
Im dunklen, knöchellangen Mönchsgewand steht Pater Anselm Grün im Lichtkegel auf der Bühne im großen Saal des Regentenbaus. Sein ausdrucksstarkes Gesicht wird von den dunklen, wachen Augen beherrscht und von den grauen, schulterlangen Haaren sowie dem Bart umrahmt.
Eine knappe Stunde hat der Bestseller-Autor und Cellar der Benediktinerabtei Münsterschwarzach über die Sehnsucht der Menschen nach Stille in einer hektischen Welt gesprochen. Im ruhigen Tonfall und klarer Sprache, angereichert mit bildhaften Geschichten und biblischen Bezügen, entführte der Referent auf Einladung der evangelischen Kurseelsorge die Zuhörer in die spirituellen Welten des christlichen Seins.
Begrüßt wurde der „prominente katholische Referent“ vom evangelischen Pfarrer Wolfgang Ott als Zeichen dafür, „dass uns mehr verbindet als uns trennt“. Kurdirektor Gunter Sauer verwies in seinem Grußwort auf die 300 Bücher von Pater Anselm Grün, die in 30 Sprachen übersetzt worden sind und mittlerweile eine Auflage von fast 15 Millionen Exemplaren erreicht haben.
Pater Anselm Grün hat nicht nur wegen seiner Bücher, sondern auch wegen seines spirituellen und therapeutischen Wirkens „Kult-Status“ erreicht. Die Anforderungen einer immer hektischer werdenden und damit immer unsichereren Welt machen die Menschen empfänglicher für religiös-meditative Botschaften, die Halt geben oder Orientierung vermitteln.
Dass davon der Absatz von Anselm Grüns Bücher profitiert, sah man am Verkaufsstand im Foyer des Regentenbaus, der vor Beginn der Veranstaltung und danach dicht umdrängt war – die Aussicht auf ein Autogramm tat ein Übriges.
Im Saal erstirbt das allgemeine Gemurmel mit dem Ankündigungsgong. Still und stiller wird es. Bei den ersten Worten von Anselm Grün ist die Aufmerksamkeit, die dem 63-jährigen Benediktiner entgegen gebracht wird, fast körperlich spürbar.
Sich geborgen fühlen
Stille muss nicht gemacht werden, sie muss entdeckt werden. Stille ist in der Natur, wobei ein Bach oder ein Vogel diese Stille hörbar machen kann, aber auch in Gebäuden oder in der Musik, wo einem die Stille bewusst werde, wenn der letzte Ton verklungen sei, so Anselm Grün. In ihrer Wirkung entspricht die Stille dem Wunsch der Menschen nach Klärung, Reinigung, Heilung oder der Nähe zu Gott, „sich in Gott geborgen fühlen“.
Ohne schriftliches Konzept, dafür mit traumwandlerischer Text-Sicherheit formuliert Anselm Grün seine Gedanken. Nicht nur das Studium von Philosophie, Theologie und Betriebswirtschaft befähigt den Referenten, über „Schweigen als spirituellen Weg“ zu sprechen. Vor allem die Erfahrungen aus dem Kloster, aber auch der Blick über den Tellerrand christlicher Spiritualität geben seinen Ausführungen etwas Authentisches, Glaubhaftes.
Er erzählt von der Selbstbegegnung durch Schweigen, von einer wert- und vorwurfsfreien Selbstreflexion und gibt Einblicke in die griechische Philosophie mit den „Logismoi“, den Regungen der Seele, gefühlsbetonten Gedanken. Er verbindet das Schweigen mit dem „Loslassen“, mit dem Freiwerden von Ängsten und der Chance „sich von Gott bedingungslos angenommen zu fühlen“.
Der „mystische Weg zum inneren Raum der Stille“ gehe nur über die Wahrheit, also über die Konfrontation mit sich selbst. Doch wenn man diesen Weg beschreite, dann komme man dem Ziel „Eins-Werden mit Gott“ als Seelenerfahrung näher.
Doch nicht nur sein Wissen um Spiritualität und Transzendenz oder sein Glaube an Gott und den Menschen machen die Anziehungskraft von Pater Anselm Grün aus. Es ist seine Wahrnehmung von der wirklichen Welt, in der es Anforderungen und Spannungen, Freude und Enttäuschung gibt und der man einen festen Glauben entgegensetzen kann. Das Bewusstsein von der eigenen Stärke, vom „inneren Raum der Stille“ hilft dabei.