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HAMMELBURG
1300 Jahre Hammelburg
1300 Jahre Hammelburg: Ein Stadtbrand hat 1854 viel historische Bausubstanz vernichtet. Aber nicht das Selbstbewusstsein. Die älteste Weinstadt Frankens feiert den runden Geburtstag mit großem Programm.
Stadtansicht Ringelmann       -  So malte Fritz Ringelmann 1928 das mittelalterliche Hammelburg. Dabei orientierte er sich grob an alten Stichen.
Foto: Jochen Vogler | So malte Fritz Ringelmann 1928 das mittelalterliche Hammelburg. Dabei orientierte er sich grob an alten Stichen.
Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 13.07.2016 03:31 Uhr

Hammelburg hätte heute mit Rothenburg ob der Tauber in Sachen Mittelalterromantik gleich ziehen können, vermuten Experten. Hätte – wenn es 1854 nicht einen verheerenden Stadtbrand gegeben hätte. Den Flammen fielen seinerzeit viele Gebäude zum Opfer. Dieses traurige Ereignis steht beim Stadtfest am kommenden Wochenende nicht im Mittelpunkt. Die Saalestadt, die heute zum Landkreis Bad Kissingen gehört, feiert 1300-jähriges Bestehen.

Dieses Jubiläum ist für Unterfranken mehr als eine Randnotiz. Denn Hammelburg war zu seiner Blüte im 16. Jahrhundert mit 3000 Einwohnern eine der bedeutendsten Städte im heutigen Bezirk. „Vieles ist noch unerforscht“, bedauert Kulturamtsleiterin Elfriede Böck. Etliche Unterlagen vernichtete der Stadtbrand, andere die Bombardierung Würzburgs 1945. Im hessischen Landesarchiv dürfte noch so manches schlummern. Nachdem die Stadt weltlich über 1000 Jahre zur Fürstabtei Fulda gehörte, gingen über die Jahrhunderte viele Dokumente dorthin.

Schwamm drüber: Für das Selbstbewusstsein machen zwei vorhandene Urkunden manches Defizit an historischen Quellen wett. Die erste urkundliche Erwähnung 716 betrifft das Hamulo castellum. Eine weitere Erwähnung schlägt sich in einem touristischen Hinweisschild an der Autobahn nieder. Hammelburg wirbt bei Vorbeifahrenden als älteste Weinstadt Frankens. Zu verdanken ist dieser Superlativ Karl dem Großen. Er schenkte die Ländereien 777 den Fuldaer Fürstäbten. In der Schenkungsurkunde sind auch Weinberge erwähnt. Heute gilt diese Tradition als touristisches Kapital.

„Eine so häufige urkundliche Erwähnung war damals selten“, ermisst Elfriede Böck die Bedeutung der Ansiedlung. Aber es sind viele Fragen offen. „Es wird wohl nie herausgefunden, wo das Hamulo castellum stand“, prophezeit die städtische Mitarbeiterin. Die Überreste der Holz- oder Pfahlbauten sind längst vermodert. Wenn überhaupt, so könnten Bodenverfärbungen Rückschlüsse zulassen. Aber wo? Generationen an Archäologen haben sich an der Frage zur Ursiedlung Hammelburgs schon die Zähne ausgebissen. Einen Verdacht gibt es. Das Castellum könnte im Bereich der heutigen Stadtpfarrkirche St. Johannes liegen. Bereits 842 ist für dort ein Martinskirchlein dokumentiert. Zu einer Zeit, als die Missionierung gerade begann.

Die Religion war es auch, die die Stadt gelegentlich in Aufruhr versetzte. „Weltlich gehörte die Stadt zur Fürstabtei Fulda, religiös zu Würzburg“, beschreibt Böck das Dilemma. Da sei es in manchen Fragen auch zu Kampfhandlungen gekommen.

„Eine so häufige urkundliche Erwähnung war damals selten“

Kulturamtsleiterin Elfriede Böck

Deswegen setzt im 13. Jahrhundert der Bau einer doppelwandigen Stadtmauer ein. Elf Stadttürme soll es gegeben haben und drei Stadttore. Zwei von drei verbliebenen Türme hat die Stadt inzwischen wieder begehbar gemacht, um einen Blick auf die Dachlandschaft zu bieten. Der dritte Turm soll noch folgen.

Früher schränkten die Befestigungsanlagen die Lebensqualität stark ein. So werden die Wälle um die Stadt in einer zeitgenössischen Schilderung für die Ausbreitung des tödlichen Faulfiebers verantwortlich gemacht. Es fehlte der Ansiedlung an Durchlüftung, zumal Mensch und Tier auf engstem Raum zusammen lebten.

Zur Blütezeit im 16. Jahrhundert nahm der Hang zum Repräsentieren zu. Davon zeugen die Größe des Markplatzes, des Brunnes und des Rathauses. Der Reichtum beruhte unter anderem auf 120 Hektar Rebfläche im Raum Hammelburg. Heute bewirtschaftet das Saaletal noch 70 Hektar. Weil den fuldischen Fürstäbten die Keller von Schloss Saaleck zu klein würden, ließen sie mit dem Kellereischloss eine prachtvolle Sommerresidenz bauen. „700 000 Liter Wein konnten in den Kellern gelagert werden“, erzählt Elfriede Böck. Hier mussten Winzer den Zent abgeben. Hammelburg war seinerzeit bedeutender als Fulda.

Aus der Blütezeit stammt auch die Herrenmühle. Das heutige Stadtmuseum mit der Ausstellung „Wein & Brot“ wird ab Herbst multimedial aufgerüstet. Die Stadt bekommt einen „Hammelburger Treppenlauf“, einen Spazierweg entlang der Stadttürme. Bei einem Quiz können Besucher die Treppenstufen zählen. Die Eröffnung ist für 2017 vorgesehen.

Ein geistiges Zentrum über das Saaletal hinaus war das Franziskanerkloster mit seiner opulenten Bücherei. Sie war seit dem 17. Jahrhundert bis zur Auflösung 2012 in der Hand der Franziskaner. „Eine ungewöhnlich lange Zeit“, sagt Johannes Merz, Leiter des Diözesanarchives. In Würzburg werden die teils sehr kostbare Zeugnisse des frühen Buchdruckes für einen sechsstelligen Betrag katalogisiert. Über die Hälfte ist bereits online recherchierbar.

Rebkrankheiten brachte die Winzer in Not und beschleunigte den Abstieg Hammelburgs. Vor 200 Jahren ging die Stadt an Bayern über. Ein Zeugnis der neuen Landesherren ist das Gefängnis. Dort waren bis in die 1950er-Jahre Häftlinge einquartiert. Heute ist der umgebaute Knast mit erhaltenen Musterzellen als Pfarrzentrum wohl ziemlich einmalig in der Republik.

Mit dem Einzug des Militärs 1895 bekam Hammelburg eine neue Bedeutung. Zunächst übte dort die Würzburger Feldartillerie. Später wurden die Zelte durch feste Unterkünfte ersetzt. Die Wehrmacht ließ mit Bonnland und Hundsfeld zwei Dörfer für einen Truppenübungsplatz absiedeln. Während des Krieges waren Tausende Gefangene auf dem Lagerberg untergebracht, nach dem Krieg war die Stadt erste Anlaufstelle für viele Vertriebene.

Vor 60 Jahren zog die Bundeswehr etliche ihrer ersten Soldaten überhaupt nach Hammelburg ein. Auch dieses Jubiläum feiert die Stadt 2016. Der Militärstandort genießt international einen guten Ruf für die Vorbereitung von Auslandseinsätzen.

Erfolgreich knüpft die Stadt an ihre Weinbautraditionen an. Die Winzer kooperieren weltoffen und der Tourismus wächst. Über ein Dutzend zertifizierte Gästeführer informieren über die bewegte Vergangenheit. Bei legendären Schlenderweinproben lässt sich die Stadt mit einem Glas Wein in der Handaus besonderem Blickwinkel erkunden. Eine Sagenwanderung oder die „Tour Hammelburg von oben“ machen erfahrbar, wie die Stadt in ihrer Selbstdarstellung nach hinten blickt, aber auch mit der Zeit geht.

Stadtfest und Rhöner Wandertag

Allerhand stellt Hammelburg beim Stadtfest zum 1300-jährigen Bestehen von Freitag, 10. Juni, bis Sonntag, 12. Juni, auf die Beine. Parallel finden das Premiumweinfest „Wein- und Gaumenfreuden“ auf dem Hammelburger Marktplatz sowie der siebte Rhöner Wandertag statt. Auftakt der Festveranstaltung ist am Freitag, 10. Juni. Um 19 Uhr spielt das Heeresmusikkorps Veitshöchheim auf, im Anschluss musizieren „Die Böhmischen“, ein Ensemble der Stadtkapelle Hammelburg.

Am Samstag, 11. Juni, um 10 Uhr eröffnet Bürgermeister Armin Warmuth den Wandertag. Der Start der geführten Wanderungen ist für 11 Uhr geplant. Geboten werden neun Touren zwischen zwei und 16 Kilometern. Gleichzeitig startet das Programm zum Stadtfest am Marktplatz und am Viehmarkt, in der Bahnhofstraße, der Kissinger Straße, am Bleichrasen, auf der Museumsinsel, am Stadtmuseum, am Bouleplatz, am Otto-Zeier-Platz, an der Grundschule am Mönchsturm und an vielen anderen Plätzen.

Den Besucher erwarten touristische Infostände, ein Regionalmarkt, historische Darbietungen, eine Greifvogelschau und Aktionen für Kinder. Auch Vereine, Schulen und Kindergärten, die Bundeswehr und Behörden beteiligen sich mit Infos, Ausstellungen, Tanz oder Speis und Trank.

Am Sonntag, 12. Juni startet das Fest um 9.30 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche. Ab 10 Uhr erwartet die Besucher erneut ein volles Programm am Marktplatz und vielen Stationen in der Stadt. Um 21 Uhr wird das EM-Spiel Deutschland-Ukraine auf den Marktplatz übertragen.

Zum Geburtstag der Stadt haben sich 25 lokale Künstler zu einem Verein zusammengeschlossen, der im ehemaligen Kaufhaus ausstellt. Im Rahmen einer „Mail-Art“ sendeten 300 Künstler ihre gezeichneten Interpretation zum Bocksbeutel ein. Außerdem haben 15 Autoren in einem Hammelburger Geschichtsbuch über die vergangenen 200 Jahre geschrieben. Text: Dübi

 
 
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