
Ging es Ihnen auch gerade so? Sie haben diese Seite aufgeschlagen und die Tüte mit den knusprigen, gold-gelben Chips gesehen und hatten sofort Appetit? Sie wollten am liebsten einmal zugreifen und noch einmal und noch einmal, bis die Tüte leer ist. Dieses Gefühl kennen wahrscheinlich viele: Ist die Packung Chips einmal angebrochen, wird so lange gegessen, bis nichts mehr drin ist. Ähnlich verhält es sich bei Schokolade. Dabei hatte man eigentlich gar keinen Hunger. Doch die Knabbersachen verführen zum Weiteressen. Wissenschaftler an der Uni Nürnberg-Erlangen sind nun dem Geheimnis auf der Spur, warum das so ist. Die Biochemiker sprechen von einer „Naschformel“, die sie in Experimenten mit Ratten gefunden haben wollen.
Ihre neuste Studie beruht auf Ergebnissen aus dem Jahr 2013. Damals setzten Monika Pischetsrieder und ihre Mitarbeiter Ratten Kartoffelchips vor und verglichen ihr Fressverhalten mit normalem Futter. Bei den Chips aßen die Tiere immer weiter, obwohl sie satt hätten sein müssen. Und: Sie fraßen deutlich mehr. In einem Kernspintomografen fanden die Biochemiker außerdem heraus, dass das Belohnungszentrum im Gehirn der Nager besonders aktiv war, wenn sie Chips gegessen hatten. Deshalb hörten sie nicht mehr auf.
Verhältnis Kohlenhydrate und Fett
Nur: Warum wirkten die Chips so auf das Gehirn der Tiere? Um das herauszubekommen, schlossen Pischetsrieder und ihr Team eine Studie an. Sie setzten den Tieren Futter vor, das sich aus unterschiedlichen Anteilen von Kohlenhydraten und Fett – den Hauptbestandteilen von Chips – zusammensetzt. „Wir haben zunächst vermutet, dass die Ratten Futter attraktiv finden, wenn es besonders kalorienreich ist“, sagt Pischetsrieder. Doch in dem Versuch zeigte sich: Die Ratten fressen vor allem dann besonders viel, wenn ihre Nahrung zu 50 Prozent aus Kohlenhydraten und zu 35 Prozent aus Fett besteht. Und dann reagiert auch ihr Belohnungszentrum. Genau aus diesem Verhältnis bestehen auch Chips und Schokolade – Lebensmittel, bei denen auch viele Menschen nicht mehr aufhören können, zu essen.
Dennoch lasse sich das Ergebnis nicht einfach auf den Menschen übertragen, sagt Pischetsrieder. „Menschen sind viel komplexer.“ Martin Hofmeister von der bayerischen Verbraucherzentrale bestätigt das. Ob ein Mensch aufhört, zu essen, oder weiterisst, hängt von vielen Faktoren ab – zum Beispiel vom Sättigungsgefühl. Das tritt erst etwa 20 bis 30 Minuten, nachdem man angefangen hat, zu essen, ein. Wer seine Mahlzeit also herunterschlingt, wird mit hungrigem Magen vom Tisch aufstehen, sagt der Ernährungswissenschaftler. Bei Chips komme hinzu, dass sie oft vor dem Fernseher verspeist werden. „Durch die Bilder im Fernsehen ist unser Gehirn so abgelenkt, dass uns gar nicht auffällt, wenn wir schon satt sind“, sagt Hofmeister.
Um genauer sagen zu können, ob die magische Mischung aus 50 Prozent Kohlenhydraten und 35 Prozent Fett auf Menschen wirkt, sitzen die Biochemiker der Universität Nürnberg-Erlangen schon an einer Anschlussstudie. Diesmal testen sie Menschen. Die Messungen sind schon abgeschlossen, jetzt müssten die Daten nur noch ausgewertet werden, sagt Monika Pischetsrieder.
Wirkung aufs Belohnungszentrum
Und auch andere mögliche Einflussfaktoren möchten die Wissenschaftler näher erforschen: Welche Wirkung hat die Salzmenge oder auch das Frittieraroma auf das Essverhalten? „Wir haben im Kernspintomografen gesehen, dass das Futter mit einer Mischung aus 50 Prozent Kohlenhydraten und 35 Prozent Fett zwar das Belohnungszentrum der Ratten aktiviert, aber nicht so stark wie echte Chips“, sagt sie. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass noch etwas anderes den Heißhunger auf Knabberzeug antreibt.
In ein paar Jahren steht vielleicht genau fest, was genau Chips so unwiderstehlich macht. Nur ein Problem bleibt dann ungelöst: Die Frage, wie wir doch aufhören können.