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UNTERERTHAL
10 000 Kilometer für Designlehre
In der ehemaligen Heimat des Vaters: Sofia Peschka aus Paraguay (rechts) absolviert eine Lehre bei Nicole Brandler.
Foto: Jens Knüttel | In der ehemaligen Heimat des Vaters: Sofia Peschka aus Paraguay (rechts) absolviert eine Lehre bei Nicole Brandler.

Von unserem Mitarbeiter

Jens Knüttel

 |  aktualisiert: 16.08.2011 15:25 Uhr

Sofia Peschka beginnt im September eine Ausbildung im Trend-Atelier Brandler in Untererthal. Soweit nichts Ungewöhnliches. Allerdings hat sie ihr bisheriges Leben in Paraguay verbracht.

Die 18-Jährige kommt zurück zu den Wurzeln ihres Vaters. Martin Peschka stammt aus Hammelburg. Sofias Großvater Konrad Peschka war hier Berufsschullehrer, Stadt- und Kreisrat sowie Kreisvorsitzender der Europa-Union. 1988 ist Martin Peschka nach Paraguay ausgewandert. „Wir besitzen nun einen kleinen Hof in der Colonia Independencia“, sagt Sofia. Dort leben etwa 5000 Deutsche oder deutschstämmige Einwohner mit 30 000 Einheimischen. Die Kolonie liegt auf dem Land, 250 Kilometer von der Hauptstadt Asunción entfernt.

Laut Sofia zog ihren Vater die bessere Perspektive in der Landwirtschaft nach Paraguay. Dort verliebte sich der studierte Agrarexperte in eine Einheimische und gründete eine Familie. Inzwischen ist seine Ehefrau leider gestorben.

Seit Jugendtagen ist Peschka mit Hartmut Adler aus Untererthal befreundet. Auch die Distanz konnte der Freundschaft nichts anhaben.

In der Weihnachtszeit 2009 brachte Peschka seine drei Töchter mit nach Untererthal. Der Sohn musste zuhause bleiben, um den Hof zu verwalten. Ein Wunsch der Mädchen war, das erste Mal Schnee zu sehen. In Untererthal angekommen, waren die Mädchen Feuer und Flamme für die Mode, die sie im Trend-Atelier Brandler bestaunten – das Atelier liegt in Nachbarschaft der Familie Adler. Damals lernte Sofia Peschka ihre zukünftige Chefin, Nicole Brandler, kennen.

Zurück in Paraguay, wagte sich Sofia, die Älteste der drei Schwestern, aufgrund der gewonnenen Eindrücke, selbst an die Nähmaschine. Kontakt zu einer deutschen Industrieschneiderin vor Ort ermöglichte ihr ein Praktikum. Dies war für Nicole Brandler entscheidend: „Damit Sofia in Deutschland keine Enttäuschung erlebt, war es wichtig, dass sie weiß, was auf sie zukommt. Was das Persönliche angeht, hatte ich keinerlei Bedenken.“

Sofias Vater steht der Entscheidung positiv gegenüber. „So eine gute Chance bekommst du nicht mehr“, gab er ihr mit auf den Weg. In Paraguay gebe es in diesem Bereich schlicht keine Ausbildungsplätze. Auch die deutsche Sprache ist für Sofia kein Problem, habe doch ihr Vater darauf geachtet, dass neben dem Deutschunterricht in der Schule auch zu Hause Hochdeutsch gesprochen werde. In Paraguay spielte Sofia auch in einer Blaskapelle. „Bislang habe ich keinen großen Kulturunterschied ausgemacht“, sagte Sofia. „Auch in Paraguay haben wir einen deutschen Stil gelebt.“

Hartmut und Monika Adler beherbergen Sofia während ihrer dreijährigen Ausbildung in Untererthal. Für das Ehepaar Adler stellte der Wunsch Sofias, die Ausbildung in Untererthal zu machen, von Anfang an kein Problem dar. Monika Adler hat sogar den Kontakt zu Brandler hergestellt. Per E- Mail hat sich Sofia schließlich mit ihrer neuen Chefin über die Ausbildung verständigt.

Sofias erste Eindrücke sind noch überaus frisch, ist sie doch erst seit einer Woche in Untererthal. Das Wetter zumindest macht ihr nicht zu schaffen. „Ein Winter wie derzeit in Paraguay ist wie ein schlechter Sommer in Deutschland“, sagt Hartmut Adler.

Interesse fürs Dorfleben

Die freie Zeit bis zum Ausbildungsbeginn am 5. September nutzt Sofia schon mal, um im Atelier Brandler reinzuschnuppern. „Ich freu mich schon richtig auf die Zeit“, sagt sie. „Fast jeden Tag ist sie mal drüben“, fügt Hartmut Adler hinzu. Vor allem das Dorfleben wolle sie in der Anfangszeit kennen lernen. „In Paraguay wohnt unser unmittelbarer Nachbar einige hundert Meter entfernt“, erzählt die junge Frau.

Bis jetzt verspüre sie kein Heimweh. Auch weil sie hier herzlich aufgenommen worden sei. „Das kommt sicherlich noch. Durch die Ausbildung ist aber erst mal für genügend Ablenkung gesorgt.“

 
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