Solange die Speicheldrüsen funktionieren, ist alles gut. Da bemerkt man sie gar nicht. Wer registriert schon bewusst diese kleinen Organe, deren größere Vertreter am Ohr, dem Unterkiefer und unter der Zunge angesiedelt sind? Aber wehe, sie funktionieren nicht. Dann ist zum Beispiel Professor Johannes Zenk gefragt. Der neue Chefarzt der Hals-Nasen-Ohrenklinik am Augsburger Klinikum befasst sich seit langem mit Speicheldrüsen. Er hat unter anderem das „Speicheldrüsenzentrum“ in Erlangen geleitet.
Es kann allerlei geben, was die Funktion der kleinen Drüsen stört: Sie können sich entzünden. Es können sich Speichelsteine bilden, die den Abfluss des Speichels beeinträchtigen. Die Wechseljahre der Frau können Mundtrockenheit hervorrufen. Auch Hunderte Medikamente gibt es, die das tun. Ursachen für die medizinisch Xerotomie genannte Mundtrockenheit könnten darüber hinaus auch ein fortgeschrittenes Alter, eine Strahlentherapie im Rahmen einer Krebsbehandlung oder eine hohe Stressbelastung sein. Xerotomie, so Professor Zenk, sei ein „Riesenproblem“.
Unangenehme Mundtrockenheit
Und das nicht nur wegen des unangenehmen Gefühls, wenn der Mund trocken ist – fehlt der Speichel, nehmen auch die Zähne massiv Schaden, da Bakterien nicht mehr fortgespült werden. Therapieoptionen sind etwa die Gabe von „Speichellockern“ wie Kaugummis, das Absetzen von Medikamenten oder künstlicher Speichel.
An den Speicheldrüsen können auch Geschwulste auftreten. Bei der großen Gruppe der Tumoren gebe es über 20 verschiedene bösartige Formen, sagt Zenk, dazu mehr als zehn gutartige Varianten. Am häufigsten sei unter den gutartigen das „pleomorphe Adenom“ an der Ohrspeicheldrüse, das vollständig entfernt werden müsse. „Früher hat man gesagt, sicherheitshalber entfernt man gleich die gesamte Drüse“, berichtet der Arzt. Heute versuche man, bei gutartigen Tumoren die Drüse zu erhalten.
Auch bei Speichelsteinen komme der Erhalt der Drüse dem Patienten zugute, denn eine Drüsenentfernung kann zu Gesichtsnervenlähmungen, Narben oder zu gustatorischem Schwitzen führen, einem im Bereich der entfernten Drüse abnorm ausgeprägten Schwitzen während des Essens. Heute müssen nur noch weniger als fünf Prozent aller Speicheldrüsen wegen eines Steins entnommen werden. „Kamen früher 90 Prozent der erkrankten Drüsen raus, bleiben heute 90 Prozent drin“, sagt Zenk.
Unspezifische Symptome
Die Anzeichen, dass mit den Speicheldrüsen etwas nicht stimmt, können ganz unspezifisch sein. „Es gibt ein paar wenige Symptome, hinter denen viele verschiedene Krankheiten stecken können“, so der Professor. Im Wesentlichen handele es sich um Schmerzen, Schwellungen, Mundtrockenheit oder zu viel Speichel. Zu den diagnostischen Methoden, die dann weiterhelfen, zählt neben der klinischen Untersuchung mit Abtasten und Massieren der Drüsen vor allem der Ultraschall und seit kürzerer Zeit auch die Endoskopie. Letzte ermöglicht es nicht nur in die Speicheldrüsen hineinzuschauen, sondern auch direkt zu behandeln.
Ganz feine Endoskope
Nur 0,8 bis 1,6 Millimeter sind die verwendeten Endoskope fein, und da ist noch Platz für einen oder gar zwei Arbeitskanäle in ihrem Inneren, durch den Instrumente eingeführt oder die Speicheldrüsengänge gespült werden können. Der Durchmesser eines Arbeitskanals beträgt nur 0,4 bis 0,8 Millimeter.
Indikationen für eine Speicheldrüsen-Endoskopie sind zum einen entzündliche Erkrankungen, etwa die bei Jugendlichen vorkommende juvenile rezidivierende Parotitis, bei der die Ohrspeicheldrüsen mit Cortison gespült werden. Zum anderen wird die Speicheldrüsen-Endoskopie bei „obstruktiven“ Erkrankungen eingesetzt, Verengungen, die durch Steine oder Narben hervorgerufen werden. Man kann die Verengung darstellen, also sichtbar machen, und endoskopisch aufweiten – und man kann auch Kunststoffstents (Platzhalter) einsetzen.
An Speicheldrüsensteinen leiden nach Angaben Zenks etwa 0,15 Prozent der deutschen Bevölkerung. Einige tausend Patienten bundesweit dürften es sein. Wie es dazu kommt, ist nicht ganz klar.
Verlegen Speichelsteine den Ausführungsgang der betroffenen Drüse, kann es zu schmerzhaften Koliken kommen. Schon der Anblick von Essen kann genügen, damit es dazu kommt. Steine können nicht nur per Endoskop mithilfe eines kleinen Körbchens geborgen werden, sondern auch mit einer Lasersonde vor Ort zertrümmert werden. Und wie bei Nierensteinen gibt es auch bei Speichelsteinen die „extrakorporale Stoßwellenlithotripsie“, die Zertrümmerung des Steines durch Ultraschallwellen von außen.
Barthaar verstopft Drüse
Der Blick durchs Endoskop, auf dem Bildschirm dargestellt, offenbart neue Welten: Der Baumstamm, der da in einem Abwasserrohr zu liegen scheint, ist in Wahrheit ein Barthaar, das einen Drüsen-Ausführungsgang verstopft – und das die Ärzte herausholen mussten. „Was haben wir nicht alles schon zum Vorschein gebracht“, sagt Zenk. Nicht nur Steine und Barthaare, auch abgebrochene Zahnbürstenborsten, Gräten, Reiskörner, Salatreste. Eine Narkose braucht der Patient während der Endoskopie nicht, eine örtliche Betäubung reicht in der Regel aus.
Speicheldrüsen
Anzahl: 700 bis 1000 kleine Speicheldrüsen besitzt jeder Mensch in Mundhöhle und Rachen.
Speichel: Daneben gibt es drei größere paarig angelegte Speicheldrüsen: die Ohrspeicheldrüse, die Unterkieferspeicheldrüse sowie die Unterzungenspeicheldrüse. Sie produzieren täglich gemeinsam bis zu 1,5 Liter Speichel. Speichel besteht zu 99,5 Prozent aus Wasser. Hinzu kommen Proteine, Elektrolyte und anti-mikrobiotische Substanzen. Der kontinuierliche Speichelfluss schützt vor Wundinfektionen im Mund und vor Karies. TEXT: SHS