In der Bombennacht des 16. März 1945 haben Tausende von Würzburgern in öffentlichen Schutzräumen und privaten Kellern überlebt. Das nationalsozialistische Regime hatte die Bombardements der Alliierten wohl vorausgeahnt und ab 1943 in der Stadt verstärkt Sammel-Luftschutzräume gebaut. Ebenso hatte man in der Innenstadt Feuerlöschteiche angelegt, in die sich in der Flammennacht vor 70 Jahren brennende Menschen stürzten, um sich zu retten.
Nach dem Krieg blieb das Thema Schutzraum hochaktuell. Im Kalten Krieg, als West und Ost sich als militärische Blöcke gegenüberstanden und zur Abschreckung kräftig aufrüsteten, blieb die Frage der Schutzmöglichkeiten wichtig, bis in die 90er Jahre hinein. Allerdings hatte angesichts der atomaren Aufrüstung auch bereits die Frage im Raum gestanden, ob Bunker und Schutzkeller überhaupt noch Sinn machen.
Und heute? Seit 2010 sind alle öffentlichen Schutzräume in Würzburg aufgegeben. Die Stadt unterhält keinen einzigen Schutzraum mehr. Nur in der Juliusgarage an der Juliuspromenade zeugen heute noch Anschlüsse für Versorgungsleitungen vom einst gedachten Schutzzweck: 399 Schutzplätze waren hier in der Tiefgarage für Bürger gedacht.
Vorgesehen war dazu ein Schutzraum für 2100 Personen in der Parkgarage des Bezirks Unterfranken in der Silcherstraße. In der Heuchelhofschule war ein Schutzraum mit 1668 Plätzen – zumindest auf dem Papier – im Plan. Er sollte Würzburgern sogar im Falle einer atomaren Auseinandersetzung Schutz bieten. Das waren zusammen also Schutzräume für 4700 Menschen. Dies entspricht rund 1,5 Prozent der Bevölkerung heute – und wäre daher gewissermaßen „sinnlos“, sagt Kommunalreferent Wolfgang Kleiner. Er sieht denn auch kein Schutzbedürfnis mehr.
Seine Einschätzung wird dem Kommunalreferenten allerdings auch leicht gemacht: Kleiner kann darauf verweisen, dass die Frage von Schutzräumen eine Bundesaufgabe ist. In der Zeit des Kalten Krieges war der Bau von Schutzräumen in öffentlichen Einrichtungen zu 100 Prozent vom Bund bezahlt worden. Es gab vom Bund sogar eine Förderung für private Schutzräume, soweit garantiert werden konnte, dass sie im Notfall öffentlich zugänglich sind.
Damit ist Schluss. Im Jahr 2006 hat der Bund, klammheimlich fast, alle Wartungsverträge gekündigt. Seit fünf Jahren sind alle öffentlichen Schutzräume in Würzburg offiziell aufgegeben. Das heißt, alle Schutzmaßnahmen gehen nun zu Lasten der Eigentümer.
Die Räumlichkeiten, wenn man die verschiedenen Bunker und Keller im Stadtgebiet betrachtet, waren immer sehr spärlich ausgestattet gewesen. Es seien auch nirgends Nahrungsmittel vorgehalten worden, sagt Kleiner. Es sei nur um ein „System der Sicherheit für Erschütterung und Belüftung“ gegangen. Angesichts von möglichen atomaren Auseinandersetzungen sieht der Kommunalreferent heute keinen Sinn in Schutzräumen mehr. „Wir haben jetzt schon 70 Jahre Frieden“, sagt er. Die Situation heute sei mit der Zeit nach dem Krieg nicht mehr vergleichbar.
Bei der öffentlichen Auseinandersetzung in den 80er Jahren meinte der damalige Bürgermeister Erich Felgenhauer, die Diskussion um Schutzräume sei „unehrlich“. Schutzräume seien, abgesehen von einem Atomkrieg, gegen den auch Bunker nicht helfen könnten, ganz sicher sinnvoll. Für Felgenhauer waren Schutzräume ein Zeichen des Lebenswillens und der Beweis der Verteidigungsbereitschaft. Schwäche habe noch niemandem geholfen, meinte der Bürgermeister damals.
Sein Kontrahent in der Debatte war FWG-Stadtrat Werner Fischer. Er argumentierte, man solle sich im christlichen Sinne „absolut wehrlos zeigen“. Von einem Krieg mit rein konventionellen Waffen auszugehen, war für Fischer vor 30 Jahren unvorstellbar. In der Zeit bis heute wurden allerdings viele Kriege geführt, auch in Europa und allesamt mit konventionellen, wenn auch moderneren Waffen.
Erich Felgenhauer bleibt auch heute bei seiner Haltung über den Sinn von Schutzräumen. Sein Vater hatte den 16. März 1945 in einem Stollen im Nikolausberg hinter der Kösterklinik überlebt. Er erinnert an zahlreiche Stollen und Bunker, in die Würzburger vor 70 Jahren fliehen konnten um zu überleben. So wie die früheren Bierkeller im Festungsberg an der Tellsteige, die es lange gab. Und im Bereich der Nervenklinik in Grombühl sind heute noch Reste eines größeren Bunkers zu finden.
Auch unter dem Rathaus gab es einmal einen richtigen Führungsbunker und Luftschutzräume. Die Räume sind noch vorhanden, auch die wahnsinnig dicken Türen. Man kann sie sehen auf dem Weg von der ersten Ebene der Marktgarage ins Rathaus. Hausmeister Wilhelm Mlynek ist allerdings der einzige, der für die Katakomben unter den Rathaus die Schlüsselgewalt hat. Die größeren Luftschutzräume sind vorgestopft mit städtischen Akten teils persönlicher Art. Im eigentlichen Führungsbunker, der einst wohl nur die Sicherheit einer Führungselite für die Stadt gewähren sollte, ist die Technik der Parkgaragen untergebracht. Damit ist dieser Teil als Schutzraum heute völlig unbrauchbar geworden.
Wie dick die Wände der Kommando-Zentrale unter dem Rathaus wirklich sind, ist wohl nicht ganz erforscht. Neulich habe man ein Loch für eine Versorgungsleitung durch den Beton gebohrt, erzählt Hausmeister Mlynek. Da sei sogar nach eineinhalb Metern Beton das Ende noch nicht absehbar gewesen.
Nichts übrig geblieben ist vom Nazi-Führerbunker von Dr. Otto Helmuth, dem Zahnarzt aus Marktbreit, der im Dritten Reich gefürchteter Gauleiter in Würzburg war. Sein oberirdischer Bunker am „Letzten Hieb“, der auch Warnstelle für die Luftangriffe gewesen war, wurde nach dem Krieg auf staatlichen Wunsch gesprengt und vernichtet. Es gab allerdings viele, die diesen sichtbaren Bunker als Mahnmal gegen die Nazi-Diktatur gerne erhalten hätten.