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WÜRZBURG
Würzburger setzen sich für Bosnien ein
Freunde Bosniens: Karin Knorr und Imam Zahir Durakovic (rechts) diskutieren über das Buch, das Pfarrer Klaus Beurle (links) bis Ende dieses Jahres fertigstellen möchte.
Foto: Pat Christ | Freunde Bosniens: Karin Knorr und Imam Zahir Durakovic (rechts) diskutieren über das Buch, das Pfarrer Klaus Beurle (links) bis Ende dieses Jahres fertigstellen möchte.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:49 Uhr

Drei Tage dauerte die Hochzeit. Drei Tage lang wurde gefeiert, gegessen, getanzt. „Jeder war eingeladen, mitzumachen“, sagt Karin Knorr. 30 Jahre ist es her, dass die Würzburgerin zum ersten Mal in Bosnien war. Seither liebt sie dieses Land. Der Krieg, der von 1992 bis 1995 im ehemaligen Jugoslawien tobte, war für die Lehrerin ein Schock. Heute engagiert sich Knorr bei den „Freunden Bosniens“ für Versöhnung in einem nach wie vor zerrissenen, desolaten Staat.

Die „Freunde Bosniens“ sind eine noch junge Gruppierung in Würzburg. Sie gründete sich nach einer gemeinsamen Bosnienreise vor gut einem Jahr. Die Reise, an der 16 Menschen teilnahmen, wurde ein komplettes Jahr lang vorbereitet. „Wir trafen uns jeden Monat in der bosnischen Moschee Würzburgs“, erzählt Pfarrer Klaus Beurle.

„Bosnien liegt mitten in Europa. Wenn wir uns um dieses Land nicht kümmern, wird es uns auf die Füße fallen.“
Karin Knorr „Freunde Bosniens“

Der politisch engagierte Theologe ist nicht nur ein Freund Bosniens. „Ich liebe Muslime“, sagt der Katholik, der 25 Jahre lang in Bangladesch lebte, wo die Mehrheit der Menschen dem muslimischen Glauben anhängen. Die Muslime Bosniens sind Beurle besonders ans Herz gewachsen. Treten sie doch unverbrüchlich für Frieden und Toleranz ein – und das, obwohl sie während des dreijährigen Bosnienkriegs unvorstellbar Grausames erlitten haben.

Rund 650 Menschen aus Bosnien leben derzeit in Würzburg, sagt Zahir Durakovic, Imam der in der Zellerau angesiedelten bosnischen Gemeinde und Mitglied im Vorstand des Ausländerbeirats. Etwa 60 Familien gehören der Moschee an. Durakovic selbst floh 1992 aus Bosnien und lebt seit 1993 am Main. Dass sich Menschen aus seiner neuen Heimat aufmachten, um sein Land kennenzulernen, war für ihn überwältigend: „Damit ging ein Traum von mir in Erfüllung.“

Was die Gruppe in Bosnien erlebte, war bewegend, erschütternd, gleichzeitig aber auch unglaublich schön, so Beurle: „Die Landschaft zum Beispiel ist einfach wunderbar.“ Die Bosnienreise beeindruckte den vielgereisten Katholiken so sehr, dass er beschloss, ein Buch über seine Erlebnisse zu verfassen. Zum Jahresende soll es erscheinen. Dieses Buch, so Beurle, wird allerdings nicht nur beschreibenden, sondern vor allem auch appellativen Charakter haben.

Denn es steht schlecht um Bosnien. Die Verelendung habe unvorstellbare Ausmaße angenommen. 700 000 Menschen sollen heute in Bosnien-Herzegowina unter der Armutsgrenze leben. Bosnien muss sich ändern, um eine Zukunft zu haben, sagt Beurle. Aber dazu braucht es Unterstützung von außen. Gerade auch von der Europäischen Union.

Den „Freunden Bosniens“ ist klar, dass sie eine Art Rufer in der Wüste sind. Wer interessiert sich schon für Bosnien? Dabei ist das Land gar nicht so weit von Würzburg weg, meint Karin Knorr: „Nach Sarajewo fährt man gerade einmal 1200 Kilometer.“ Also 200 Kilometer weniger als beispielsweise nach Barcelona. Knorr weiter: „Bosnien liegt mitten in Europa. Wenn wir uns um dieses Land nicht kümmern, wird es uns auf die Füße fallen.“

Was sich in Bosnien tut, findet die Pädagogin beängstigend: „Die Frauen verschleiern sich zunehmend. Das kenne ich von früheren Reisen nicht.“ Die Armut drohe, sie für radikale Gruppen empfänglich zu machen. Knorr: „Denn die Menschen fühlen sich von uns alleine gelassen.“

Durch mehrere Aktionen wollen die „Freunde Bosniens“ und die Mitglieder der bosnischen Moschee Würzburgs Bürger in diesem Jahr, in dem sich das Kriegsende zum 20. Mal jährt, auf das kleine Land aufmerksam machen. Die Gruppe war beim „Frühling International“ auf dem LGS-Gelände dabei. Am 11. Juli begeht die bosnische Moschee den Gedenktag anlässlich des Massakers in Srebrenica. Ebenfalls für Juli ist eine öffentliche Veranstaltung anlässlich des Kriegsendes 1995 geplant.

Am Beginn aller Aktivitäten der „Freunde Bosniens“ stand die Versöhnungsstatue aus Coventry, die von der Würzburger Nagelkreuzinitiative am 16. März 2013 an die bosnische Moschee übergeben wurde. Daraus hatte sich die Idee einer gemeinsamen Reise entwickelt, woraus schließlich die „Freunde Bosniens“ hervorgingen. Manchmal wundern sich die „Freunde“ selbst, wie viel ihnen in den letzten beiden Jahren doch gelungen ist.

Würde sich bloß in Bosnien selbst endlich etwas tun. Das wäre ihr größter Wunsch.

 
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