Vor fast genau 13 Jahren, am 6. Januar 1992, wurde aus der Medizinisch-technischen Assistentin eine Malerin. Zwei Jahre später verließ Dorle Wolf das Labor im Biozentrum der Universität Würzburg. "Das war keine leichte Entscheidung", erinnert sie sich, schließlich hat sie 22 Jahre lang sehr eng und intensiv mit ihrem Mann, dem Biologen und Wahrnehmungsforscher Rainer Wolf, zusammengearbeitet. Ihm zuliebe hatte sie sich der Naturwissenschaft zugewandt, obwohl sie in der Schule andere Vorlieben hatte: "Mich interessierte das Wort." Auch die Kunst lag ihr. Sie besuchte am Würzburger Matthias-Grünewald-Gymnasium den Leistungskurs, glänzte darin als Jahrgangsbeste.
Ihren Eltern war das eher suspekt. Sie hatten Angst, dass sich ihre Tochter womöglich für etwas "Brotloses" entscheiden würde. Das hat sie jedoch erst viele Jahre später. Seitdem schwelgt sie in Formen und Farben, in Linien und Licht. Ihre Kompositionen sind überwiegend abstrakt, aber immer wieder von der Natur inspiriert. Nie hat sie eingeplant, dass sie später auch 3-D-Bilder malen würde. Auslöser war eine Brille, die sie zusammen mit ihrem Mann bei einer USA-Reise in einem Spielzeug-Geschäft entdeckte: die "ChromaDepth 3-D", die Malern oder Fotografen die Chance bietet, "in flachen farbigen Bildern stereoskopische Tiefeneffekte zu erzeugen", erläutert Rainer Wolf. Sie besteht aus durchsichtigen "Blaze"-Gitterfolien, die das Licht beugen und spiegelbildlich in die Regenbogenfarben zerlegen.
Staffelung der Regenbogenfarben
Ein Blick durch die Brille verstärkt den Farbtiefeneffekt, einen natürlichen Farbfehler der Augen: Die meisten Menschen nehmen rote Flächen auf dunklem Hintergrund näher wahr als beispielsweise blaue. Generell folgen in der Reihenfolge von nah nach fern die Farben Rot, Orange, Gelb, Gelbgrün, Grün, Blaugrün, Blau, Dunkelblau und Schwarz. "Diese Staffelung der Regenbogenfarben ist das Einzige was ich wissen muss, wenn ich ein 3-D-Bild male", sagt Dorle Wolf. Wenn sie dazu allerdings die ChromaDepth-Brille vor Augen hat, muss sie zusätzlich ein Gefühl dafür bekommen, wann der Pinsel die Leinwand wirklich berührt.
Aber so sehr es der in Gerbrunn lebenden Künstlerin gefällt, ihren leuchtenden Bildern ("Die Farbe ist das wichtigste Element") Raum und Tiefe zu geben, will sie sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Dorle Wolf sieht sich nicht als reine 3-D-Malerin. "Ich möchte malen, was ich empfinde, nicht was naturwissenschaftlichen Gesetzen folgt." Aus ihrer Ablehnung für alles Schematische beim Malen lag die Brille aus Amerika erst mal ein Jahr lang unberührt herum. Dann siegte die Neugierde. Sie begann, sich in ihrer Kunst mit dem Tiefeneffekt auseinander zu setzen.
1997 malte Dorle Wolf bewusst ihr erstes 3-D-Bild: "Kleine Stadt am Meer". Heute entscheidet sich erst während des Malprozesses, ob eines ihrer Werke auch dreidimensional betrachtet werden kann und soll. "Wichtig für mich ist die Aussage eines Bildes. Dafür brauche ich Freiheit bei der Gestaltung, vor allem bei der Wahl der Farbklänge. Alles andere muss sich dem unterwerfen. Ergeben sich tiefe, satte Farben mit starken Kontrasten, dann baue ich den 3-D-Effekt aus."
Dorle Wolf entdeckte eines Tages die "Lichtlinien", die neben der Farbstaffelung ebenfalls den räumlichen Effekt verstärken können, wenn sie zum Beispiel aus grünen und roten Linien bestehen, die schwarz gesäumt sind. Der Zufall spielt in ihrer künstlerischen Arbeit immer wieder eine Rolle. Entdeckt die Malerin optische Effekte, hinterfragt sie diese und entwickelt sie weiter. Zudem ist durch ihre langjährige Beschäftigung in der Wahrnehmungsforschung ihr Blick geschärft. "Ich habe ein offenes Auge für Dinge, die viele andere gar nicht sehen." In diesem Punkt entsteht sie wieder, die enge Zusammenarbeit mit ihrem Mann. "Früher haben wir viel über wissenschaftliche Versuche diskutiert, jetzt ist die Malerei dazugekommen."
Am heutigen Freitag wird um 19
Uhr die Ausstellung "Farben der
Zeit" mit Bildern von Dorle Wolf
und Plastiken von Kilian Emmer-
ling in der Würzburger Galerie
Kunststück (Sanderstr. 23-25) eröff-
net. Öffnungszeiten: Donnerstag
und Freitag 16 bis 20, Samstag 14
bis 16 Uhr (bis 19. Februar).