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VEITSHÖCHHEIM
Wie Kinder gut lernen können
Spontan: Lena Försch (rechts) und Kati Schweitzer vom Improtheater „Kaktus“ offenbarten beim ersten Familientag des Landkreises ihre ganz persönliche Lernfähigkeit. Musikalisch begleitet von Jan Höcker, verwandelten sie spielerisch Vorgaben aus dem Publikum zu Emotionen oder Geschichten. Foto: D. Gürz
| Spontan: Lena Försch (rechts) und Kati Schweitzer vom Improtheater „Kaktus“ offenbarten beim ersten Familientag des Landkreises ihre ganz persönliche Lernfähigkeit.
Dieter Gürz
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:10 Uhr

Er war das Sahnehäubchen des ersten Familientages, den das Amt für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg in Veitshöchheim veranstaltete: der Haupt-Vortrag „Kinder brauchen Bindung ein Leben lang“ von Gerhard Suess, Professor für klinische und Entwicklungspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Familien und pädagogische Fachkräfte erfuhren wissenschaftlich fundiert, was Kinder brauchen, um lernen zu können.

Herausragend war These Nummer eins des Professors für Entwicklungspsychologie, dass es nämlich im Gegensatz zur Lehrmeinung von früher beim Lernen entscheidend auf die Lehrerpersönlichkeit ankomme. Lernen funktioniere nur bei guten verlässlichen Beziehungen. Lehrer bräuchten auch Freiheiten. Suess: Ein Betreuungsschlüssel von 1:8 in Krippen „ist eine Katastrophe. Optimal wäre, dass drei Kinder von einer Fachkraft betreut werden“.

Gegen den Früh-Förder-Wahn

Der Druck bei Eltern, dass ihre Kinder einen möglichst hohen Bildungsabschluss erreichen sollen, führe zu einem Früh-Förder-Wahn, so dass beispielsweise schon Zweijährige in den Sprachunterricht geschickt würden. Hierunter falle das „Helicopter-Parenting“, vor dem man Kinder bewahren müsse. Darunter versteht man populärsprachlich über-fürsorgliche Eltern, die sich (wie ein Beobachtungs-Hubschrauber) ständig in der Nähe ihrer Kinder aufhalten, um diese zu überwachen und zu behüten. Ihr Erziehungsstil sei geprägt von (zum Teil paranoider) Überbehütung und exzessiver Einmischung in die Angelegenheiten des Kindes und Heranwachsenden.

Es sei aber für Eltern ungemein schwer, das rechte Maß zu finden, gab Suess zu. Dabei sei das Wichtigste das Elternhaus. Was hier erfahren werde, bereite die Bühne für Lernerfahrungen danach. Perfektionismus sei der Tod jeder guten Bindung.

Eine gewisse Spiritualität könne für Kinder ein Schutzsystem sein, erläuteret Suess weiter. Es schließe ein, dass es in der Schule fair und gerecht zugeht, dass man nicht nur eine Nummer ist, sondern auch etwas zählt. Eine solche Art von Bindung gebe Halt und fördere die Autonomie der Kinder.

Der Professor wies auch auf das Forschungs- und Unterstützungsprogramm „Steep“ für junge Mütter in schwierigen sozialen Lagen hin, das zeige, dass eine verlässliche Elternschaft auch unter schwierigsten Lebensbedingungen gelingen kann.

Mit soviel Information ausgestattet konnten sich die Teilnehmer sodann in Workshops mit der Frage „Was brauchen Kinder, um gut lernen zu können?“ auseinandersetzen. Kinesiologin Tamara Gersitz machte beispielsweise in ihrem Workshop die Teilnehmer mit Brain-Gym vertraut, eine Methode, mit der man nach dem Motto „Bewegung ist das Tor zum Lernen“ seine Lern-, Konzentrations- und Gehirnleistungen aktivieren und verbessern kann.

Die diplomierte Legasthenie-Trainerin Anne Husslein gab Workshop-Teilnehmern aufgrund der Erkenntnis „Nur was der Mensch mit Begeisterung lernt, kann gespeichert werden“ Ideen mit nach Hause.

Hilfestellungen bei Rechenproblemen, Balance finden im Alltag trotz stürmischer Zeiten, die Bedürfnisse von Krippenkindern – die Angebote für Informationen und Weiterbildung waren vielfältig am ersten Familientag. des Landkreises. Das Kreisjugendamt bot daneben auch jede Menge Unterhaltung unter anderem mit einem Auftritt von Lena Försch und Kati Schweitzer vom Improtheater „Kaktus“. Außerdem gab es Korbtheater, Experimente für Kinder, und neben weiteren Angeboten für den Nachwuchs noch Leckeres aus der Schulküche.

Nötig: Leute, die sich engagieren

Organisatorin Claudia Ruhe bedankte sich für die große Unterstützung der beiden Schulleiter Stefan Dusolt (Grundschule) und Otto Eisner (Mittelschule). Denn das Thema des ersten Familientages im Landkreis „Lernen braucht ....“ benötige immer wieder auch Inspiration und Menschen, die sich engagieren.

Die stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer verwies darauf, dass viele Menschen Hilfe bräuchten, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Besonders wichtig sei es, die Erziehungskompetenz der Eltern mit Angeboten zu stärken. Dazu halten Stadt und Landkreis weitere Informationen im Internet bereit (familienbildung-wuerzburg.de).

MdB Paul Lehrieder, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wies auf Aktivitäten im Bundestag hin, etwa eine öffentliche Anhörung zu einem Antrag, den Ausbau und die Qualität in der Kinderbetreuung voranzutreiben und die Qualität in der frühkindlichen Bildung zu fördern, vor allem auch die Sprachkompetenz von Migrationskindern.

Veitshöchheims zweiter Bürgermeister Winfried Knötgen bekräftigte auch in seiner Funktion als Grundschulrektor in Thüngersheim, wie wichtig es sei, positive Lernbedingungen in Familien, Kindergarten und Schule zu schaffen, damit Kinder sich wohlfühlen und gerne lernen. Veitshöchheim schaffe schon lange die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür und nannte unter anderem auch die Sing- und Musikschule und die Bücherei im Bahnhof.

 
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