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Wildschweine: Im Raum Schweinfurt gibt es mit ihnen keine Probleme
Schwarzwildringe: Nur die Jagd auf noch sehr junge Sauen verhindert ein Ausufern der Bestände. Jäger sehen sich als Dienstleister für den Erhalt des Ökosystem
Bache mit Frischlingen: Im späten Winter kommen die Jungtiere zur Welt, die im nächsten Jahr selbst schon wieder für Nachwuchs sorgen.
Foto: Felix Kästle/dpa | Bache mit Frischlingen: Im späten Winter kommen die Jungtiere zur Welt, die im nächsten Jahr selbst schon wieder für Nachwuchs sorgen.
Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:11 Uhr

Nein, der große Bericht im Magazin dieser Zeitung habe keine Fehler enthalten, aus seiner Sicht sei er jedoch unvollkommen gewesen: Wolf Pösl ist ein Jäger durch und durch. Er hat nicht nur ein eigenes Revier, sondern ist auch ab und zu in den Alpen mit Feldstecher und Büchse unterwegs und er engagiert sich auf Verbandsebene für das Waidwerk, als Vorsitzender des Jagdschutzvereins Schweinfurt oder als Leiter des Schwarzwindrings Wässernachtal, der 30 000 Hektar im Landkreis Schweinfurt und Teilen der westlichen Haßberge umfasst.

In dieser Eigenschaft sitzt der frühere Kugelfischer-Manager uns an einem kühlen Frühlingstag gegenüber, in seinem Haus in der Schweinfurter Frankenstraße, wo der Besucher nicht nur von einem lebhaften Hund begrüßt wird, sondern eine stolze Anzahl von Trophäen die Wände ziert und selbst Kaffeetassen und Servietten jagdlich verziert sind.

Pösl zur Seite stehen Reinhard Landgraf, der den Schwarzwildring Bad Kissingen mit 40 000 Hektar leitet, und Hubert Weikhart, zuständig für 33 000 Hektar Fläche im Hohen Steigerwald. Sie sind für die drei schwarzwildreichsten Gebiete im nördlichen Unterfranken verantwortlich. „Wir haben mit Wildschweinen keine Probleme“, sagt Landgraf, der seit über 30 Jahren einen Schwarzwildring leitet und ergänzt, dass es auch zwischen Bauern und Jägern keine großen Differenzen gibt. Wie das? Wo doch allenthalben von einer explosionsartigen Zunahme der Wildschweine die Rede ist, wo über verwüstete Felder, den Streit über die Entschädigung für die Landwirte berichtet wird?

Das Trio setzt auf eine in Jahrzehnten gewachsene enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, also der Jäger und Landwirte, der Gemeinden und Behörden. Nur ganz selten müsse ein Schlichter angerufen werden, sagt Pösl. Meist entdecke der Jäger, der ja fast täglich in der Flur unterwegs ist, einen Schaden zuerst.

Ziel ist es jedoch, Schäden so gering wie möglich, die Bestände konstant zu halten und dazu gehört ihre ständige Erfassung. „Da haben wir ein Copyright drauf“, erklärt Landgraf und geht auf Details für seinen Ring ein. Es umfasst 110 Jagdreviere, die sich auf freiwilliger Basis mit einer schlanken Organisationsstruktur („ein Vorsitzender, ein Stellvertreter“) zusammengeschlossen haben. Bei drei Treffen, im April, September und Dezember, werden die Ziele festgelegt. Dabei gehe es um das Erreichen eines „landeskulturell vertretbaren, gesunden Schwarzwildbestandes“, die Verringerung und die Verhütung von Wildschäden, die Weiterbildung der Mitglieder in Wildbiologie, die Erarbeitung von Bejagungsrichtlinien und ein ständiges Überwachen dieser Ziele.

Seit den 80er Jahren ist die Zahl der geschossenen Wildschweine im Freistaat von knapp 3000 auf das fast 20-fache angestiegen. Fachleute des Jagdschutzverbandes machen für den Zuwachs der Bestände das deutlich verbesserte Nahrungsangebot, den Klimawandel mit weniger strengen und schneereichen Wintern und einer verlängerten Vegetationszeit verantwortlich. Der von ihnen oft genannte verstärkte Anbau von Mais – mehr Nahrung, gute Deckung – spielt in den drei Schwarzwildringen keine Rolle, sagen Pösl, Landgraf und Weikhart übereinstimmend.

Mit den verbesserten Bedingungen und daraus resultierenden starken Eichelmasten werden die Sauen immer früher geschlechtsreif. Im Alter von acht Monaten setzen sie die ersten Frischlinge in die Welt. Während ein Reh im Alter von zwei Jahren ein Junges hat, bringt es eine gleichaltrige Bache leicht auf 10 bis 15 Nachkommen.

„Es ist ideal, wenn 80 Prozent des Zuwachses das erste Lebensjahr nicht überlebt“, sagen die drei Ringleiter und wissen, dass sie dafür auch angefeindet werden. Dabei werde leicht vergessen, „dass so eine Sau, bis sie geschossen wird, ein artgerechtes freudig-fröhliches Leben hat“.

Ein einjähriges Wildschwein bringt es schon auf stolze 40 Kilo und hat dann längst die typischen Streifen des possierlichen Jungtiers abgelegt, sagen die Jäger. Das hochwertige, unbelastete Fleisch – die Auswirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl spielen im hiesigen Raum keine Rolle – sei sehr begehrt. „Mit dem Erlös zahlen die Schweine die von ihnen verursachten Schäden selbst“, betont Pösl und legt eine Aufstellung vor, die aufzeigt, dass der Schaden pro erlegter Sau seit der Jahrtausendwende mit wenigen Ausnahmejahren kontinuierlich abnimmt, im Schnitt sind es 17 Euro.

Abschusspläne wie für das Reh- und Rotwild gibt es für die Wildschweine nicht, weil man die Zuwächse nicht abschätzen kann. Die Jäger stellen sich Jahr für Jahr neu ein, reagieren früh auf eine sich wegen des Waldumbaus (mehr Laubholz) immer öfter ergebende starke Mast mit bis zu fünf Tonnen pro Hektar. Dabei wissen sie, dass die Einzeljagd nicht ausreicht, um die Bestände unter Kontrolle zu halten und veranstalten im Herbst großflächig Drückjagden, unter fachlicher Leitung. Wichtig sei es auch, gewisse Intervalle einzuhalten. Man müsse den Tieren auch Ruhe gönnen, weil sie sich sonst zurückzögen und die Jagd sehr schwierig machen, sagt Landgraf.

Zum Ende des Gesprächs hin, wird es noch einmal sehr grundsätzlich. Mit der Jagd, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sei, übernehme man eine hohe Verantwortung für das Ökosystem, sagt Pösl. „Die Jagd ist eine Dienstleistung für alle, die sonst öffentlich finanziert werden müsste“, ergänzt Weikhart, der beruflich für die Bayerischen Staatsforsten arbeitet. Die Einstellung, „in meinem Revier kann ich machen, was ich will“, gebe es so gut wie nicht mehr, ergänzt Pösl. Wenn man ihn frage, warum er jage, dann sage er, „weil die Jagd eine Leidenschaft ist, Spaß macht“. Freude wäre vielleicht das bessere Wort, unterbricht Landgraf und Pösl nickt.

Klare Position: Wolf Pösl, Reinhard Landgraf und Hubert Weikhart (von links) treten für eine Jagd ein, die sich zur Verantwortung für das Ökosystem bekennt.
Foto: Körblein | Klare Position: Wolf Pösl, Reinhard Landgraf und Hubert Weikhart (von links) treten für eine Jagd ein, die sich zur Verantwortung für das Ökosystem bekennt.
 
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