“ Man muss sich aber dem Problem stellen, wissen Nickel und Van de Weyer.
„Ratschläge sind auch Schläge“
Allzu oft werden Übergewichtige von anderen abfällig betrachtet, als undiszipliniert oder gar gefräßig beschimpft. Bei diesen Stichworten kann Van de Weyer ärgerlich werden: „Jeder Mensch ist anders und reagiert anders.“
Besonders reizt es sie, wenn Menschen, die von den Problemen der Adipositas-Leidenden nichts verstehen, meinen, gute Ratschläge geben zu können. „Damit erreicht man bei Betroffenen das Gegenteil, denn Ratschläge sind auch Schläge.“
Das Programm am 15. Oktober
- Das zehnjährige Bestehen wird am Sonntag, 15. Oktober, ab 9.30 Uhr im Sparkassen-Pavillon, Von-Hessing-Straße 10, Bad Kissingen begangen. Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt ist frei.
- Für den Festtag konnte für einen kurzen Impulsvortrag mit dem Thema „ Adipositas – die neue Pandemie?“ die Bad Kissinger Ärztin Eveline Schönweiß gewonnen werden.
- Chansonnier Stefan Schael, Musiktherapeut an der Hemera-Klinik, wird die Gäste mit einem zu diesem Anlass komponierten Lied überraschen.
- Bereits ab 9.30 Uhr kann im Foyer die Ausstellung „Rund, bunt, na und?“ besichtigt werden. Die Bildhauerinnen Marthy Steller-Vrolijk und Anita Götz zeigen dort ihre bemalten Keramik-Figuren, die sich an den weltbekannten und recht üppigen Nana-Frauen der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle (1930-2002) orientieren. Die rundlichen und bunten Skulpturen stehen für Lebenskraft, Weiblichkeit und freie Lebensgestaltung ohne Zwänge.
- Ausschließlich für aktive und ehemalige Mitglieder der Adipositas-Selbsthilfegruppe schließt sich nachmittags ab 14 Uhr ein Workshop an mit der aus Bad Kissingen stammenden promovierten Ernährungswissenschaftlerin und Autorin Antonie Post zum Thema „Iss doch, was du willst!“.
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