Wie das deutsch-deutsche Zusammenleben für den langjährigen BR-Journalisten Eberhard Schellenberger zu seinem Lebensthema wurde, konnte man im gut besuchten Fuchsstädter Eulen-Treff eindrücklich aus erster Hand erfahren. Auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) und der Europa Union Hammelburg war Schellenberger nach Fuchsstadt gekommen, um aus seinem Buch „Deckname Antenne“ (erschienen im Würzburger Echter Verlag ) zu lesen. Schon bei seiner ersten, privaten, Einreise in die DDR 1984 legte die Stasi eine Akte über Schellenberger an. Diese sollte am Ende 400 Seiten umfassen. Eng überwacht wurde er vor allem im Zuge der Verhandlungen zur Städtepartnerschaft Würzburg- Suhl. Der Journalist, der vielen in der Region noch durch seine Berichterstattung im Bayerischen Rundfunk bekannt ist, erzählte in seiner multivisuellen Lesung mit vielen Originalaufnahmen in Bild und Ton skurrile, aber auch perfide Geschichten. So hörte die Stasi Telefonate von ihm zwischen Suhl und Würzburg ab und dokumentierte sie ebenso wie mitgeschnittene Radiosendungen. Bei Besuchen in Suhl im Zuge der Partnerschaftsverhandlungen wurde Schellenberger lückenlos überwacht, es entstanden minutengenaue Protokolle, die beispielhaft im Buch dokumentiert werden. Die Stasi unterstellte ihm, er arbeite mit „imperialistischen Geheimkräften“ zusammen und ließ ihn bis zum Mauerfall bei jedem Besuch nicht mehr aus den Augen.
Ausführlich schilderte der Autor auch die Nacht des Mauerfalls vor 35 Jahren am 9./10. November 1989 am Beispiel des Grenzübergangs Eußenhausen-Meiningen. In der Nacht der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 lieferte der BR-Reporter Schellenberger am selben Ort mit Tränen in den Augen inmitten feiernder Menschen die emotionalste Livereportage seines Reporterlebens, wie es in der Mitteilung heißt. Für Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann war die friedliche Revolution eine ganz besondere Zeit, wie sie schon in ihrer Begrüßung erzählte: „Wir dachten damals, dass jetzt alles möglich ist.“ Bürgermeister René Gerner erzählte von seiner ersten Fahrt gen Osten und den vielen Kontakten, die er seither geknüpft hat. Der Ehrenvorsitzende der Europa Union Hammelburg, Edgar Hirt, dankte allen für diesen Abend. Diese einschneidende Zeit dürfe nicht vergessen werden. Zum Abschluss spannte Schellenberger noch einmal den Bogen ins Heute. Mit Blick auf den Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine habe er oft gedacht, dass so ein Krieg vor wenigen Jahrzehnten auch hier in Unterfranken hätte drohen können: „Ich habe dieses Buch daher auch für die inzwischen nachgewachsene Generation geschrieben, denn auf diese wirken diese Geschichten und Erlebnisse aus der Mitte Deutschlands völlig unwirklich und unbegreiflich.“ red/Foto: Thomas Berberich