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ALTLANDKREIS
100 Prozent Sicherheit gibt es nicht
Von unserem Redaktionsmitglied Steffen Standke
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:21 Uhr

Es war am 26. April 2002, als Robert Steinhäuser das Land in Schockstarre versetzte. Beim Amoklauf von Erfurt erschoss der Ex-Schüler am Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst. Zehn Jahre ist das her und es wurde viel nachgedacht, wie solch schreckliche Ereignisse verhindert werden können. Eine Umfrage an Schulen und Kindergärten in und um Bad Brückenau ergab: Die absolute Sicherheit gibt es nicht.

Zwei Eingänge hat der Kindergarten Regenbogenland in der Bad Brückenauer Stollstraße. Beide sind mit Sicherheitstüren versehen. Wer hinein will, muss einen Knopf drücken, um die Tür zu öffnen.

Besucher von außen hält das eher weniger ab. Vielmehr geht es darum, dass die Kindergartenkinder nicht hinauskönnen. Deswegen ist der Türöffner-Knopf so hoch angebracht, dass ihn nur Erwachsene betätigen können.

Weiter unten gibt es eine Klingel. Sie ist zum Beispiel auch für jüngere Schulkinder erreichbar. Eine Sprechanlage wird aktiviert, über die eine Erzieherin verständigt werden kann, die Tür zu öffnen.

Dennoch: Absolute Kontrolle, wer in den Kindergarten hinein- oder hinausgeht, bringt das nicht, sagt zumindest die stellvertretende Leiterin Doris Kleinhenz: „Die Einrichtung ständig geschlossen zu halten ist utopisch.“

Schon gar nicht wegen der Bring- und Holzeiten. Bis 9 Uhr können Eltern ihre Kinder zum Kindergarten bringen, ab 12 Uhr wieder abholen. Bei der Vielzahl der Besucher den Überblick zu behalten, ist schwierig.

Kleinhenz bezeichnet sich selbst als „Sicherheitsfanatikerin“. Sie und ihre Kolleginnen wollen nicht, dass jeder in die Einrichtung kann.

Sie haben wachsame Augen: „Wenn einer kommt, den wir nicht kennen, sprechen wir ihn an, was er bei uns will.“ Auch Leute, die sich außerhalb auffällig benehmen, werden beobachtet.

Die stellvertretende Leiterin hat Enkelkinder in München, die sie schon in ihren Kindergarten brachte: „Die Eltern bekommen dort einen Eingangs-Code. Das gefällt mir gut.“

An der Verbandsschule Schondratal in Schondra sind die Eingänge weiter offen. Schulleiter Otto Granich hat sich bewusst dafür entschieden und ist nicht dem Beispiel der Volksschule Wartmannsroth gefolgt. Dort sind die Türen verschlossen.

Das empfände man an seiner Schule als störend, zumal das Risiko eines Amoklaufs „sehr gering“ sei. Auch wurde gleich nach dem Erfurter Amoklauf ein Sicherheitskonzept erarbeitet. Darin steht, wer im Notfall über welchen Weg aus der Schule kommen soll, wie Eltern und die Polizei informiert werden sollen.

Für Granich hat das nur bedingt wert: „Ich glaube, dass man in einer derartigen Ausnahmesituation weniger nach Konzept, sondern aus dem Bauch oder nach Verstand handeln würde.“

Der Rektor setzt lieber auf Vorbeugung, spricht davon, „tickende Zeitbomben im Vorfeld zu entschärfen“. Damit meint er Schüler, bei denen die Lehrer das Gefühl haben, dass sie sich in die falsche Richtung entwickeln: „Wir dürfen nicht mehr frustrierte Außenseiter erzeugen als es ohnehin schon gibt.“

Ähnlich sieht es Birgit Herré, Leiterin der Mittelschule im Schulzentrum Bad Brückenau. Sie will es nicht zu schwerwiegenden Konflikten kommen lassen, Problemschüler auffangen und menschlichen Umgang walten lassen.

An allen drei im Stadtteil Römershag angesiedelten Schulen sind die Haupttüren offen. Sie ständig zu verschließen, hält Herré „nicht für machbar“ und für zu kostspielig. Gleichwohl gibt es jedes Jahr ein Gespräch mit der Polizei zu Sicherheitsfragen: „Unsere Sinne sind geschärft, wie wir aus dem Haus rauskommen oder uns verbarrikadieren.“

An den Sicherheitsgesprächen nimmt auch Anton Kiefer von der Stadtverwaltung teil. Der Geschäftsleiter fragt weniger danach, die Schule zum Hochsicherheitstrakt zu machen, damit niemand Ungebetenes hinein kann. Für ihn ist wichtiger, wie Schüler und Lehrer das Gebäude bei Brand und Qualm verlassen können: „Dieser Fall passiert statistisch viel häufiger als ein Amoklauf.“

 
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