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BAD BRÜCKENAU
73000 Euro veruntreut: Angeklagter bekommt Bewährung
Von unserer Mitarbeiterin Susanne Wahler-Göbel
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:50 Uhr

„Eigentlich kann man in so einem Fall keine Bewährung mehr aussprechen“, das gab selbst der Richter zu. Vor sich hatte er einen Angeklagten, dem Betrug in 56 Fällen zur Last gelegt wurde. Der Mann hatte über dreieinhalb Jahre rund 73 000 Euro eines gemeinnützigen Vereins in Bad Brückenau veruntreut. Der Verein ging dadurch insolvent. Doch weil der Mann umfassend geständig war, bewahrte ihn das Schöffengericht Bad Kissingen vor dem Gefängnis.

Zwei Jahre Freiheitsstrafe, ausgesetzt für fünf Jahre zur Bewährung, entschieden am Ende der Vorsitzende und die beiden Schöffen. Genau genommen hatten sie die Strafe auf zwei Jahre und vier Monate festgesetzt, damit hätte der 59-jährige Angeklagte tatsächlich hinter Gitter gemusst. Doch die vier Monate wurden in eine Geldstrafe von 4800 Euro umgewandelt. Eine Summe, die der Angeklagte zumindest fürs Erste nicht zahlen kann. Er ist seinen eigenen Aussagen nach mittellos.

Als langjähriger Vorsitzender eines mildtätigen Vereins hatte der Angeklagte 39-mal Bargeld von dem ihm anvertrauten Konto abgehoben. Darüber hinaus hatte er hohe Beträge auf sein eigenes Konto überweisen lassen. Der Mann war zu jener Zeit selbstständig in der Finanzbranche tätig und in schwere wirtschaftliche Schieflage geraten. „Mit dem Geld habe ich unter anderem meine Mitarbeiter bezahlt und massive Gläubigerforderungen beglichen.“

Der Mann, der sich als bekennenden Christen schilderte, war über Jahrzehnte auch in einem kirchlichen Gremium in Bad Brückenau engagiert. Eine Tatsache, die dem Staatsanwalt besonders übel aufstieß. „Ihre Taten stehen für mich in krassem Widerspruch zu Glaube und Nächstenliebe“, ging der Ankläger den 59-Jährigen an. „Mit jeder einzelnen Tat haben Sie eine Schwelle überschritten, und das über so einen langen Zeitraum.“ Warum er keinen Schlusspunkt gesetzt und nach legalen Lösungsmitteln für seine Probleme gesucht habe, wollte der Staatsanwalt hartnäckig wissen.

„Ich habe nicht mehr über das, was ich tue, nachgedacht.“
Angeklagter

Der Angeklagte sagte aus, dass ihm alles über den Kopf gewachsen sei. „Ich habe nicht mehr über das, was ich tue, nachgedacht.“ Die Arbeit als Vorsitzender des Vereins habe sich fast zu einem Vollzeitjob ausgeweitet, hinzu seien familiäre Probleme gekommen. „Heute stehe ich wirtschaftlich und privat vor einem großen Scherbenhaufen“, so der dreifache Vater, der einer Bank in Bad Kissingen die Mitschuld an seiner Misere gab. „Sie hat Existenzen vernichtet.“

Der Mann ist mittlerweile wieder in der Finanzbranche tätig, nun als Angestellter. Viel Geld zum Leben bleibe ihm nicht, aber die Arbeit gebe ihm das Gefühl, noch von Nutzen zu sein. „Mein Chef ist über meine Geschichte informiert.“ Er stehe zu seinem Fehlverhalten und wolle sich seiner Verantwortung nicht entziehen, gab der Mann mehrmals zu Protokoll. Sein Verteidiger war indes bemüht, das kriminelle Gebaren seines Mandanten in den Zusammenhang einer großen persönlichen Notlage einzuordnen. „Er hat das veruntreute Geld ja nicht zur Spielbank getragen oder verjubelt.“

Offen blieb während der Verhandlung, warum der Angeklagte so lange unbehelligt und unbemerkt seine illegalen Machenschaften betreiben konnte. Der Angeklagte gab zu, Anfragen anderer Vereinsmitglieder immer wieder abgeblockt zu haben. Der Staatsanwalt monierte offen, dass zum Prozess keine Zeugen geladen waren. „Man hätte vom Nachfolger des Angeklagten sicher eine Menge interessanter Hintergrundinformationen bekommen können.“ Der neue Vorsitzende des mittlerweile insolventen Vereins hatte den 59-Jährigen im Jahr 2011 angezeigt.

Der Angeklagte hatte neben den genannten Abhebungen und Überweisungen Vereinsgelder auch in Zusammenhang mit einem Mietvertrag, einem Haftpflichtschaden und einem Sponsoring veruntreut. „Ich bin mir bewusst, dass ich das Vertrauen sehr vieler Menschen missbraucht habe. „Diese menschliche Enttäuschung ist wohl noch viel schwerwiegender als der finanzielle Schaden“, sagte der Mann in seinem letzten Wort. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

 
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  • Ich empfinde die mit dem Urteil ausgesprochene Strafe als blanken Hohn für die Geschädigten, insbesondere die Angestellten der Diakonie und die, die eine Diakonie in Bad Brückenau nicht mehr in Anspruch nehmen können. Eine Geldstrafe, die der Verursacher eh nicht zahlen kann, verleitet manche, vielleicht auch Ehrenamtliche zur Nachahmung. Dass man mit den damit erworbenen Referenzen nahtlos in einem Finanzunternehmen unterkommen kann lässt nicht nur tief in die Qualität des Unternehmens blicken sondern entblößt auch die offensichtliche Verhöhnung des Kapitels "Diakonie".
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