
Natürlich ist Bad Kissingen 2020 viel entgangen. Wie in anderen Städten auch mussten publikums- und publicityträchtige Veranstaltungen abgesagt werden. Wichtige Einrichtungen mussten – und müssen noch – geschlossen bleiben. Manches musste verschoben werden, bei genauer Betrachtung ist aber auch viel passiert. Ein Überblick.
Der Kissinger Sommer fiel nach einigem Hin und Her der Pandemie zum Opfer. Ein mit tätiger Hilfe des Fördervereins Kissinger Sommer geborener Spätsommer setzte wenigstens ein Zeichen. Für 2021 kalkuliert die Stadt vorsichtshalber erst einmal mit einem auf Glanzlichter reduzierten Festival.
Auch Bad Kissingens Fest der Feste war 2020 ganz anders als sonst. Der Verzicht auf den Festzug und andere Veranstaltungselemente, wo sich sonst das Bad in der Menge kaum vermeiden lässt, sowie der Umstand, dass die Historischen Persönlichkeiten bei Bedarf Mund-Nasen-Schutz trugen, verhinderte, dass Rakoczy zum Superspreader wurde.
Ähnlich sicherheits- und hygienebewusst behaupteten sich auf Initiative und durch den großen Einsatz von Elisabeth Müller und ihres Unternehmens Laboklin die Gesundheitstage. Weil sich der ursprüngliche Träger aufgelöst hatte, sprang sie ein. Selbst die zunächst notwendige Verschiebung wegen der ersten Corona-Welle hielt Elisabeth Müller nicht davon ab, der Traditionsveranstaltung über den Abgrund hinwegzuhelfen. Mal sehen, was nächstes Jahr daraus wird.
Andere, die im Jahresprogramm von Bad Kissingen sonst wichtige Rollen spielen, hatten solche Möglichkeiten nicht. Der Offroad-Messe blieb nur die Absage, der Oldtimer-Rallye Franken Classic auch. Weil der Rosenball ausfiel, konnte keine neue Rosenkönigin gewählt werden, so hängt die amtierende Würdenträgerin eben ein Jahr dran. Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben, ist auch die Entscheidung über den Antrag der Great Spas of Europe auf Eintrag in der Unesco-Liste des Weltkulturerbes. So müssen Bad Kissingen und seine Partner in Tschechien, Frankreich, Italien, Belgien, England und Österreich eben bis 2021 weiterhoffen.
Gastronomie und Hotellerie wurden zwar überall hart von den Einschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus getroffen. Weil diese Branchen für den Tourismusstandort Bad Kissinger besonders wichtig sind, haben die Einbußen hier größere Bedeutung als anderswo. Wo genau Bad Kissingen in diesem Jahr bei den Übernachtungszahlen herauskommen wird, ist noch nicht klar. Irgendwo tief im Keller wird es aber auf jeden Fall sein.
Weil ein Gast, der nicht hier übernachtet, auch keine Kurtaxe zahlt, wurde die Staatsbad GmbH schnell zu einem prominenten Betroffenen der Corona-Krise. Ein Million Euro mehr als die normalerweise jedes Jahr ohnehin fällige gute Million muss die Stadt für den Defizitausgleich der Kurverwaltung aufbringen. Auch der Freistaat überweist, seinen Geschäftsanteilen gemäß, mehr. Die Stadt Bad Kissingen hat wegen Corona aber nicht nur Mehrausgaben, sie hat auch Mindereinnahmen. Vor allem bei der Gewerbesteuer. In diesem Jahr könnte die Kommune finanziell noch halbwegs glimpflich davonkommen. Der Freistaat stellte der Stadt 1,7 Millionen Euro als Ersatz für ausgefallene Gewerbesteuer und Einbußen bei der Spielbankabgabe bereit. Unterstützung wird aber auch in Zukunft nötig sein.
Was die Corona-Zahlen selbst angeht, erlebte Bad Kissingen zusammen mit dem Landkreis ein Auf und Ab. Zeitweise wiesen die Stadt und ihre Umgebung die niedrigste 7-Tage-Inzidenz im Freistaat auf. Das ist zwar längst vorbei. Blickt man aber auf die Zahl der Todesopfer, welche die Pandemie bis jetzt vor Ort gefordert hat, bis Mittwoch waren das 28, dann entdeckt man schnell im benachbarten Main-Spessart oder in Schweinfurt und Umgebung deutlich höhere Belastungen. Auch im Zusammenhang mit Corona wird Bad Kissingen seiner zentralen Rolle gerecht. Das Impfzentrum des Landkreises ist vor Ort, im Tattersall, angesiedelt.
Zu den prominenten Leidtragenden der Corona-Krise gehört in Bad Kissingen auch die KissSalis Therme. Mit der Meldung eines neuen Besucherrekords von insgesamt 409 276 zahlenden Gästen war die Heilbadelandschaft hoffnungsvoll ins Jahr gestartet. Dazu kam Platz eins bei einem Voting des Online-Reiseportals Travelbook auf der Suche nach Deutschlands bester Therme. Zumindest in diesem Jahr, konnte die Therme wegen der erzwungenen Schließungen in Folge der Corona-Pandemie diesen Startvorteil noch kaum nutzen. Mit der im Juli eröffneten Ruhelandschaft im SaunaPark kann die Einrichtung aber wenigstens einen weiteren Vorzug für die Zeit nach Corona vorweisen.

Das Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl im März muss man zumindest als kleine Überraschung bewerten. Dirk Vogel, der Kandidat der SPD, setzte sich gleich im ersten Wahlgang mit gut 51 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen den leicht favorisierten geschäftsleitenden Beamten der Stadt, Gerhard Schneider von der CSU, durch. Peter Eggen, Kandidat der AfD, landete abgeschlagen auf Platz drei. Im Widerspruch zum Erfolg bei der OB-Wahl stand das Abschneiden der SPD bei der Stadtratswahl. Da verloren die Sozialdemokraten 12,8 Prozent und drei Sitze.
Deutlich gestutzt sitzt inzwischen auch die CSU im Kissinger Stadtrat. Bei der Wahl ging den Christsozialen zunächst zwar nur ein Sitz verloren. Noch vor der ersten Sitzung verloren sie dann aber drei der Kandidaten, die von ihrer Liste in den Stadtrat gewählt worden waren. Martina Greubel, Thomas Schlembach und Klaus Bollwein wechselten zur DBK und machten diese mit nun sieben Sitzen zur stärksten Fraktion. Die CSU nahm Michael Lang von der Bürgerliste Zukunft Bad Kissingen unter ihre Fittiche. Die selbst auf vier Ratsmitglieder angewachsenen Ökos taten dasselbe mit dem ersten Stadtrat der Linken. Erstmals im Stadtrat vertreten ist mit zwei Sitzen auch die AfD.

Gern gesehene Gäste, wenn auch nicht bei allen, waren 2020 in Bad Kissingen die Tonfiguren der Würzburger Künstlerin Hilde Würtheim. Die freundlichen, lebensnah gestalteten Großfiguren gefielen an ihren Standorten im Luitpoldpark, im Kurgarten und im Rosengarten den Spaziergängern. Sich mit den Figuren zu fotografieren war bei Gästen beliebt. Doch dann kamen die Vandalen. Nach mehreren böswilligen Beschädigungen mussten die Figuren in der Wandelhalle in Sicherheit gebracht werden.
Wegen Mord aus niedersten Beweggründen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hat das Landgericht Schweinfurt im Juli einen Mann, der im März 2019 im Hausflur zu seiner Wohnung in Bad Kissingen seine 27-jährige Ex-Lebensgefährtin mit Messerstichen verletzt und so brutal gewürgt hatte, dass sie wenige Tage später als Folge massiven Sauerstoffmangels in einer Klinik starb. Die Verteidigung bestritt eine Mordabsicht ihres Mandanten und legte Revision gegen das Urteil ein.
Als Chance für die Zukunft, die aber noch Zeit braucht, um sich zu entwickeln, muss man in Bad Kissingen Ministerpräsident Markus Söders Ankündigung weiterer Behördenverlagerungen ansehen. Im Januar erklärte Söder, in Bad Kissingen sei ein Ausbau der sich bereits vor Ort etablierenden Außenstelle des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) geplant. Zu den 2015 bereits angekündigten 100 Stellen soll dereinst das bislang in München angesiedelte LGL-Schulungszentrum mit noch einmal 100 festen Arbeitsplätzen kommen. Der Betrieb des Zentrums soll der Kurstadt zudem zusätzliche Hotel-Übernachtungen bringen. Wo in Bad Kissingen das Schulungszentrum entstehen soll, ist noch nicht bekannt.

Die Außenstelle des LGL, die sich bereits in Bad Kissingen etabliert, hat ziemlich aktuell auch bereits ihren künftigen Dauerstandort angesteuert. Die Sanierung des Kurhausbads war nach Angaben der zuständigen Planer von GKT Architekten Würzburg vom November so weit auf der Zielgeraden, dass die zuvor übergangsmäßig im ehemaligen Telekom-Gebäude angesiedelte Bad Kissinger Dienststelle des LGL mit seinen bis jetzt 34 Beschäftigten dorthin umziehen sollte.
Ganz in der Nähe des Kurhausbades ist eine weitere für Bad Kissingen essenzielle Entwicklung abzusehen. Auf der durch den Abriss des alten Kurhaushotels und der Kurverwaltung entstandenen Brache sollen ein hochwertiges Hotel mit 120 bis 140 Zimmern sowie eine Einrichtung für betreutes Wohnen mit gut 50 Wohneinheiten entstehen. Beim erst kürzlich entschiedenen Fassadenwettbewerb für die Gestaltung des Projekts als architektonischen Gegenpart zum Arkadenbau erhielten auch GKT Architekten den ersten Preis.
Entwicklungspotenzial, von dem die Stadt profitieren kann, muss man zwei weiteren in diesem Jahr bekannt gewordenen Projekten zuschreiben. Im Sommer stellte das Rathaus vor, welche Pläne der GVS-Unternehmensgruppe aus dem baden-württembergischen Rottweil mit dem Postareal und dem ehemaligen Schlachthof hat. Am Schlachthof soll ab nächstem Jahr ein neues Postlogistikzentrum entstehen. Bei der Ochsenkathedrale selbst denkt das Unternehmen an Gastronomie, ein sogenanntes Mobilitätszentrum als Treffpunkt für Autobegeisterte sowie an Stichworte wie Galerie, Tagung- und Veranstaltungsräume. Am Postareal im Zentrum ergibt sich durch die Abwanderung der Logistik die Möglichkeit, das alte Postamt als Ärztehaus zu erweitern. Außerdem soll dort ein Seniorenzentrum entstehen.

Ein traurige Nachricht erreichte Bad Kissingen erst vor wenigen Tagen. Jack Steinberger, Physik-Nobelpreisträger und Ehrenbürger der Stadt, ist am 12. Dezember im Alter von 99 Jahren gestorben. Der Sohn einer jüdischen Kantorenfamilie war durch Emigration in die USA der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entkommen. Als seine Geburtsstadt im Gefolge der Nobelpreisverleihung 1988 wieder vorsichtig Kontakt zu ihm aufnahm, entstand daraus eine beispielhafte Geschichte der Versöhnung.
Ein paar Personalien beschäftigten Bad Kissingen auch in diesem Jahr. Zum Beispiel gehen die Stadt und Tilman Schlömp, der Intendant des Kissinger Sommers, bald getrennte Wege. Der Vertrag des Intendanten wurde nicht verlängert. Wobei Trennung heißt, dass der über fünf Festival-Jahre abgeschlossene Vertrag mit Schlömp einfach mit den Leistungen für den Kissinger Sommer 2021 ausläuft. Die Suche nach einem Nachfolger läuft. Corona sorgt aktuell auch hier für Verzögerung.
Nach fast 20-jähriger Tätigkeit als Leiter der Bad Kissinger Musikschule und Dirigent des Jugendmusikkorps' übergab Stadtmusikdirektor Bernd Hammer (62) die Leitung und den Dirigentenstab an seinen bisherigen Stellvertreter Matthias Zull (50). Mit Hammer verlässt eine Institution der Bad Kissinger Musikszene die Bühne.
Zwei wichtige Stellen in der Stadtverwaltung bleiben lange Zeit unbesetzt: die des Bauamtsleiters und die des Justiziars. Für das Bauamt ergibt sich im Herbst eine Lösung. Christine Schwind übernimmt im Rathaus ab 1. November die Leitung der Abteilung III – technische Infrastruktur. Die 54-Jährige gehört der Bad Kissinger Bauverwaltung seit etlichen Jahren an. Einen Namen gemacht hat sie sich durch sachorientierte, effektive und zugleich zurückhaltende Arbeit. Noch keine Lösung vorgelegt hat die Stadt bei der Stelle des Justiziars.