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Basketball: Bundesliga
Würzburg Baskets: Das Aus für John Patrick
Trennung vom Trainer: Die Nachricht kam überraschend. Dennoch soll die Ehe zwischen dem Coach der s. Oliver Baskets und der Mannschaft sowie dem Management schon länger nicht mehr harmonisch gewesen sein.
Von unserem Redaktionsmitglied Fabian Frühwirth
 |  aktualisiert: 22.08.2022 17:07 Uhr

Vier Tage nach dem Aus im Play-off-Halbfinale um die deutsche Meisterschaft bei ratiopharm Ulm hat sich Basketball-Bundesligist s. Oliver Baskets Würzburg überraschend von seinem Trainer und Sportdirektor John Patrick getrennt. Offiziell hat Norbert Wagner, einer der vier Hauptgesellschafter der Sport- und Event Würzburg Baskets GmbH, die exklusiven Informationen dieser Zeitung bestätigt: „Ja, wir haben John Patrick unsere Entscheidung am Donnerstagvormittag mitgeteilt“, sagte der Steuerberater, näher wollte er sich zu den Gründen der Trennung aber nicht äußern. Über die Details der Entlassung sei Stillschweigen vereinbart worden, hieß es.

Wagner verwies ebenso wie Patrick auf einen Termin an diesem Freitagnachmittag: „Es sind da noch einige vertragliche Dinge mit John Patrick zu regeln.“ Der Trainer und Sportdirektor zeigte sich in einer ersten Reaktion gegenüber dieser Zeitung ebenfalls merklich zurückhaltend: „Dass es ein verrücktes Business ist, weiß ich nicht erst seit heute“, sagte der 44 Jahre alte US-Amerikaner, dessen Vertrag offiziell noch bis zum Sommer 2013 läuft: „Die Gründe für die Entscheidung des Vereins kenne ich noch nicht. Es war eine tolle Saison. Ich möchte nicht, dass jetzt irgendwer beschädigt aus dieser Sache hervorgeht.“

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Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler hatte Patrick von der Entscheidung des Klubs am Donnerstagvormittag unterrichtet. Dem war laut Wagner „ein eindeutiger Beschluss der Geschäftsführung und der engsten Berater“ vorausgegangen, die Zusammenarbeit mit Patrick, der vor einem Jahr von der BG Göttingen zum Aufsteiger an den Main gewechselt war und mit den s. Oliver Baskets den größten Erfolg der Würzburger Basketball-Geschichte gefeiert hat, mit sofortiger Wirkung und vorzeitig zu beenden. Über die Modalitäten einer Vertragsauflösung wird am Freitag ab 15 Uhr verhandelt. „Ich werde diesen Termin mit meinem Anwalt wahrnehmen“, kündigte Patrick an, während Norbert Wagner ausdrücklich betonte, „dass wir eine faire und saubere Lösung anstreben. Wir haben uns zu diesem Schritt entschieden und kennen die damit verbundenen Konsequenzen.“ Immerhin steht Patrick sein Gehalt für ein weiteres Jahr vertraglich zu. Sollte der Headcoach und Sportdirektor auf die Erfüllung des Kontraktes pochen, könnte er zu keinem anderen Klub wechseln. Eine Vertragsauflösung in beiderseitigem Einvernehmen und eine damit verbundene Abfindung für Patrick scheint daher am wahrscheinlichsten.

Während die Baskets-Verantwortlichen ebenso wie der Trainer nicht öffentlich über die Gründe der Trennung sprechen wollen, sind vor allem in den letzten Wochen immer wieder Probleme zwischen dem Coach und der Mannschaft zutage getreten. Nach der Niederlage am Sonntag in Ulm hatten gleich mehrere Akteure John Patrick den Handschlag verweigert. Nur wenige Tage zuvor attackierte Chester Frazier den Trainer verbal und flüchtete trotz eines gültigen Vertrags quasi über Nacht aus Würzburg, um als Co-Trainer an der Kansas State University in der College-Liga NCAA zu arbeiten (wir berichteten).„Ich kann nicht mit einem Menschen zusammenarbeiten, der es nicht fertigbringt, mir in die Augen zu schauen. Endlich ist es vorbei!“ Patrick selbst widersprach Frazier und wies die Anschuldigungen weit von sich: „Ich habe es immer gut mit Chester gemeint. Er war einer meiner besten Spieler. Er ist gegangen, dafür muss er jetzt ganz alleine Verantwortung tragen und darf nicht anderen die Schuld geben.“

Nach Informationen dieser Zeitung aus dem Spielerkreis wuchsen die Widerstände der Mannschaft gegen Patrick in den Tagen nach dem Halbfinal-Aus in Ulm erheblich. „Wir haben die Saison bis zum Ende voll durchgezogen. So, wie es sich für Profis auch gehört. Wir sahen aber keine Zukunft mit ihm als Coach in Würzburg. Das haben wir dem Management in den letzten Tagen auch so deutlich mitgeteilt“, sagte ein Spieler gegenüber dieser Zeitung, der namentlich nicht genannt werden wollte: „Da sind Dinge abgelaufen, die sich keiner auch nur im Ansatz vorstellen kann.“ Einzig Alex King und Eigengewächs Maximilian Kleber besitzen noch gültige Verträge für die neue Saison. Klebers Kontrakt beinhaltet aber eine Ausstiegsklausel. Der Rest des Teams ist vertragsfrei, viele der Spieler hätten zuletzt deutlich signalisiert, weiter in Würzburg bleiben zu wollen – allerdings unter keinen Umständen mit Patrick als Trainer und Sportdirektor.

Das alles aber, so betont ein Baskets-Intimkenner, hätte nicht alleine den Ausschlag für die Trennung gegeben: „Das sind Profis, die dafür bezahlt werden, Leistung zu bringen und sich einem System, das zugegeben auch wehtun kann, unterordnen müssen.“ Vielmehr habe es auch schon länger erhebliche Differenzen zwischen Trainer und Management gegeben. Der überraschende Erfolg des Erstliga-Emporkömmlings, der auf Anhieb ins Halbfinale eingezogen war und dabei schon fast sensationell Vizemeister ALBA Berlin im Viertelfinale ausgeschaltet hatte, scheint all das aber bis zuletzt kaschiert zu haben.

Einen Nachfolger für Patrick, der 2009 und 2010 zum „Trainer des Jahres“ in der Basketball-Bundesliga gewählt worden war, gibt es noch nicht. „Wir müssen das erst einmal verarbeiten“, sagte Baskets-Geschäftsführer Jochen Bähr sichtlich angegriffen: „Solche Entscheidungen sind alles andere als einfach. Das war bestimmt kein Schnellschuss. Was auch immer alles gewesen ist, solche Schritte tun weh. Mir besonders.“

John Patrick

Der heute 44-Jährige ist verheiratet und hat fünf Kinder. Nach der High School absolvierte Patrick ein Studium an der Stanford University und spielte dort vier Jahre (1987 bis 1991) für die Hochschulmannschaft. Den Sprung in die nordamerikanische Profiliga NBA verpasste er nach einem Probetraining bei den Golden State Warriors nur knapp. In seiner Aktiven-Zeit in Deutschland und Japan hatte der 1,93 Meter große US-Amerikaner immer wieder mit Knieproblemen zu kämpfen und arbeitete frühzeitig auch als Assistenztrainer. Von 2003 bis 2005 war er Headcoach beim Zweitligisten BG 74 Göttingen, ehe er nochmals nach Japan ging und dort 2006 auf Anhieb Meister mit Toyota Alvark wurde. Nach seiner Rückkehr stieg er mit Göttingen in die Erste Liga auf, gewann mit den Veilchen 2010 die EuroChallenge (vergleichbar mit der EuropaLeague im Fußball). Vor einem Jahr wechselte der „Trainer des Jahres in der Basketball-Bundesliga“ (2009, 2010) nach Würzburg und erreichte das Halbfinale.

 
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