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WÜRZBURG
Warum Lurz wieder erträglich ist
Der Schwimmstar beim Stadtgespräch: Thomas Lurz am Montagabend im Dialog mit Redaktionsleiter Andreas Jungbauer.PATRICK WÖTZEL
Foto: Foto: | Der Schwimmstar beim Stadtgespräch: Thomas Lurz am Montagabend im Dialog mit Redaktionsleiter Andreas Jungbauer.PATRICK WÖTZEL
Von unserem Mitarbeiter Patrick Wötzel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:52 Uhr

Er ist unbestritten Würzburgs erfolgreichster Sportler aller Zeiten und trotzdem ein Star zum Anfassen geblieben: Thomas Lurz, 14-facher Welt- und Europameister im Freiwasserschwimmen und zweifacher Olympiamedaillengewinner, trainiert nach wie vor an sechs Tagen pro Woche morgens zwischen 7 und 9 Uhr im Wolfgang-Adami-Bad. „Da kann man mich treffen“, sagte der 32-jährige Ausnahme-Athlet am Montagabend im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus.

Vielleicht lag es an dieser Präsenz in seiner Heimatstadt, dass das „Stadtgespräch“ in recht intimer Runde stattfand. Interessant war es allemal, was Thomas Lurz zu erzählen hatte: 60 Minuten lang stellte er sich den Fragen von Main-Post-Redakteur Andreas Jungbauer. Wenn Lurz nach einem Rennen über fünf Kilometer irgendwo auf der weiten Welt aus dem Wasser steigt, war er deutlich schneller unterwegs.

Seit über zehn Jahren gehört der 32-Jährige zur absoluten Weltelite im Freiwasserschwimmen über fünf und zehn Kilometer. Sämtliche Erfolge sind das Ergebnis harter Arbeit: „Mein Talent ist eher mittelmäßig, und ich habe auch nicht die beste Technik“, sagt Lurz über sich selbst.

Am Anfang seiner Karriere hielten ihn die Trainer des Deutschen Schwimmverbands (DSV) sogar für den untalentiertesten Schwimmer in der gesamten deutschen Mannschaft. Jetzt sitzt Lurz, der in London bekanntlich als einziger deutsche Schwimmer eine Medaille holte, in einer Kommission, die die Qualität der DSV-Trainer beurteilen soll: „Man sieht sich immer zweimal im Leben“, sagte er mit breitem Grinsen im Gesicht. Schon immer, so der 32-Jährige, habe es ihn besonders motiviert, wenn man ihn als Konkurrenten nicht ernst nahm: „Wer nett zu mir ist, hat eine wesentlich größere Chance, mich zu schlagen.“

Sein Erfolg ist nicht nur das Ergebnis harten Trainings pro Woche im Adami-Bad, wo er „jede Kachel kennt“. Er ist vor allem Kopfsache: „Die Frage, ob das Training langweilig ist, stellt sich für mich nicht. Das ist wie bei jedem anderen Beruf auch. Man braucht Ehrgeiz und Biss, wenn man erfolgreich sein will.“

„Im Adami-Bad kenne ich jede Kachel.“

Thomas Lurz über das Training

Für den Erfolg muss er viele Opfer bringen, für Hobbies oder Freunde bleibt wenig Zeit. Für den Meister der Selbstmotivation war das selten ein Problem: „In die Disco gehen kann jeder, Weltmeister wird nur einer. Ich habe früh verstanden, dass man besonderen Aufwand betreiben muss, wenn man etwas Besonderes erreichen will.“ Das sei eine der Lektionen, die er von seinem Vater Peter gelernt habe, der 2007 überraschend starb. „Das war eine Katastrophe.“ Ans Aufhören habe er trotzdem nie gedacht: „Das wäre für meinen Vater das Schlimmste gewesen. Der Gedanke an ihn gibt mir noch heute in schwierigen Situationen Kraft.“

„Man muss auch verlieren lernen.“

Thomas Lurz über Niederlagen

Seine Erfolgsgeheimnisse gibt der 32-jährige Top-Schwimmer inzwischen in Vorträgen weiter, und er hat ein Buch geschrieben: „Auf der Erfolgswelle schwimmen“. Junge Menschen sollen darin erfahren, was man braucht, um erfolgreich zu sein. Eine wichtige Lektion: „Man muss auch verlieren lernen.“ Durch diese harte Schule ging Lurz als Jugendlicher, als er bei wichtigen Jahrgangsmeisterschaften häufig auf dem undankbaren vierten Platz landete.

So ganz hat er seine eigene Weisheit offenbar noch nicht verinnerlicht: Nach den Olympischen Spielen schnitt er bei der EM für seine Verhältnisse schlecht ab. So wollte er das Jahr nicht beenden. Also flog er zum Weltcup nach Hongkong – hin und zurück über 20 Stunden im Flugzeug, mit sechs Stunden Zeitverschiebung – und gewann: „Der Abschluss hat gepasst, jetzt bin ich wieder erträglich.“ Nach schlechten Leistungen, sagt Lurz, „muss mein soziales Umfeld einiges aushalten“.

Nicht leiden mussten Freundin, Bruder und Mutter unter seinem zweiten Platz vor zwei Monaten beim olympischen 10-Kilometer-Rennen im Londoner Hyde-Park. Lurz empfindet die Silbermedaille nicht als Niederlage. Gold holte Oussama Mellouli aus Tunesien: „Er ist einer der talentiertesten Schwimmer der Welt und war an diesem Tag drei Sekunden besser. Ich hätte nicht schneller schwimmen können“, sagt Lurz, der sich noch mindestens bis zur EM 2014 in Berlin weiter täglich im Training quälen will.

Ob er mit 36 Jahren 2016 in Rio de Janeiro noch einmal versuchen wird, seinen olympischen Medaillensatz mit Gold zu komplettieren? „Damit habe ich mich noch nicht ernsthaft auseinander gesetzt. Ich muss ja auch irgendwann den Sprung in den Beruf schaffen.“

Welcher das sein wird, sei noch offen, sagt Lurz. Fest steht nur, dass er trotz seines abgeschlossenen Studiums nicht als Sozialpädagoge arbeiten möchte. Im Moment ist er mit Wettkämpfen, Vorträgen und Sponsoren-Terminen ausgelastet. Und er hat zusammen mit dem ehemaligen Olympia-Fechter Dieter Schneider eine Stiftung gegründet, die den Bereich Behindertsport an der Uni Würzburg unterstützt: „Ich hatte sehr viel Glück im Leben, deswegen will ich etwas zurückgeben.“

Mehr Infos über Thomas Lurz und seine Stiftung: www.thomas-lurz.de und: www.sport-stiftung.de

 
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