Bad Bocklet
Abnehmen allein ist nicht genug
Das Rehabilitations- und Präventionszentrum Bad Bocklet hat ein neues Programm für fettleibige Patienten gestartet.

Bewegung ist wichtig, besonders im Alltag. 30 Minuten täglich reichen nach Expertenmeinung schon aus. Doch häufig lässt sich das nicht so einfach umsetzen. Bei manchen scheitert es am inneren Schweinehund, bei anderen an ganz profanen Dingen, wie beispielsweise dem enormen Arbeitspensum, das sie täglich leisten. So auch bei Reinhold Becker. Der 47-Jährige ist Lkw-Fahrer, er sitzt jeden Tag zwischen zwölf und 15 Stunden am Lenkrad.
"Wie soll ich da noch Zeit fürs Schwimmen oder Fitnessstudio haben?", fragt er sich. Dabei wäre es dringend notwendig, dass Becker sich mehr bewegt.
Momentan bringt der Lkw-Fahrer mehr als 200 Kilogramm Gewicht auf die Waage, gilt als schwergewichtig oder fettleibig. Fachleute sagen dazu Adipositas. "Schlank war ich noch nie", sagt er. Dennoch hat der aus der Nähe von Geislingen in Baden-Württemberg stammende schon vieles ausprobiert, sich sogar vor über 20 Jahren den Magen verkleinern lassen. Doch genützt hat es nichts. Im Gegenteil. Sein Gewicht stieg weiter an. Parallel dazu hat sich sein Gesundheitszustand in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert, auch durch zahlreiche Unfälle.
Hinzu kommt der tägliche Stress auf der Autobahn, der Termindruck als Lkw-Fahrer, der unregelmäßige Alltag, fehlender Schlaf, das ungesunde Essen und vieles andere mehr. Ein Kreislauf, den es zu durchbrechen galt. Erst eine Lungenembolie zwang ihn zum Handeln.
"Ich merkte, ich muss mal das machen, was die Ärzte mir sagen." Deshalb ist Reinhold Becker nun Adipositas-Patient im Rehabilitations- und Präventionszentrum Bad Bocklet.
Wir treffen ihn im Fitness-Studio der Klinik, wo er gerade trainiert. "Es ist schön, dass es wieder geöffnet ist", sagt er. Nach dem Brand in der vergangenen Woche musste der Raum, in dem mehrere Sportgeräte stehen, vorübergehend gesperrt und gereinigt werden. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein ganz gewöhnlicher Trainingsraum. Nur beim Schild mit dem Hinweis "Dieses Gerät kann nur von Personen unter 150 Kilogramm Körpergewicht benutzt werden", wird man stutzig. "Wir haben hier auch spezielle Geräte für Schwergewichtige wie Herrn Becker stehen", erklärt Professor Dr. Monika Reuß-Borst. Sie ist Ärztliche Gesamtkoordinatorin des Rehazentrums und hat dessen Adi-positas-Programm BRITTA (Bockleter Rehaintervention bei Adipositas) gemeinsam mit den Fachärzten im Haus entwickelt.
Seit etwa sechs Monaten ist dieses nun angelaufen, seither wurden zwischen 40 und 50 Patienten betreut, Tendenz steigend. "Schließlich nimmt die Zahl der an Adipositas erkrankten Menschen immer mehr zu.
Und sie werden immer jünger", weiß die Internistin. Bereits jedes fünfte Kind sei heute übergewichtig. Entsprechend müsse sich die Gesellschaft umstellen. Auch die Klinik musste das, die sich eigentlich auf Erkrankungen der inneren Organe, des Bewegungsapparates, der Psyche und auf Krebserkrankungen spezialisiert hatte. Nun ist sie auch Anlaufstelle für Schwergewichtige.
Die brauchen nicht nur spezielle Trainingsgeräte im Fitnessraum, sondern auch geeignete Betten, Stühle oder Badausstattungen, die das große Gewicht aushalten. "Unser schwerster Patient bisher brachte 256 Kilogramm auf die Waage", so Professor Reuß-Borst.
Ideal-Ziel ihres neuen Adipositas-Programms sei, die schwergewichtigen Patienten wieder erwerbsfähig zu machen. Für viele ist das jedoch ein langer, schwerer, aber gangbarer Weg. Entsprechend wurde die Therapie auf drei Schwerpunkte ausgerichtet: die psychologische Betreuung, die Ernährungsumstellung und die Bewegung. "Parallel dazu werden weitere medizinischen Komponenten individuell angepasst", erklärt Dietmar Brückl, der Chefarzt für Innere Medizin des Reha-Zentrum ist. Denn viele adipöse Patienten würden auch an Begleiterkrankungen leiden, beispielsweise des Bewegungsapparates, haben Herz- und Kreislaufbeschwerden oder Schlafstörungen. So auch Reinhold Becker. "Ich habe hier erst wieder das Schlafen gelernt, dazu das regelmäßige Essen und, dass mein Tag wieder einen Rhythmus hat", erzählt er.
Seit drei Wochen ist Becker schon Patient in Bad Bocklet, fühlt sich dort sehr wohl. Auf das Programm BRITTA wurde der Schwabe im Internet aufmerksam. "Ich habe eine Reha für Schwergewichtige gesucht und bin auf etwa zwölf Kliniken gestoßen", erzählt er. Ein Anruf seiner Hausärztin genügte, und Becker bekam einen Platz in Bad Bocklet. Ob er inzwischen schon abgenommen hat, weiß er nicht. Es ist ihm auch nicht wichtig. "Ich weiß, dass ich das, was ich mir in 30 Jahren angefressen habe, nicht innerhalb von fünf Wochen abnehmen kann", gibt er ganz offen zu. Doch er fühle sich deutlich fitter als vorher, bewege sich schließlich deutlich mehr als sonst. "Am Aufzug steht ein Bänkle. Darauf habe ich mich anfangs immer gesetzt, um zu warten, bis er kommt. Jetzt brauche ich es nicht mehr", berichtet er nicht ohne Stolz.
Nach der Reha in Bad Bocklet möchte er so weitermachen, sich viel bewegen. "Aber mit dem Job als Lkw-Fahrer geht das leider nicht", ist sich Becker bewusst. Deshalb ist er momentan auf der Suche nach einer Alternative.
"Eine ambulante Anschlusstherapie wäre ideal, aber im ländlichen Raum, wo Herr Becker wohnt, ist das schwierig", so Professor Reuß-Borst. Häufig seien auch die Hausärzte überfordert, entsprechende Anschlussbehandlungen zu verordnen, ergänzt Chefarzt Brückl. "Zudem haben wir kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem", fügt er hinzu.
Bei den Hausärzten könnte sich das schon bald ändern. Denn das Rehabilitations- und Präventionszentrum plant, am 16. und 17. Juni ein Symposium als Ärztefortbildung zum Thema "Adipositas & Diabetes Mellitus" zu veranstalten. Dafür wurden verschiedene Fachleute eingeladen, die unter anderem darüber referieren, welche Medikamente beispielsweise an Diabetes erkrankte Schwergewichtige brauchen, oder welche Form des Abnehmens für sie geeignet ist.
"Wettkämpfe, wie sie im Fernsehen gezeigt werden, bringen da absolut nichts. Man kann nicht auf Knopfdruck zwei Kilogramm abnehmen", so Dr. Brückl. Reinhold Becker bestätigt das mit einem Kopfnicken. Der Patient schätzt, dass er bis zum Ende seiner Reha etwa drei Kilo weniger wiegen wird. "Mein Idealgewicht von 120 Kilogramm werde ich nie erreichen, dessen bin ich mir bewusst", fügt er hinzu. Aber besser auf seine Ernährung achten, das könne er inzwischen schon. Ganz ohne Verzicht ginge es aber nicht. "Wenn ich abends mal zwei, drei Bier trinken möchte, dann muss ich eben beim Essen sparen", sagt er.
Momentan bringt der Lkw-Fahrer mehr als 200 Kilogramm Gewicht auf die Waage, gilt als schwergewichtig oder fettleibig. Fachleute sagen dazu Adipositas. "Schlank war ich noch nie", sagt er. Dennoch hat der aus der Nähe von Geislingen in Baden-Württemberg stammende schon vieles ausprobiert, sich sogar vor über 20 Jahren den Magen verkleinern lassen. Doch genützt hat es nichts. Im Gegenteil. Sein Gewicht stieg weiter an. Parallel dazu hat sich sein Gesundheitszustand in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert, auch durch zahlreiche Unfälle.
Unregelmäßiger Alltag
Hinzu kommt der tägliche Stress auf der Autobahn, der Termindruck als Lkw-Fahrer, der unregelmäßige Alltag, fehlender Schlaf, das ungesunde Essen und vieles andere mehr. Ein Kreislauf, den es zu durchbrechen galt. Erst eine Lungenembolie zwang ihn zum Handeln.
"Ich merkte, ich muss mal das machen, was die Ärzte mir sagen." Deshalb ist Reinhold Becker nun Adipositas-Patient im Rehabilitations- und Präventionszentrum Bad Bocklet.Wir treffen ihn im Fitness-Studio der Klinik, wo er gerade trainiert. "Es ist schön, dass es wieder geöffnet ist", sagt er. Nach dem Brand in der vergangenen Woche musste der Raum, in dem mehrere Sportgeräte stehen, vorübergehend gesperrt und gereinigt werden. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein ganz gewöhnlicher Trainingsraum. Nur beim Schild mit dem Hinweis "Dieses Gerät kann nur von Personen unter 150 Kilogramm Körpergewicht benutzt werden", wird man stutzig. "Wir haben hier auch spezielle Geräte für Schwergewichtige wie Herrn Becker stehen", erklärt Professor Dr. Monika Reuß-Borst. Sie ist Ärztliche Gesamtkoordinatorin des Rehazentrums und hat dessen Adi-positas-Programm BRITTA (Bockleter Rehaintervention bei Adipositas) gemeinsam mit den Fachärzten im Haus entwickelt.
Patienten immer jünger
Seit etwa sechs Monaten ist dieses nun angelaufen, seither wurden zwischen 40 und 50 Patienten betreut, Tendenz steigend. "Schließlich nimmt die Zahl der an Adipositas erkrankten Menschen immer mehr zu.
Und sie werden immer jünger", weiß die Internistin. Bereits jedes fünfte Kind sei heute übergewichtig. Entsprechend müsse sich die Gesellschaft umstellen. Auch die Klinik musste das, die sich eigentlich auf Erkrankungen der inneren Organe, des Bewegungsapparates, der Psyche und auf Krebserkrankungen spezialisiert hatte. Nun ist sie auch Anlaufstelle für Schwergewichtige.
Die brauchen nicht nur spezielle Trainingsgeräte im Fitnessraum, sondern auch geeignete Betten, Stühle oder Badausstattungen, die das große Gewicht aushalten. "Unser schwerster Patient bisher brachte 256 Kilogramm auf die Waage", so Professor Reuß-Borst.Ideal-Ziel ihres neuen Adipositas-Programms sei, die schwergewichtigen Patienten wieder erwerbsfähig zu machen. Für viele ist das jedoch ein langer, schwerer, aber gangbarer Weg. Entsprechend wurde die Therapie auf drei Schwerpunkte ausgerichtet: die psychologische Betreuung, die Ernährungsumstellung und die Bewegung. "Parallel dazu werden weitere medizinischen Komponenten individuell angepasst", erklärt Dietmar Brückl, der Chefarzt für Innere Medizin des Reha-Zentrum ist. Denn viele adipöse Patienten würden auch an Begleiterkrankungen leiden, beispielsweise des Bewegungsapparates, haben Herz- und Kreislaufbeschwerden oder Schlafstörungen. So auch Reinhold Becker. "Ich habe hier erst wieder das Schlafen gelernt, dazu das regelmäßige Essen und, dass mein Tag wieder einen Rhythmus hat", erzählt er.
Seit drei Wochen ist Becker schon Patient in Bad Bocklet, fühlt sich dort sehr wohl. Auf das Programm BRITTA wurde der Schwabe im Internet aufmerksam. "Ich habe eine Reha für Schwergewichtige gesucht und bin auf etwa zwölf Kliniken gestoßen", erzählt er. Ein Anruf seiner Hausärztin genügte, und Becker bekam einen Platz in Bad Bocklet. Ob er inzwischen schon abgenommen hat, weiß er nicht. Es ist ihm auch nicht wichtig. "Ich weiß, dass ich das, was ich mir in 30 Jahren angefressen habe, nicht innerhalb von fünf Wochen abnehmen kann", gibt er ganz offen zu. Doch er fühle sich deutlich fitter als vorher, bewege sich schließlich deutlich mehr als sonst. "Am Aufzug steht ein Bänkle. Darauf habe ich mich anfangs immer gesetzt, um zu warten, bis er kommt. Jetzt brauche ich es nicht mehr", berichtet er nicht ohne Stolz.
Anschlusstherapie ideal
Nach der Reha in Bad Bocklet möchte er so weitermachen, sich viel bewegen. "Aber mit dem Job als Lkw-Fahrer geht das leider nicht", ist sich Becker bewusst. Deshalb ist er momentan auf der Suche nach einer Alternative.
"Eine ambulante Anschlusstherapie wäre ideal, aber im ländlichen Raum, wo Herr Becker wohnt, ist das schwierig", so Professor Reuß-Borst. Häufig seien auch die Hausärzte überfordert, entsprechende Anschlussbehandlungen zu verordnen, ergänzt Chefarzt Brückl. "Zudem haben wir kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem", fügt er hinzu.Bei den Hausärzten könnte sich das schon bald ändern. Denn das Rehabilitations- und Präventionszentrum plant, am 16. und 17. Juni ein Symposium als Ärztefortbildung zum Thema "Adipositas & Diabetes Mellitus" zu veranstalten. Dafür wurden verschiedene Fachleute eingeladen, die unter anderem darüber referieren, welche Medikamente beispielsweise an Diabetes erkrankte Schwergewichtige brauchen, oder welche Form des Abnehmens für sie geeignet ist.
"Wettkämpfe, wie sie im Fernsehen gezeigt werden, bringen da absolut nichts. Man kann nicht auf Knopfdruck zwei Kilogramm abnehmen", so Dr. Brückl. Reinhold Becker bestätigt das mit einem Kopfnicken. Der Patient schätzt, dass er bis zum Ende seiner Reha etwa drei Kilo weniger wiegen wird. "Mein Idealgewicht von 120 Kilogramm werde ich nie erreichen, dessen bin ich mir bewusst", fügt er hinzu. Aber besser auf seine Ernährung achten, das könne er inzwischen schon. Ganz ohne Verzicht ginge es aber nicht. "Wenn ich abends mal zwei, drei Bier trinken möchte, dann muss ich eben beim Essen sparen", sagt er.
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