Extremsportler Felix Baumgartner aus Österreich verschlug mit seinem Sprung aus 39 Kilometern Höhe am Sonntag vielen Menschen den Atem. Millionen verfolgten vor dem Fernseher und im Internet gebannt seinen waghalsigen Rekordsprung aus der Stratosphäre. Darunter auch Fallschirmspringer Franz Scheuermann aus Oberhausen (Lkr. Würzburg).
Auch er hat mit drei anderen einen Rekordversuch hingelegt. 1980 sprangen sie aus 12 000 Metern. Allerdings mit fatalem Ausgang. Sein Bruder Gerhard, der zum Team gehörte, verunglückte dabei tödlich.
Franz Scheuermann kann sich noch gut an den 1. Mai 1980 in Hannover – dem letzten Tag der Internationalen Luftfahrtausstellung – erinnern. An den Geruch im Flugzeug. An seinen freien Fall von drei Minuten und 40 Sekunden. Und an die Glücksgefühle, die er verspürte, als er wieder heil am Boden ankam. Dann stockt seine Stimme. Zur Freude kommt die Trauer. Wenige Augenblicke nach der Landung erfährt der Springer, dass sein jüngerer Bruder Gerhard es nicht geschafft hat.
Scheuermann und seine beiden anderen Kameraden – zwei Freunde aus dem Freifaller-Klub im Flugsportklub Unterschüpf (Main-Tauber-Kreis) – glaubten zunächst bei ihrer Landung, dass Gerhard Scheuermann abgetrieben worden sei. „Streuweiten von bis zu 1000 Meter sind völlig normal“, sagt Franz Scheuermann. Auch das Publikum am Boden bekam nicht mit, dass sich in der Luft lediglich drei Schirme geöffnet hatten.
Erst später stellte sich heraus, dass Gerhard Scheuermann beim Versuch, den Hauptfallschirm in 700 Metern Höhe zu öffnen, einen Unfall hatte. Eine Metallplatte, etwa vier mal vier Zentimeter groß, löste sich von den Tragegurten und durchtrennte ihm die Halsschlagader. „Mein Bruder hatte keine Chance mehr, den Reservefallschirm zu öffnen“, sagt Franz Scheuermann.
Die Scheuermanns aus dem kleinen Riedenheimer Ortsteil Oberhausen sind eine Fallschirmspringer-Dynastie. Mittlerweile schon in der dritten Generation. Und ziemlich erfolgreich obendrein. Sohn Markus beispielsweise wurde erst im Juli zum wiederholten Male Deutscher Meister. Und seine Cousine Kristina ist nationale Rekordhalterin beim Formationssprung der Frauen.
An Rekorde hat sich die Familie also mittlerweile gewohnt. Und eigentlich wollten Franz Scheuermann und seine Mitspringer 1980 noch höher hinaus. „Aber ohne Astronautenanzug, wie Felix Baumgartner einen trug, geht da gar nichts“, sagt er.
Auch so waren die Bedingungen für die vier Springer schon hart genug. Das Atmen ist in dieser Region nur noch mit Sauerstoffzufuhr möglich. Und kalt ist es dort oben. Möglichst schnell mussten sie die dünnen und kalten Luftschichten von bis zu minus 62 Grad verlassen. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 200 Stundenkilometern stürzten sie zur Erde. Mit langen Unterhosen, einer Panzerfahrer-Kombi und Fettcreme auf den ungeschützten Körperstellen schützten sie sich vor der Kälte.
„Sprünge aus derartigen Höhen gehen nur nach einer intensiven Vorbereitung“, sagt Franz Scheuermann, der damals 30 Jahre alt war. Und nie zuvor waren bis dahin Fallschirmspringer aus derartigen Höhen gesprungen. „6000 Meter – das war bis dahin der Rekord, das Höchste der Gefühle“, so Scheuermann. Zur Vorbereitung war das Vierer-Team einen Sommer lang im Luft- und Raumfahrtzentrum in Köln. Unter ärztlicher Aufsicht hatten sie bei Kammerflügen unter anderem gelernt, wie ihr Körper auf Extreme reagiert.
Felix Baumgartner hatte bei seinem Rekordsprung am Sonntag eine ähnliche Vorbereitung. „Nur dauerte die natürlich wesentlich länger. Das ist schon vergleichbar mit einer Mission im All“, sagt Franz Scheuermann, der den 43 Jahre alten Österreicher persönlich kennt. „Das ist kein Irrer“, sagt er. „Der macht das mit Hirn und Verstand“, ist sich Franz Scheuermann sicher.
