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Zurück in die 60er
Nostalgie: Die Fladungen Classics versetzen das Rhön-Städtchen in die Vergangenheit.
Roller-Akrobatik: Die Vespa-Oldtimerfreunde aus München lieferten eine atemberaubende Show bei den Fladungen Classics.
Foto: Eva Wienröder | Roller-Akrobatik: Die Vespa-Oldtimerfreunde aus München lieferten eine atemberaubende Show bei den Fladungen Classics.
Von unserem Redaktionsmitglied Georg Stock
 |  aktualisiert: 27.10.2020 13:25 Uhr

Ein Wochenende lang eintauchen in das Lebensgefühl der Wirtschaftswunderjahre – in Bayerns nördlichster Stadt, in Fladungen (Lkr. Rhön-Grabfeld) ist das seit vielen Jahren der Hit. Dann liegt das Rhönstädtchen sprichwörtlich im Nostalgiefieber: die Fladungen Classics sind angesagt. Am ersten Wochenende im Juli, heuer am 6. und 7. Juli, gemäß ihrem Motto „Klamotten, Blech und Oldies“. Und – ohne zu übertreiben – gilt seither: Diese Classics haben Klasse!

Welch eine Schnapsidee! Bloß ein Oldtimer-Treffen zu arrangieren, das wäre doch nur ein Event unter vielen, dachten sich die Fladunger Oldtimerfreunde. Das freilich hatten sie nicht im Sinn, sie wollten etwas anderes, etwas Besonderes – sie wollten mehr. Verrückt hörte sich ihre Idee zunächst an, mit dem Oldtimer-Treffen als Aufhänger „unter Volldampf zurück in die Vergangenheit zu starten“. Sprich mit den Oldtimer-Fahrzeugen gerade jene Zeit zurückzuholen, für die diese stehen: nämlich für die 50er und 60er Jahre, auch bekannt als Wirtschaftswunderzeit.

Die Bilder dieser Zeit, wie sie in den Wochenschauen damals über Kinoleinwände flimmerten, sollten wieder lebendig werden in der historischen Altstadt Fladungens. Und das funktioniert bis heute. Das erste Juli-Wochenende schraubt die Jahreszahl jede Saison in die 50er und 60er zurück und nimmt die Menschen – Einheimische wie Gäste gleichermaßen – mit auf eine erlebnisreiche Zeitreise in die Vergangenheit. 2008 unter dem Titel „Fladungen Classics“ gestartet, hatten die Initiatoren schnell Erfolg auf der ganzen Linie.

Der harte Kern der Oldtimerfreunde – Ramona Ditzel inmitten von fünf gestandenen Mannsbildern – hat die Fladungen Classics ins Leben gerufen. Malermeister Achim Kümmeth, Baustoffprüfer Andreas Hoch, Kfz-Meister Peter Laudensack und Klaus Leutbecher, Mitarbeiter einer Mineralölfirma, verbindet mehr als nur das gemeinsame Hobby um alte Autos. „Wir verstehen uns alle ganz prima, zwischen uns stimmt einfach die Chemie“, sagt Ramona Ditzel, die als Stadtführerin ihr Ohr ganz nah bei den Besuchern und Urlaubsgästen hat. Nicht zu vergessen: Als Bindeglied gerade im Hinblick auf die Organisation ist Bernhard Link, Fremdenverkehrsreferent der Stadt Fladungen, unverzichtbar im Organisationsteam.

Den Funken gezündet haben Ramona Ditzel und Achim Kümmeth, als sie im August 2007, just am 30. Sterbetag von Elvis Presley, den Geistesblitz hatten, beim ersten Oldtimer-Treffen 2008 in Fladungen auch den Alltag in den 60ern wieder aufleben zu lassen. Ein Volltreffer, wie sie nach vier Fladungen Classics-Veranstaltungen bilanzieren. „Das ist nicht nur ein Oldtimer-Treffen, das ist viel mehr. Ich fühle mich – wie bei einer Zeitreise – um Jahrzehnte zurückversetzt. Und alles ist dabei so real zu erleben“, sagt ein Classics-Fan aus dem Würzburger Raum.

Eine Stadt im Classics-Fieber

Mit den Fladungen Classics als Oldtimer-Event sind die Fladunger wohl einzigartig im ganzen Land. Und darauf sind die Initiatoren, die selbstverständlich das Classics-Wochenende über stilecht wie in den 60ern wandeln, mächtig stolz. „Jeder Lebensbereich aus dieser Zeit wird eingebunden und dargestellt“, erzählt Andreas Hoch. Und die, die einmal zu Gast waren, wollen immer wieder in die Rhön kommen – „eine schönere Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, kann es für uns gar nicht geben“, zeigt sich Achim Kümmeth zufrieden.

Die Begeisterung der Oldtimerfreunde für die Zeit des Wirtschaftswunders hat wie ein Fieber um sich gegriffen – und die Fladunger nicht minder heftig wie Besucher und Gäste angesteckt. Die Schaufenster in den Geschäften der Stadt werden wie früher dekoriert und Petticoats, kurze Röcke, dicke Sonnenbrillen, Elvis-Tollen und Hochsteckfrisuren – dank des Frisörladens auf der Straße – haben Hochkonjunktur.

Und mittendrin bei den Fladungen Classics findet sich Jahr für Jahr ein Ehepaar aus Lüneburg. Denn diese Atmosphäre, die ein altes Lebensgefühl wieder weckt, lässt die Herzen von Christine und Heiko Polster höher schlagen. Bei ihnen dreht sich nämlich alles um die 50er und 60er Jahre – sie leben auch im Alltag in dieser Zeit. Sie sitzen im Wohnzimmer am Nierentisch, hören alte Schallplatten und treffen sich am Wochenende mit Goggomobil-Freunden.

In Fladungen sorgt ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm dafür, dass die Wirtschaftswunderzeit so realitätsgetreu wie möglich abgebildet wird. Die Galerie der Oldtimer-Fahrzeuge besticht durch ihre Vielfalt. So vermitteln das Reisegefühl der damaligen Zeit neben dem Oldtimer-Campingplatz im Trockengraben an der Stadtmauer auch Dampfzug-Sonderfahrten und Ausflüge mit den Setra-Panoramabussen, die nicht nur für Hobby-Fotografen die schönsten Motive bieten. Für Rummel-Feeling aus dieser Zeit sorgt nicht zuletzt das 18 Meter hohe Riesenrad von 1918. Nicht minder faszinierend wirkt die alte Tankstelle, die mit ihrer Zapfsäule, dem Ölkabinett und dem Ausleger das Interesse der kleinen und großen Besucher gleichermaßen weckt.

Das ist längst nicht alles, was sich die Initiatoren – für die Organisation opfern sie oft ihren gesamten Jahresurlaub – stets für die Fladungen Classics einfallen lassen. Eingebunden wird in ein wahres Programm der Superlative auch ein Scheunenkino sowie auf junge Gäste abgestellte Aktionen mit alten, traditionellen Kinderspielen, dazu ein Antiquitäten- und Flohmarkt zum Stöbern, Schauen und Bummeln.

Immer wieder gibt es bei den Classics auch neue Attraktionen. So machte in der Saison 2011 beispielsweise der „Schaubuden-Zauber“ auf verblüffende Zauberei und Kuriositäten aus aller Herren Länder der Erde neugierig. Zudem gibt es jedes Jahr besondere Veranstaltungen wie eine Sonderausstellung mit dem Thema „Die kleinen Helden des Wirtschaftswunders“. Dabei waren die ersten Anfänge der allgemeinen Mobilität wie Fahrräder, Kleinkrafträder und motorisierte Kleinstfahrzeuge zu sehen.

Über die Region hinaus bekannt

Klar, dass dabei das alte Handwerk nicht fehlen darf, wie auch die Musikgruppen, die heiße Rhythmen der 50er und 60er Jahre spielen. Spaß machen auch die verschiedenen Vorführungen. Zu den Höhepunkten im Jahr 2011 zählte da beispielsweise die atemberaubende Akrobatik der Vespa-Oldtimer-Freunde aus München.

„Macht weiter so!“ Der Wunsch eines Händlers, der seit zig Jahren überall im Lande unterwegs ist, ist den Oldtimerfreunden Ansporn. Die Fladungen Classics, die sich weithin und übers Land hinaus schon einen Namen gemacht haben, begeistern Jung und Alt. Bei der älteren Generation werden immer wieder Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ wach, die Jüngeren finden die Zeit der Petticoats und des Rock 'n' Roll einfach kultig – echt cool halt.

Kein Zweifel, die Veranstaltung ist ein weiteres Markenzeichen der Region geworden. Die Classics sind nicht zuletzt deshalb Klasse, weil die Bevölkerung Fladungens und der Ortsteile an einem Strang zieht und das Fest in jeglicher Form und engagiert unterstützt. Der Erfolg hat eben viele Väter und Mütter. Da darf es am Anfang ruhig auch einmal heißen: Was für eine Schnapsidee!

Erschienen als Folge 29 der Serie 111 Dinge, die Sie in Mainfranken tun müssen.

Bad in der Menge: Setra-Panoramabus aus den 60er Jahren.
| Bad in der Menge: Setra-Panoramabus aus den 60er Jahren.
Fladungen Classics: große Schlitten und flotte Mädels.
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