Im Vorübergehen streift der Blick ein Gegenüber. Man stutzt: Hat er nun oder hat er nicht? „Gut gemachte und gepflegte Perücken erkennt man nicht auf einen Blick“, meint dazu Gert Blankenhagen, Perückenmacher in Würzburg. Aber keinem Körperteil werde soviel Beachtung geschenkt wie dem Kopfhaar.
Perücken haben eine lange Tradition, fülliges Haar galt immer als schön. Eine erste bekannte Trägerin war Cleopatra. Richtig in Mode kam Haarersatz im 17. und 18. Jahrhundert, nachdem in Frankreich Ludwig XIV. sein schütteres Haupt damit bedeckt hatte. Die wallende Haarpracht wurde zum Standessymbol, noch bis ins 19. Jahrhundert war sie Teil der Amtsrobe im Gerichtssaal. Nur in den oberen Schichten durften Perücken weiß gepudert werden. In Preußen zahlte man von 1698 bis 1717 gar eine Perückensteuer. Perücken kaschierten auch Haarausfall, vor allem bei Syphilis und der üblichen ärztlichen Behandlung mit Quecksilber. Außerdem, so wurde berichtet, war das Tragen der Kopfbedeckung in schlecht geheizten Räumen sehr angenehm.
Und jetzt, im Frühling und Sommer, ist eine Perücke nicht viel zu heiß? Die meisten Kunden tragen sie nicht freiwillig, so Blankenhagen. Aber anders als in den 60-er Jahren schwitze man dank neuer Materialien und guter Verarbeitung nicht mehr. Perücken seien luftdurchlässig, man spüre jeden Windhauch. Haarersatz helfe heute Menschen, die wegen erblicher Veranlagung, aus Altersgründen oder bei Krankheit, wie dem kreisrunden Haarausfall bei der Autoimmun-Erkrankung „Alopecea areata“ oder als Folge von Chemotherapie unter Haarverlust leiden. Eine Perücke schenke Jung und Alt wieder natürliches Aussehen und damit Sicherheit und Selbstvertrauen. Daneben kommen zu ihm auch Schauspieler oder Modebewusste, die eine Zweitfrisur benötigen. „Etwa fünfzig Prozent der männlichen und weiblichen Schauspieler, Moderatoren und Ansager im Fernsehen tragen Haarersatz“, schätzt er.
Wie arbeitet heute ein Perückenmacher? Die Kundenberatung findet diskret im separaten Studio statt. Gemeinsam wird überlegt, ob es Kunsthaar oder Echthaar sein soll, welche Frisur vorteilhaft ist und wie viel die Perücke kosten darf. Frisuren werden aufprobiert, helfen bei der Entscheidung. „Wir haben hier 350 verschiedene Perücken, alles kleine technische Wunderwerke. Manche wiegen nur 25 bis 30 Gramm und wirken absolut natürlich“, erklärt der Fachmann.
Echthaare wirken authentisch und geben ein gutes Tragegefühl. Sie halten länger und können wie das eigene Haar für Frisuren bearbeitet oder auch eingefärbt werden. Pflegeleichter und preisgünstig in verschiedenen Güteklassen sei Kunsthaar, das aber nur etwa ein Jahr halte. Als optimal beurteilt der Fachmann die japanische Kanekalon-Fuji-Faser oder das hochwertige Cyberhair, die einzige Faser, welche wie echtes Haar Schuppen aufweise, hitzebeständig sei, auf Feuchtigkeit reagiere, aber die Farbe nie verändere.
„Nicht jedes Modell haben wir in passender Größe und Farbe vorrätig“, sagt Blankenhagen. Hat jemand eine ungewöhnliche Kopfform und -größe oder Sonderwünsche, empfiehlt er individuelle Maßanfertigung. Dazu wird Umfang und jedes Detail des Kopfes mit Klarsichtfolie und Klebeband fest gehalten, der Abdruck mit Kunststoff ausgegossen und danach der Unterbau der Perücke, die so genannte Montur, gefertigt. Das aufwendige Anbringen der einzelnen Haare wird nicht mehr selbst gemacht, sondern die Montur in eine Fabrik eingeschickt. Für Sonderanfertigung müsse man circa zehn Wochen einplanen. Naturbelassene Echthaare kämen meist aus Indien oder China, denn europäisches Haar sei zu häufig durch Färben oder Dauerwelle geschädigt.
Zuletzt verpasst der Friseur der Perücke den gewünschten Schnitt und gibt die entsprechenden Pflegetipps.