
Was sich im Oktober 2023 in einer Wohnung im Landkreis Bad Kissingen wirklich abgespielt hat, wird vor dem Amtsgericht so weit wie möglich rekonstruiert.
Verdacht auf Drogenhandel
Die Polizei hat an diesem Tag einen Durchsuchungsbeschluss, der eigentlich den Freund der Tochter betrifft. Dieser wird verdächtigt, mit Drogen zu handeln. Doch das Eintreffen der Ordnungshüter alarmiert zunächst den Freund der Mutter.
Während die Beamten noch gegen die Tür klopfen und treten, spült er zwei Platten Cannabis die Toilette herunter. Eine grüne Dose, in der die Drogen aufbewahrt wurden, versteckt er in der Waschmaschine.
„Nimm du das auf dich“
Der eigentlich Gesuchte wird durch den Lärm geweckt und will sich gerade anziehen, als die Polizei ins Zimmer kommt. In einem unbeobachteten Moment sagt der damals 37-Jährige zu dem Freund der 18-Jährigen: „Nimm du das auf dich, deinetwegen ist die Polizei in der Wohnung.“
So wird den Beamten zunächst die Geschichte präsentiert, dass die Drogen dem jüngeren Mann gehören und dieser dem Angeklagten die grüne Dose in die Hand gedrückt hat. An dieser Version haben die Beamten aber von Beginn an starke Zweifel.
Bargeld und Pulver
Sie durchsuchen die Wohnung und stellen die Handys der Männer sicher. Zudem finden sie im Wohnzimmer eine Feinwaage und Bargeld, in der Küche ein Pulver, offensichtlich Amphetamine.
Die Auswertung der Mobiltelefone ergibt, dass der Beschuldigte mit Cannabis gehandelt hat. Die Richterin liest einige Passagen der Chatverläufe vor.
„Fast alle kiffen“
Der Verteidiger bringt die Situation auf den Punkt: „Bis auf die zwölfjährige Tochter haben in dem Haus alle gekifft.“ Er gibt an, dass sein Mandat ein legaler Cannabis-Konsument sei.
Er sei nach dem Drogenentzug in einem Methadonprogramm und bekomme das Marihuana zur Unterstützung von einem Arzt verschrieben. Weil dies in der Apotheke aber zu teuer für den Mann sei, habe er es sich anders beschafft.
800 Euro gefordert
Ein paar Tage nach dem Vorfall in der Wohnung erscheint der jüngere Mann bei der Polizei und gibt an, dass der Angeklagte ihn bedroht hat. 800 Euro soll er für den verlorenen Stoff bezahlen, „sonst will er mich abstechen“.
Ein Polizist sagt aus, dass Beamte den heute 39-Jährigen deshalb im Rahmen einer sogenannten Gefährderansprache verwarnt haben. Dieser schildert die Situation jedoch ganz anders.
Schon 13 Vorstrafen
Es sei ihm lediglich darum gegangen, dass der Schaden an der Wohnungstür bezahlt wird. Schließlich sei der junge Mann der Grund für die Polizeiaktion gewesen. Die Androhung eines Messerangriffs streitet er vor Gericht vehement ab.
Die Vorsitzende liest die 13 Einträge aus dem Strafregister des Mannes vor: Drogenhandel , Diebstähle, versuchte Nötigung, Körperverletzung. Mehrmals wurde er zu Bewährungsstrafen verurteilt, die wegen weiterer Taten widerrufen wurden. Deshalb saß er einige Male im Gefängnis.
Auch sein Kontrahent ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst kürzlich wurde er wegen Betäubungsmittelhandels zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Staatsanwalt fordert Haftstrafe
Für den Staatsanwalt hat die Verhandlung alle Anklagepunkte bestätigt: Drogenhandel und räuberische Erpressung. Er fordert eine dreijährige Haftstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden soll.
Der Verteidiger trägt vor, dass sein Mandant in den vergangenen beiden Jahren versucht hat, sein Leben in den Griff zu bekommen. Am 1. Februar werde er eine geregelte Arbeit aufnehmen. Eine milde Geldstrafe sei deshalb angemessen.
Geldstrafe verhängt
Die Richterin und die beiden Schöffen ziehen sich zur Beratung zurück. Nach 15 Minuten steht das Urteil fest: schuldig wegen des Verkaufs von Betäubungsmitteln , unschuldig bezüglich der räuberischen Erpressung. Eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro wird verhängt.
Aussage gegen Aussage
In der Urteilsbegründung sagt die Vorsitzende, dass das Gericht nicht absolut von der Aussage des jüngeren Mannes bezüglich der Drohung mit dem Messer überzeugt war. „Es steht Aussage gegen Aussage. Wir wissen nicht, was sich wirklich zugetragen hat.“
Deshalb müsse der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ angewendet werden. Der Beschuldigte hat das Urteil noch im Gerichtssaal angenommen. Die Staatsanwaltschaft kann noch Rechtsmittel einlegen.