Newport Beach verhält sich zu Los Angeles so wie Sylt zu Hamburg. Im Sommer fallen die Städter in den südlich von L.A. gelegenen Ort ein, surfen, lassen es sich gut gehen und sitzen in ihren Millionen-Dollar-Häuschen direkt an der Strandpromenade. In ein solches Strandhaus haben auch Billie Joe Armstrong (40), Mike Dirnt (40) und Tre Cool (39) zum Gespräch eingeladen, die Herren von Green Day. Die erfolgreichsten Punkrocker der Gegenwart, eigentlich in Oakland bei San Francisco ansässig, besitzen hier einschlägige Anwesen, auch einige der Songs ihrer drei neuen Alben „Uno!“, „Dos!“ und „Tre!“ sind hier am Strand entstanden.
Billie Joe Armstrong: Man könnte das meinen. Dabei war genau das unsere Ausgangsidee gewesen. Wir wollten bloß ein paar Songs schreiben, ohne Gerüst, ohne Konzept, im klassischen Green-Day-Sound.
Billie Joe: Ja. Du musst dir das so vorstellen: Die letzten beiden Alben „American Idiot“ und „21st Century Breakdown“ sind Rock-Opern gewesen, sehr konzeptionell, sehr durchdacht. Wir waren uns einig, dass diese Ära für uns vorüber ist. Wir haben uns mit frischen Ideen ans Werk gemacht, wollten hineinspringen in etwas, das für uns der pure Rock'n'Roll werden sollte. So entstanden Songs wie „Stay the Night“, „Nuclear Family“ oder „Oh Love“. Dann änderte sich unser Blickwinkel, wir hatten Lust auf Spaß und schrieben Sachen wie „Fuck Time“ oder „Makeout Party“, die beide auf dem „Dos!“-Album sind. Dann hatten wir Lust auf Episches und komponierten „Walk away“ oder „Brutal Love“. Wir selbst wurden von diesen Wellen der Kreativität emporgespült und beschlossen, auf ihnen zu reiten. Plötzlich stehst du da mit 30 oder 40 Songs und denkst „Was wird das denn jetzt?“ Doppelalben sind nicht mehr in Mode, das ist zu viel für die Leute, also entschieden wir: Drei Alben.
Billie Joe: Es war nicht unser Plan, eine Art Konterrevolution anzuzetteln und zu rufen „Schaut mal, das Albumformat lebt und ist zu dritt“ (lacht). Wir haben nach der letzten Tour Musik miteinander gemacht, Spaß dabei gehabt und drauf geschissen, ob das nun unkonventionell ist. Rock'n'Roll ist nicht immer berechenbar.
Billie Joe: Das ist eigentlich nichts Neues für uns. Traditionelle Einflüsse gab es immer schon, Bands wie The Kinks oder The Who haben mich extrem geprägt. „Drama Queen“ war zum Beispiel mein Versuch, einen Song im Stile von Kinks-Sänger Ray Davies zu verfassen.
Billie Joe: Um die Klatschkultur der heutigen Zeit. Das Publikum schaut sich diese Menschen an, die ohne ersichtlichen Grund berühmt sind, so wie es bei einem Verkehrsunfall langsam fährt in der Hoffnung, einen toten Körper auf der Straße liegen zu sehen. Dieser Voyeurismus liegt in der Natur des Menschen, dennoch muss man ihn nicht mögen.
Billie Joe (lacht): Na, vielen Dank. Für zehn Minuten war meine Arschritze letztes Jahr das beherrschende Thema in den Medien. Eine Stunde später bin ich doch geflogen, sie haben sich entschuldigt, alles ist wieder okay. Aber es gibt keinen Grund, Paparazzi in dein Leben zu lassen, sich von denen jagen zu lassen. Das geschieht freiwillig. Ein Schauspieler wie Daniel Day Lewis macht mit die besten Filme unserer Zeit, aber liest du jemals etwas über ihn, das nichts mit seinen Filmen zu tun hat? Ich nicht.
Billie Joe: Vor ein paar Wochen in New York. Ich war mit meiner Frau unterwegs und das Date lief ein wenig aus dem Ruder. Wir haben gerne Spaß, und speziell „Uno!“ ist eine sehr spaßige Platte, mit sehr körperlichen und direkten Songs. Wir selbst sind aber nicht diese Party-Heinis, für die manche uns halten. Wir haben Geschlechtsverkehr, und wir haben Elektrizität, doch ansonsten leben wir fast wie die Amish People: Nämlich diszipliniert und mit einem immensen Arbeitseifer.
Billie Joe: Ja, wobei sie es in vielen Dingen leichter und in manchen Dingen schwerer haben als wir es hatten. Gerade sehe ich sogar eine Riesenparallele. Mein Ältester spielt in einer Punkband, Emily's Army, gerade waren sie im ganzen Land auf der „Warped“-Tour unterwegs. Er spielt Schlagzeug, und ich bin wirklich stolz. Wir haben tolle Unterhaltungen. Der Jüngste spielt Gitarre. Meine Kids sind coole Jungs, coole Menschen. Sie haben viel Herz und viel Seele.
Mike: Meine Tochter ist 15 und kann inzwischen bessere Joints drehen als ich. So lange sie diese Supernoten mit nach Hause bringt, kann sie machen, was sie will.
Billie: Der Dialog ist wichtig. Man kann über alles reden. Mike und ich sind junge Eltern, wir haben schon mit Anfang, Mitte 20 Kinder bekommen, das mag ich. Wir spielen Rockmusik und haben vieles gesehen im Leben. Die Kinder wissen, dass wir wissen, was in ihnen vorgeht, wir sind noch immer nah dran an ihrem Leben. Wir wissen, was es heißt, ein Teenager zu sein. Sie sind aufgeschlossen, lassen sich auch überzeugen. Gleichzeitig können sie uns nicht verarschen, weil wir diese Welt kennen. Wichtig ist nur eins: Niemals lügen.