Es ist die vielleicht größte musikalische Irritation dieses Festivals: Da steht Mireya Coba Cantero aus Havanna mit ihrer Band „Cuba Vista“ auf der Bühne im großen Zelt – und singt Rosenstolz: „Ich bin jetzt, ich bin hier, ich bin ich, das allein ist meine Schuld.“ Zu Rumbarassel, Bossa und Sound der Trombone. Hallo?
Mochte sich der ein oder andere Besucher vorher noch fragen, warum die Veranstalter in diesem Jahr Kuba zum Schwerpunktland der Großveranstaltung rund um afrikanische Musik und Kultur erklärt hatten, dann ist am Freitagabend das Rätsel nur noch: Warum nur macht eine kubanische Band auf Deutschpop?
Gut, der Gitarrist der Band um Mireya Coba Cantero heißt Ingo Mützel und hat unter anderem an der Musikhochschule in Würzburg Klassik und Jazz mit Diplom und Staatsexamen studiert. Aber das allein kann den seltsam vor sich hinplätschernden Auftritt der Kuba-Truppe nicht erklären.
Schwungvoller Son, feuriger Salsa und treibender Rumba sind angekündigt. Doch statt zum Tanzen treiben das Lala-la-laa und ein diffuser Klangbrei das Publikum, je länger der Abend dauert, schnell aus dem Zelt. Zwar macht das kleine Grüppchen der Unermüdlichen unentwegt und unerbittlich sein Ding da ganz vorne auf der Tanzfläche. Die meiste aber fliehen, noch vor der Höflichkeitszugabe.
Gefühlt endet da das schlechteste Africa Festival-Abendkonzert aller Zeiten.
Wie anders die erste Hälfte! Da brachte Lura das Zelt zum Wogen. Eine kräftige warme Stimme, sanft und beißend zugleich, mal temperamentvoll und feurig-frech, mal ruhig und melancholisch weich – die Sängerin von den Kapverden, die 2007 am Main schon zu hören gewesen war, inszeniert die traditionelle Musik ihrer Heimat als mitreißende Weltmusik. Mit viel Koketterie tänzelt, stolziert und tanzt die 40-Jährige über die Bühne, sucht den Dialog mit ihren Musikern wie mit der Zuhörerschar – und dirigiert am Ende einen einzigen großen Chor.
„Herança“, zu Deutsch „Erbe“ heißt ihr neuestes, ihr sechstes Album. Und das Erbe vieler großer Sängerinnen von der Inselgruppe vor Westafrika trägt Lura auf ihre eigene Art überzeugend, hüftschwungvoll und leichtfüßig weiter. „Obrigada“, ruft die stolze Sängerin ins Festivalpublikum.
Als Dank gibt's begeisternden Applaus zurück.
WÜRZBURG
Warum singt eine Kubanerin beim Africa Festival Deutschpop?
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