Bei der Wiederzulassung demokratischer Parteien 1945 waren freie, bürgerliche Wahlgemeinschaften nicht vorgesehen. Sie erfüllten als lose Gruppierungen ohne Grundsatzprogramm nicht die Kriterien, die die Besatzungsmächte an eine Partei stellten. Bis heute verzichtet die Rottendorfer Bürgerliche Wahlgemeinschaft (BWG) darauf. Dennoch bestimmt sie seit 60 Jahren die Geschicke in Rottendorf maßgeblich mit und gehört zu den stärksten Gruppen, die sich unter dem Dach der Freien Wähler im Landkreis zusammengefunden haben.
Bei der Feier im Wasserschloss zog der stellvertretende Vorsitzende Josef Nüßlein vor rund 100 Gästen ein positives Fazit: „Freie Wählergruppierungen sind direkter am Bürger als Parteien, die einen größeren Blickwinkel haben müssen als einen lokalen Kirchturmblick.“ Was die Kandidaten verbinde sei eine „Wertorientierung“ bei gleichzeitiger Offenheit für eine „moderne, differenzierte und pluralistische Gesellschaft“.
Diese Mischung fiel in Rottendorf auf fruchtbaren Boden. Bereits für die zweite Wahlperiode stellten die Bürgerlichen im Herbst 1951 eine eigene Liste auf, den Bürgerblock. Bei den Wahlen im März 1952 erreichten sie auf Anhieb vier Mandate in dem damals nur zehnköpfigen Gemeinderat.
Allerdings kam es schon bald zu einer Spaltung. Die Gemeinderäte Fritz Hack und Otto Schlereth gründeten eine eigene Fraktion, heute trägt die den Namen „Bürgerliche Wahlgemeinschaft“. Zu beiden stieß der Vertreter des Block der Heimatlosen und Entrechteten (BHE), Michael Leprich, mit dem sie eine Listenverbindung eingingen.
Der BHE war schon kurz nach dem Krieg in vielen Orten Bayerns als lose Gruppierung entstanden, die weniger die große Politik als die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse der Menschen und örtliche Interessen im Sinn hatte. Sie ist eine der Wurzeln der heutigen Freien Wähler in Bayern. Für Nüßlein war die Listenverbindung ein wichtiger Schritt dafür, dass es in Rottendorf gelang, die vielen Heimatvertriebenen aus dem Osten, die Siebenbürger und die Ortsansässigen einander näher zu bringen.
Bereits in der nächsten Wahlperiode ab 1956 stellten die BWGler mit Johann Albert den Bürgermeister. Im Jahr 1960 gelang ihm die Wiederwahl. Es folgten „weitreichende und nachhaltige Entscheidungen für die Gemeinde“, die Albert den Ruf des „Pflasterbürgermeisters“ einbrachten. In seiner Amtszeit wurden die Straßen befestigt und die Erschließung des großen Gewerbegebiets jenseits der Eisenbahngleise wurden grundgelegt. In den kommenden Jahren wurde es etwas ruhiger um die Wählergruppe. Bemerkenswert ist jedoch, dass es bei den Wahlen von 1972 mit Irmgard Krapf erstmals eine Frau in den Gemeinderat schaffte. Im Jahr 1984 entstand sogar eine eigene Frauengruppe.
Einen Wendepunkt bringt das Jahr 1996. Unter dem Vorsitzenden Heiner Vogel erhält die bislang nur punktuell zu den Wahlen sich organisierende Gruppierung die feste Struktur eines eingetragenen Vereins, die auch über das Jahr hinweg gesellige Unternehmungen ermöglicht. Und Rainer Fuchs gelingt es den Rathausstuhl für die nächsten 18 Jahre wieder für die Freien zu erobern. Es bleibt jedoch dabei: Ein Parteiprogramm wird nicht aufgestellt.