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Wartmannsroth
Von Wartmannsroth nach Santiago: 3000 Kilometer in 100 Tagen - ohne Navi und alles zu Fuß
Genau ein Jahr ist es her, dass Gerhard Tröger von Wartmannsroth aus seinen Fußmarsch nach Santiago startete. In 100 Tagen ging der 73-Jährige über 3000 Kilometer - ohne Begleitung und ohne Navi.
Milena Meder
 |  aktualisiert: 25.08.2024 02:36 Uhr

Genau ein Jahr ist es nun her, dass sich Gerhard Tröger auf eine für ihn unvergessliche Reise begeben hat. Über 3000 Kilometer in 100 Tagen. Zu Fuß. Ohne Navi und ohne Landkarte.

Vollkommen allein machte sich der damals 72-Jährige von Wartmannsroth aus auf den Weg in Richtung Santiago de Compostela. Familie und Freunde haben ihn für verrückt erklärt, durchgezogen hat der gebürtige Oberfranke die lange Strecke trotzdem.

3000 Kilometer ohne wirkliche Planung absolviert

"Ich habe mir 2018 vorgenommen, dass ich, wenn ich aufhöre zu arbeiten und weiterhin gesund bleibe, als kleines Dankeschön auf den Jakobsweg gehe", erzählt Tröger. Lange Zeit galt für den Wartmannsrother nämlich: Entweder Beruf oder Freizeit. Bekannte nennen ihn noch heute liebevoll einen "Workaholic".

Für den Rentner war deshalb schon vor der Reise klar: "Wenn, dann wollte ich den kompletten Weg gehen und nicht nur ein paar Tage." 

Der Wartmannsrother Gerhard Tröger auf seiner Reise nach Santiago de Compostela.       -  Der Wartmannsrother Gerhard Tröger auf seiner Reise nach Santiago de Compostela.
Foto: privat | Der Wartmannsrother Gerhard Tröger auf seiner Reise nach Santiago de Compostela.

Richtig konkret wurde es dann knapp fünf Jahre später, im Frühjahr 2023. "Ich bin also mit meiner Frau losgefahren und habe mir die richtige Ausrüstung gekauft. Funktionstüchtige Unterwäsche, Schuhe, einen Rucksack und alles, was man eben so braucht."

Viel mehr vorbereiten, wollte sich der 73-Jährige allerdings nicht. "Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich zum Kreuzberg laufen muss, um dort auf den Jakobsweg - den Camino - einzusteigen", erinnert sich Tröger.

Landkarte hat er keine mitgenommen, das Handy nur für den Notfall. "Auf der Arbeit war immer alles genau getaktet. Auf der Reise wollte ich das Gegenteil davon machen."

Auch von den unterschiedlichen Sprachen, die ihm auf seinem Weg nach Santiago begegnen würden, ließ er sich im Vorfeld nicht einschüchtern. "Ich sage immer, ich kann zwei Sprachen: Deutsch und Fränkisch. Und dann habe ich auch noch Hände und Füße", erzählt er lachend. 

Auf der Strecke an der Jakobsmuschel orientiert

Losgehen sollte das Abenteuer ursprünglich am 15. Juni. "Damals habe ich aber ein besonderes Ereignis in der Familie, nämlich die Goldene Hochzeit mit meiner Frau, vergessen. Also habe ich den Start auf ersten August verschoben", berichtet Tröger.

Anfangen musste der 73-Jährige erstmal mit schlechtem Wetter. "Ich bin losgelaufen und habe jeden Tag so meine plus/minus 30 Kilometer gemacht - bis zum Ende." Seine Route: Vom Kreuzberg ging es nach Werneck, weiter nach Würzburg, über Stuttgart bis an den Bodensee, nach Bern, die Genfer Seen entlang, quer durch Frankreich bis zum Zielort Santiago.

Er orientierte sich an der Jakobsmuschel. Die ist das wichtigste Erkennungszeichen für Pilger auf dem Jakobsweg.       -  Er orientierte sich an der Jakobsmuschel. Die ist das wichtigste Erkennungszeichen für Pilger auf dem Jakobsweg.
Foto: Milena Meder | Er orientierte sich an der Jakobsmuschel. Die ist das wichtigste Erkennungszeichen für Pilger auf dem Jakobsweg.

Orientiert hat sich Gerhard Tröger immer an der Jakobsmuschel. "Die Muschel symbolisiert die einzelnen Wege nach Santiago und zeigt einem an, in welche Richtung man gehen muss", erklärt er. Aufgemalt auf Schildern, Kieselsteinen oder Baumstämmen zeige sie einem die gesamte Strecke lang die richtige Route. "Manchmal musste man schon aufpassen, dass man sie nicht übersieht."

Gerhard Tröger hat sich ungefähr zehnmal verlaufen

Verlaufen habe sich Tröger in den gesamten 100 Tagen ungefähr zehnmal. "Wenn mir das passiert ist, habe ich meinen Sohn angerufen. Der hat mich dann zurück auf den richtigen Weg dirigiert.

Ganz ohne Handy, ging es also dann doch nicht", berichtet der Wartmannsrother. Selbst nachschauen, war für ihn keine Option. "Ich wollte nichts anderes machen als laufen und meine Augen und meinen Kopf einsetzten. Ich habe versucht, alles auf das Minimale zu beschränken."

Ein Wegweiser auf der Strecke.       -  Ein Wegweiser auf der Strecke.
Foto: Gerhard Tröger | Ein Wegweiser auf der Strecke.

Gelohnt hat sich das auf alle Fälle. Die atemberaubenden Landschaften in der Schweiz, in Frankreich und in Spanien sind ihm bis heute im Gedächtnis geblieben. "Irre. Wirklich ein Traum, wo ich manchmal unterwegs war", berichtet der Rentner.

Seine Route führte ihn über Berge, entlang an Seen, vorbei an wunderschönen kleinen, fast verlassenen Dörfern, aber auch durch große Städte.

"Manchmal bin ich gelaufen und es ging stundenlang einfach nur geradeaus", erinnert er sich zurück. Teilweise habe Tröger mehrere Stunden lange keine anderen Menschen getroffen. "Du fängst an und denkst über ganz viele Dinge aus deinem Leben nach. Manchmal habe ich mich ganz plötzlich an Dinge zurückerinnert, die ich eigentlich dachte, schon vergessen zu haben." 

Dankbar für die netten Bekanntschaften

Bis heute nicht vergessen hat er auch viele der Menschen, die ihm auf seiner dreimonatigen Reise begegnet sind. Ein Beispiel: "Einmal war ich ziemlich spät dran und noch mehr als zehn Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. An einer Kirche standen dann ein paar Menschen, die ich gefragt habe, wo ich übernachten kann."

Angeboten habe die Gruppe dem Pilger eine kleine Hütte im Wald, mit einem Sessel und einer Bierbank. "Lange bin ich nicht eingeschlafen. Auf einmal kamen die Leute zurück und haben mir noch eine Decke und etwas zu essen und zu trinken gebracht. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet", erzählt der 73-Jährige.

Die Muschel zeigt den Pilgern den richtigen Weg.       -  Die Muschel zeigt den Pilgern den richtigen Weg.
Foto: Gerhard Tröger | Die Muschel zeigt den Pilgern den richtigen Weg.

Noch heute ist er genau diesen und den vielen anderen Menschen, die ihm begegnet sind, dankbar, denn: Die Unterkünfte sind zwar zum Teil angeschrieben, teilweise habe der Wartmannsrother sie aber auch durch Gespräche mit anderen Laufenden oder Ortskundigen gefunden beziehungsweise angeboten bekommen. "Ich habe mit der Zeit herausgefunden, dass man ungefähr alle vier bis sechs Kilometer ein Dorf mit Unterkünften findet."

Beide Augen zudrücken

Im Vorfeld gebucht hat der 73-Jährige nie. "Ich habe immer geschaut, wo ich gerade bin." Von der einfachen Waldhütte oder dem Hochsitz, über Hotelzimmern bis hin zu Mehrbettzimmern mit bis zu 150 Betten oder einer Luxuswohnung war in den drei Monaten alles dabei. "Einmal habe ich zwei Männer am späten Nachmittag nach der nächsten Ortschaft mit einem Zimmer gefragt. Nach langem Hin und Her hat mich einer der Beiden dann mit in sein Haus genommen und plötzlich war ich in einer Wohnung der Extraklasse", erinnert sich Tröger.

Gerhard Tröger aus Wartmannsroth ging in 100 Tagen über 3000 Kilometer zu Fuß.       -  Gerhard Tröger aus Wartmannsroth ging in 100 Tagen über 3000 Kilometer zu Fuß.
Foto: Milena Meder | Gerhard Tröger aus Wartmannsroth ging in 100 Tagen über 3000 Kilometer zu Fuß.

Das sei aber natürlich die Ausnahme gewesen, oft müsse man beide Augen zudrücken. "Man muss vieles ausschalten und kann sich nicht immer aussuchen, wo man übernachten möchte. Man lernt, mit dem zufrieden zu sein, was man bekommt", betont der 73-Jährige.  

Der Weg: ein Lernprozess

Bereut hat er sein Abenteuer trotzdem nicht, eher im Gegenteil: "Ich habe es genossen, mit wildfremden Leuten zusammenzukommen und habe einige kennengelernt, mit denen ich noch heute in Kontakt stehe und einfach wahnsinnig viel über mich gelernt."

Ratschläge habe er allerdings keine. "Jeder muss den Weg so machen, wie das für ihn richtig ist. Ob die ganze Strecke oder nur ein Teil, ob allein oder in der Gruppe", ist es ihm wichtig zu sagen. "Einfach nur gehen."

 
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