Eine höchst anregende Begegnung mit einem außergewöhnlichen Schriftsteller: Der griechische Autor Petros Markaris las in der Buchhandlung Vogel aus seinem soeben bei Diogenes erschienenen Kriminalroman „Zurück auf Start“. Auch hier ermittelt wie in den vorausgegangenen Romanen Kommissar Kostas Charitos im Chaos der Stadt Athen.
Diesmal untersucht er zu Beginn den fragwürdigen Selbstmord des deutsch-griechischen Unternehmers Andreas Makridis, der einen Windpark bauen wollte und an den Mauern der griechischen Bürokratie gescheitert war. Dass Athen von Tag zu Tag gefährlicher wird, muss der Kommissar auch privat erfahren: Seine Tochter Katarina, Rechtsanwältin, wird von einem Neonazi der „Goldenen Morgenröte“ am hellichten Tag vor dem Gericht zusammengeschlagen.
Für Schmunzeln im Publikum dagegen sorgt eine andere Romanpassage, ein später aufgefundener Brief des toten Windkraft-Ingenieurs an einen Freund: „Jetzt begreife ich, wie sich die deutsche von der griechischen Arbeitsmoral unterscheidet. Die Deutschen haben eine Liebesbeziehung zu ihrer Arbeit, für die Griechen ist sie ein Fluch. Die Deutschen sind unglücklich, wenn ihre Arbeitszeit um ist. Sie gehen gleich nach Hause und können den nächsten Morgen bis zum Arbeitsbeginn kaum erwarten. Der Schlaf verkürzt die öde Wartezeit, während ein abendliches Vergnügen sie nur verlängern würde. Da die Griechen ihre Arbeit als Frondienst und ihren Arbeitsplatz als Strafkolonie wahrnehmen, warten sie den ganzen Tag auf nichts anderes als den Dienstschluss. Abends genießen sie ihre Freiheit und sammeln frische Kräfte für einen weiteren Tag im Arbeitslager.“
Zu Beginn hatte Buchhändlerin Franziska Bickel den Gast aus Griechenland vorgestellt. Markaris (78), Sohn armenisch/griechischer Eltern, wuchs in Istanbul auf, studierte später in Wien und Stuttgart. Das deutschsprachige Theater hat er durch Übersetzungen von Autoren wie Brecht, Goethe, Schnitzler auf griechische Bühnen gebracht. In den letzten Jahren hat er sich kenntnisreich und kritisch am Diskurs über die griechische und europäische Krise beteiligt.
Wie immer ist auch „Zurück auf Start“ eine liebevolle und zugleich kritische Beschreibung des heutigen Griechenlands. Markaris liest einige Kapitel ganz, dann Passagen. Dabei macht er es seinen Zuhörern nicht leicht: Er verzichtet sowohl auf eine Vorstellung seiner Akteure wie auch auf verbindende Erklärungen der Erzählstränge, sein Personenverzeichnis am Buchende umfasst 68 Namen.
Lebendigkeit bringen erst die Gespräche mit dem Schriftsteller vor oder nach der Lesung. Auf die Frage: „Ist die beschriebene Arbeitsmoral in Griechenland wirklich so?“ antwortet er knapp: „Im Staatsapparat ja, im privaten Bereich sicher ein Vorurteil“. Seine Faust I und II-Übersetzung habe ihn fünf Jahre seines Lebens und zwei Krimis gekostet.
Ja, noch heute gelte seine Einteilung der griechischen Gesellschaft in vier Blöcke: Die Gruppe der „Profiteure“, (Bauunternehmen, Pharmaindustrie), die Gruppe der „Redlichen“, die Gruppe des „Molochs“ aus dem Staatsapparat und seinen Betrieben, Garant des Klientelsystems. Und schließlich die Gruppe der „Aussichtslosen“: All die jungen Griechen, die im Internet verzweifelt nach einem Job suchen.