Wer vom sich anbahnenden Boom profitieren wird, Kommunen, Bürger und die regionale Wirtschaft oder international tätige Investoren, die Frage ist noch nicht beantwortet. Jedenfalls ist der Wettlauf eröffnet. „Wir werden überrannt von Anfragen“, bestätigt Manfred Dürr von der Firma Volta Windkraft, die von Ochsenfurt im Landkreis Würzburg aus Anlagen plant und betreibt.
Bayerns Behörden sind bemüht, den Boom in Bahnen zu lenken. Die Regionalen Planungsverbände und die Regionalplaner bei der Regierung von Unterfranken sind seit jeher um klare Regeln bemüht, sehr zum Leidwesen derer, die der Windkraft mehr Freiraum, mehr Rückenwind aus Politik und Verwaltung wünschen. Seit Dezember erleichtert der Windkraft-Erlass der Staatsregierung den Bau von Anlagen in Naturschutzgebieten, und nun gibt es noch die „Gebietskulisse Windkraft“ als Umweltplanungshilfe insbesondere für Kommunen.
Was kompliziert klingt, hat einen einfachen Grund: Die Politik will die 1000 bis 1500 neuen Windräder auf kleine Teile des Freistaates konzentrieren, um Konflikte mit Hausbesitzern, Umwelt-, und Landschaftsschützern zu verhindern. Der Widerstand habe sich nach der Energiewende erfreulicherweise deutlich abgeschwächt, hat Manfred Dürr von Volta Windkraft registriert.
Das Landesamt für Umwelt (LfU), hat die „Kulisse“ ausgearbeitet. Ergebnis ist, dass nur zwei Prozent Bayerns überhaupt für Windkraftanlagen geeignet sind. Im allergrößten Teil des Landes weht entweder der Wind zu schwach oder es müssen Mindestabstandsflächen von 300 bis 800 Metern zu Gebäuden eingehalten werden, weitere Gründe sind der Natur- und Landschaftsschutz. Die Fläche reiche dennoch locker für 1000 bis 1500 neue Windräder, so Umweltminister Marcel Huber (CSU), schon ein Zehntel der geeigneten Flächen sei genug, also 0,2 Prozent oder etwa 140 Quadratkilometer des Freistaates.
Für die Kommunen wird es aber sehr wahrscheinlich einen großen Ermessensspielraum geben: Zwar sind 12,5 Prozent Bayerns aus Umwelt- und Naturschutzgründen eigentlich nicht für Windkraft vorgesehen, „im Einzelfall“ aber soll der Bau neuer Windräder auch dort erlaubt sein.
Die „Kulisse“ ist keine verbindliche Rechtsgrundlage für Planungen, das Umweltministerium übernimmt ausdrücklich keine Garantie für die Rentabilität einer Windkraftanlage. Trotzdem sind die Karten nur für einen ausgewählten Personenkreis einsehbar. Der „Antrag auf Erteilung einer Zugangsberechtigung“ muss die Unterschrift eines Bürgermeisters, Landrates, Abteilungsleiters der Bezirksregierung oder Geschäftsführers eines Planungsverbandes tragen und einen Behördenstempel, verbunden mit der Verpflichtung, keine Daten an Dritte weiterzugeben.
Die Geheimniskrämerei hat einen guten Grund. Bayerische Bürgermeister versuchen, den sich abzeichnenden Windkraft-Boom unter Kontrolle zu bekommen. Wieland Gsell (Grüne) ist einer von ihnen, er ist Ortsoberhaupt von Zellingen (Lkr. Main-Spessart). Gsell wünscht sich „mehr Bürgerenergie“, also Windräder, deren Ertrag den Einwohnern oder der Gemeinde zugutekommen. Das wird nicht einfach werden. „Wir spüren ganz klar einen Wettlauf“, sagt Gsell und meint den Wettlauf um die besten Standorte.
Projektentwickler sind unterwegs. Sie wittern das große Geschäft, wenn sie Windräder bauen und schlüsselfertig an Gemeinden, Betreibergesellschaften, Stadtwerke oder Fonds verkaufen. Also schicken sie Akquisiteure los, um sich gute Standorte zu sichern. Das geschieht durch Optionsverträge, die auch bei Landwirten begehrt sind. Denn Windräder auf dem Feld bringen dem Bauer ein Vielfaches der landwirtschaftlichen Nutzung ein – je nach Standort bis zu 25 000 Euro im Jahr, sagen Experten.
Wie gut ein Standort ist, hängt vor allem vom Wind ab, der dort bläst. Die Gebietskulisse soll Kommunen die Bauleitplanung erleichtern und einen Informationsvorsprung gegenüber institutionellen Investoren verschaffen. Das kann entscheidend sein, um die besten Standorte zu finden und zu sichern. Der Zellinger Bürgermeister Wieland Gsell hat schon einen Blick hinter die „Kulisse“ getan. Zufrieden ist er allerdings nicht, die Informationen hätten ihn enttäuscht sagt Gsell. „Wir wollen nun selber ein Windgutachten machen lassen“, sagt er.
Manfred Dürr von Volta Windkraft rät zur Vorsicht. Bei Windgutachten könne man vergleichsweise leicht tricksen, um die Prognose für den Windertrag nach oben zu schrauben. Dürr rät, einen zertifizierten Gutachter zu beauftragen beziehungsweise einen im Bundesverband Windenergie akkreditierten.
Wie jeder Boom lasse auch der bei der Windkraft Anleger schwach werden. Sie sehen die Renditeerwartungen zu rosig und investieren selbst in Anlagen, deren Ertrag nur mittelmäßig ist. Experte Dürr empfiehlt allen Interessierten, vorsichtig zu rechnen. „Wir tun das“, sagt er über sein Unternehmen. „Als Planer aus der Region sind wir auf unseren guten Ruf angewiesen.“
Guter Standort, gute Rendite
Sechs bis acht Prozent Rendite werfen Windkraftanlagen in Bayern nach Einschätzung von Experten ab, wenn sie gut konzipiert sind. In Norddeutschland kann mit zweistelligen Renditen gerechnet werden. Ob sich die Investition lohnt, hängt von mehreren Faktoren ab.
Entscheidend ist einmal die Höhe der Einspeisevergütung, die nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) gezahlt wird. Geht eine Windkraftanlage 2012 ans Netz, bekommt der Betreiber nach derzeitiger Rechtslage 20 Jahre lang 9,41 Cent pro Kilowattstunde (kWh).
Weiterhin wichtig ist die Höhe des Kredits, der für den Bau beziehungsweise den Kauf der Anlage aufgenommen werden muss und für den Zinssatz, der zu zahlen ist. Der Preis für eine Anlage hängt auch vom Standort ab, Anlagenbauer bemessen ihn teilweise pauschal nach der prognostizierten Leistung. Hinzu kommen Kosten für Planung, Bau und Anschluss an das Stromnetz. Die Pacht für die Nutzung des Grundstücks, auf dem die Anlage steht, orientiert sich am Umsatz, Gleiches gilt für die Wartung.
Experten warnen vor zu hohen Rendite-Erwartungen. Manfred Dürr von der Volta Windkraft in Ochsenfurt rät zur Vorsicht: Interessenten beziehungsweise Anleger sollten sich über den Anbieter genau informieren und ihren Steuerberater konsultieren. Auch Banken hätten die Erfahrung, wo genau man hingucken muss.