Helle Kieselsteine knirschen unter den Füßen, tropische Pflanzen wachsen am Wegesrand, drei grüne Papageien – ein Geschenk des damaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva – hüpfen auf dem Rasen herum. Mitglieder des Kammerchors der Würzburger Dommusik sind am Dienstag durch die Vatikanischen Gärten geschritten, die den meisten Touristen verschlossen bleiben.
Was sonst Pilgergruppen vorbehalten ist, stand den Würzburgern, die an diesem Mittwoch in Castel Gandolfo die Oper „Augustinus – ein klingendes Mosaik“ aufführen, zwei Stunden lang offen. Natürlich nach neun Uhr, denn bis zu diesem Zeitpunkt ist die 18 Hektar große Anlage, die von 25 Gärtnern gepflegt wird, nur für den Papst da.
„Das Gelände ist unfassbar groß und schön“, sagte nach der Führung Psychologiestudentin Franziska Schopka, die sich über die vielen idyllischen Eckchen wunderte, die sie mitten in der Millionenstadt Rom nicht erwartet hatte.
An diesem Mittwoch kommt dann der Moment, auf den die 40 Mitglieder des Kammerchors seit Wochen hinfiebern. Um 17.30 Uhr führen sie gemeinsam mit Musikern aus München und Würzburg in der Sommerresidenz von Papst Benedikt XVI. die Oper „Augustinus – ein klingendes Mosaik“ auf.
Franziska Schopka ist erst seit einem Jahr Mitglied des Chores und war noch nie in Rom. Das sind zwei Gründe zur Freude, aber es gibt noch einen Dritten: „Ich freue mich, dass wir ein modernes Stück aufführen. Man denkt viel mehr über die Musik nach, wenn es etwas Zeitgenössisches ist, was ja auch die derzeitige Gesellschaft widerspiegelt. Es ist wichtig, das auch mal vor einer Persönlichkeit wie dem Papst darzustellen.“
Das 2005 uraufgeführte Werk von Wilfried (Hiller) und Winfried Böhm (Text) schildert das rauschhafte Leben des Augustinus (354 bis 430) sowie seine Hinwendung zu Gott, indem Böhm Menschen, die Augustinus nahestanden, sprechen lässt: beispielsweise seine Mutter, seine Geliebte und seinen Sohn. Die Oper dürfte eines der ersten zeitgenössischen Musikwerke sein, die im Umfeld des Vatikan zu hören sind.
Ungewöhnlich ist schon die Instrumentierung: Zu Flöte, Violine, Zither, Harfe und Schlagzeug gesellen sich unter anderem 60 Weingläser, ein Schellenbaum, eine Ratsche und hängende Glasstäbchen.
Modern ist aber vor allem die Sprache. In der ersten Szene, in der Librettist Böhm eine heidnische Götterverehrung in Rom schildert und den ausschweifenden Lebenswandel des frühen Augustinus anklingen lässt, stehen jene Worte, die von der Würzburger Bistumsleitung in Abstimmung mit dem Librettisten entschärft wurden (wir berichteten). Aus „Voluptia, Göttin der Wollust“ wird so eine „Göttin der Liebe“ und „Orgasmus“ wird durch „Voluptas“ (lateinisch für Lust, Vergnügen) ersetzt.
Die Sommerresidenz des Papstes liegt in der 9000-Einwohner-Stadt Castel Gandolfo, etwa 25 Kilometer südöstlich von Rom. Während in Rom ein Gefolgsmann von Silvio Berlusconi mit neofaschistischer Vergangenheit Bürgermeister ist, haben die Menschen in Castel Gandolfo eine Mitte-Links-Politikerin zu ihrer obersten Repräsentantin gewählt. Im Gemeinderat verfügt eine rot-grüne Liste über die absolute Mehrheit.
Der Papstpalast ist ein Komplex von drei Gebäuden. Das Gelände umfasst insgesamt 55 Hektar (11 mehr als die Vatikanstadt). Ein Großteil wird als Garten oder für die Landwirtschaft genutzt; es gibt einen Gutshof mit Feldern, Viehställen und Treibhäusern.
Um in ihre Sommerresidenz zu gelangen, benutzen die Päpste seit 1975 einen Hubschrauber. Auf diese Weise können sie über den dichten Verkehr auf der Via Appia hinwegschweben, die die kleine Stadt mit Rom verbindet.