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RHÖN
Zwischen Birken und Basalt
Der Hochrhöner: Ein orangefarbenes, schmissig auf ein Schild geworfenes „Ö“ weist auf 175 Kilometern die Richtung durch die Mittelgebirgslandschaft. Der Wanderer kann zwischen zwei Wegvarianten wählen.
Wandern mit Fernblick: Der „Hochrhöner“ führt zwischen Bad Salzungen in Thüringen und dem bayerischen Bad Kissingen durch das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön.
Foto: Bayerische Rhön Tourismus | Wandern mit Fernblick: Der „Hochrhöner“ führt zwischen Bad Salzungen in Thüringen und dem bayerischen Bad Kissingen durch das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön.
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Düring
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:50 Uhr

Einen schwebenden Augenblick lang ist es wie im Paradies. So überirdisch schön, dass Claudia und ich unwillkürlich das Atmen vergessen. Aus dem Wolkengebilde am Himmel stoßen Strahlen hervor, leuchten bis herunter zur Erde – wie auf einem der abgegriffenen kitschigen Schinken aus dem 19. Jahrhundert, die auf alten Dachböden verstauben oder auf Flohmärkten zwischen allerlei Gerümpel herumfallen. Doch das hier ist kein Kitsch. Das ist überwältigende Realität. Pure Natur. Der griffige, bemooste Weg, der sich wollweich und federnd anfühlt, die Lichtflecken zwischen den verwitterten Birkenstämmen, schwarz glänzende Basaltbrocken hier und da, die kleinen Blumeninselchen aus goldgelben Butterblumen, die ihre güldenen Farbtupfer setzen. Alles eingetaucht in das Himmelslicht des sonnigen Frühlingstages.

Wir sind mit dem Auto Richtung Rhön gefahren, denn wir wollen ein Stück des 2006 neu geschaffenen Premium-Wanderwegs „Der Hochrhöner“ erkunden. Die rund 175 Kilometer lange Route durchquert die Mittelgebirgslandschaft im Herzen Deutschlands über drei Ländergrenzen hinweg von dem geschichtsträchtigen Bad Kissingen bis ins Sole-Heilbad Bad Salzungen. Auf dem Weg liegen die hessische Wasserkuppe, der bayerische Kreuzberg und der Ellenbogen in Thüringen und jede Menge Höhepunkte. Beispielsweise auf dem Kreuzberg, wo das Kloster und die Franziskanermönche zu traditionell gebrautem Bier und Brotzeit einladen, auf der Wasserkuppe, wo Segelflieger geräuschlos unter höchstem Himmel gleiten, der Felsrücken der Milseburg, wo vor Jahrtausenden die Kelten lagerten und die Sagen und Geschichten aus jenen Tagen bis heute Gänsehaut über den Rücken jagen, oder Frankenheim, das höchstgelegene Dorf der Rhön.

Ein orangefarbenes, schmissig auf ein Schild geworfenes „Ö“ weist die Richtung des Hochrhöners. Die Wanderer können sich zwischen zwei Wegvarianten entscheiden. Die westliche Route führt über die Basaltkegel der „Kuppenrhön“ und ist mit dem „Ö“ und eben diesem Wort markiert, die östliche über die weite Hochebene der „Langen Rhön“. Zubringerwege zum Premiumweg sind mit einem grünen „Ö“ und dem Ergänzungswort „Zubringer“ gekennzeichnet, Extratouren mit dem roten Buchstaben „H“ und dem Zusatz „Extratour“.

Wer den gesamten Hochrhöner gehen und die wunderbare Landschaft mit allen Sinnen genießen will, der sollte sich schon eine gute Woche Zeit nehmen, egal, ob er die etwas kürzere Ost- oder die leicht längere Westroute wählt.

„Und kennst du die herrliche Rhön noch nicht, gehorche dem Wandrer, der zu Dir spricht“, heißt es im Rhönlied, „zieh an die Wanderschuh und nimm den Rucksack auf, marschier zur Rhön hinauf“. Wir haben die Wanderschuh angezogen, wollen im Streckenabschnitt der „Langen Rhön“ von Moor zu Moor gehen. Das sind von Oberweißenbrunn zum Roten Moor, über Heidelstein und Stirnberg bis zum Schwarzen Moor knapp 20 Kilometer mit einem Höhenunterschied von 311 Metern, die ein einigermaßen geübter Wanderer bewältigen kann. Wer möchte, kann auf einem Bohlenpfad, vorbei an einem hölzernen Aussichtsturm, einen Rundweg durch das Moor und das ehemalige Torf-Abbaugebiet machen und sich auf Tafeln über Geschichte und heutigen Zustand des Moores informieren.

Der rot-weiße Mast des Fernsehsenders auf dem Heidelstein ragt in den beinahe wolkenlosen Himmel, ein leichtes Lüftchen – ungewöhnlich mild für die hohe Rhön – begleitet uns. Am Gedenkstein für die Verstorbenen des Rhönklubs auf dem Pfad zum Schwabenhimmel bleiben wir einen sinnenden Augenblick lang stehen. Leicht abwärts geht es hier, der Blick versinkt irgendwo weit weg, die Rhön ist wirklich lang – bis in die entfernteste Ferne. Birkhuhn und Birkwild sollen hier wohnen, und im tiefen Winter, wenn die Hochrhönstraße von Bischofsheim nach Fladungen wegen Schneeverwehungen gesperrt ist, so manche Rhönhexe mit ihrem Gefolge.

Wer möchte, kann auch erst am Parkplatz Schornhecke (auf der Straße von Wüstensachsen nach Oberelsbach) in den Wanderweg einsteigen. Hier gibt es Infomaterial, Stärkung jeder Art und Schafe aus Plüsch zu erwerben. Ich muss im Grundschulalter gewesen sein, als ich inmitten einer Schafherde, die auf der endlosen Hochfläche ihre Mahlzeit abgraste, die Geburt eines Lämmleins miterlebt habe. Es war einer meiner ersten faszinierenden Blicke in die Geschehnisse der Natur, der mir bis heute farbig im Gedächtnis hängen geblieben ist. Nun suchen meine Augen nach einer Herde, doch blökt und muht heute hier nichts. Dafür flattern um so mehr Schmetterlinge, und die Vögel haben sich viel zu erzählen. Wir laufen vom Schotter auf Gras, von Wiesenwegen hinein in den Wald, immer geführt vom „Ö“, dem Wegweiser des Hochrhöners.

Die Mücken tanzen, der Boden knistert, und irgendwann überquert der Hochrhöner die Straße von Seiferts nach Fladungen. Zum Schwarzen Moor ist es nicht mehr weit. Dort warten Thüringer Bratwurst, Bizzeliges für die durstige Kehle, ein Lädchen mit umfassendem Kartenmaterial und alles, was das Leben eines Wanderers nach einem Marsch ganz glücklich macht. Nach Händewaschen und ausgiebigem Stöbern ist die Rast in der Sonne Genuss und Freude pur.

Der Hochrhöner

Der Wanderweg führt von Bad Kissingen nach Bad Salzungen. Er beginnt in der Bayerischen Rhön, geht durch die Hessische Rhön bis in die Thüringische Rhön. Auf seinem Weg durch urwüchsige Natur liegen die höchsten Erhebungen des Mittelgebirges im Herzen Deutschlands wie die Milseburg, der Heidelstein, der Kreuzberg und die Wasserkuppe. Insgesamt umfasst der Wanderweg 175 Kilometer, ein gut zusammengestellter Wanderführer beschreibt die einzelnen Etappen detailliert und informativ.

Der Streckenverlauf der hier beschriebenen Etappe geht von Oberweißenbrunn zum Roten Moor (8 Kilometer), über Heidelstein, Parkplatz Schornhecke, Stirnberg bis zum Schwarzen Moor (14 Kilometer). Man kann auch an einem der Anlaufpunkte einsteigen. Der hier beschriebene Weg mit einem Höhenunterschied von 311 Metern stellt mittelmäßige Anforderungen an den Wanderer. Am Roten Moor, am Parkplatz Schornhecke und am Schwarzen Moor gibt es Erfrischungen. An Wochenenden begegnet man mehr Menschen, unter der Woche ist es recht einsam.

Rund herum: Ein Bohlenpfad führt den Wanderer durchs Rote Moor.
Foto: Ursula Düring | Rund herum: Ein Bohlenpfad führt den Wanderer durchs Rote Moor.
 
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