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OBERALTERTHEIM
Ungelöste Kriminalfälle: Tödlicher Spaziergang vor Mitternacht
Juli 1982: Unter dubiosen Umständen wurde vor 33 Jahren der Maurer Fritz Schmidt in Oberaltertheim ermordet. Merkwürdig: Niemand bemerkte den tödlichen Kampf, noch heute sind entscheidende Fragen in dem Fall offen.
Auf Mördersuche: Der damalige Würzburger Ermittler Gerd Farnschläder stellte den Fall Fritz Schmidt in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vor.
Foto: ArchivZDF | Auf Mördersuche: Der damalige Würzburger Ermittler Gerd Farnschläder stellte den Fall Fritz Schmidt in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vor.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:02 Uhr

Womit hatte sich der gutmütige Fritz Schmidt einen Todfeind gemacht? In einer schwülen Julinacht 1982 muss sein Mörder fürchterlich in Rage gewesen sein. Mehr als 30-mal stach er mit einer 13 Zentimeter langen Klinge auf Schmidt ein. Der 26-Jährige versuchte, die Waffe abzuwehren, die ihn am Körper, an Armen, Beinen und Füßen traf. Weit verteilte Blutspuren auf dem Flurweg und einem Kanaldeckel zeugten davon, wie der Täter wild auf den Niedersinkenden einstach. Dann entkam er unerkannt. Nur ein blutiger Schuhabdruck blieb zurück. Fritz Schmidt starb am Schock und dem Blutverlust.

Der Fall beschäftigt das 1200 Einwohner zählende Dorf zwischen Würzburg und Tauberbischofsheim bis heute. Und noch immer gibt der Mord altgedienten Ermittlern wie Martin Hinterseer Rätsel auf. „Warum hat – obwohl es schwül war und viele Menschen bei offenem Fenster schliefen – keiner etwas gehört von dem Kampf?“, fragt er sich.

Der Täter ging ein hohes Risiko ein. Auf dem Fußweg, neben dem Schmidts Leiche gefunden wurde, waren in der Nacht Heimkehrer vom Feuerwehrfest aus dem benachbarten Steinbach unterwegs.

In einem Internetforum für ungeklärte Morde wird auch 33 Jahre später noch darüber spekuliert, was in jener Nacht zum 5. Juli 1982 zwischen 23 und 2 Uhr morgens passiert ist. Ein Altertheimer Bürger schlug vor, den Fall in die Serie aufzunehmen. Er hatte das Mordopfer noch am Nachmittag vor dem Gewaltverbrechen gesehen – quicklebendig saß Schmidt beim Steinbacher Feuerwehrfest nur eine Bank weiter.

Nachts saß Schmidt mit seiner Frau Carmen beim Abendbrot, die beiden schauten ein wenig fern. Gegen 22.45 Uhr soll Schmidt ihr angesichts des schwülen Wetters vorgeschlagen haben: „Wir machen noch einen Spaziergang.“

Im Neubaugebiet war es dunkel, gemächlich wanderte das Paar in Richtung Ortskern, wo die Beleuchtung besser war. Dort hat ein Zeuge Fritz Schmidt mit Carmen letztmals lebend gesehen. Kurz darauf (gegen 23 Uhr) soll der zu seiner Frau gesagt haben: „Geh heim! Ich muss noch was besorgen.“ Während sie umkehrte, ging er weiter in Richtung Ortsausgang nach Unteraltertheim.

Seine Frau wartete zu Hause. Fritz Schmidt kam nicht. Die Schwangere schlief ein, erwachte gegen 1 Uhr morgens: Noch immer war der Gatte nicht zurück. Sie ging hinunter ins Dorf, traf ihn nicht an. Auch in der Gaststätte, in der sie arbeitete, war keiner mehr. Verzweifelt lief sie heim, kam morgens dorthin zurück, um Fritz vermisst zu melden. Da wurde gerade seine Leiche am Ortsausgang gefunden, notdürftig versteckt hinter einem Holzstapel am Rand des Weges. Der Fall erregte 1982 so viel Aufmerksamkeit und steckte so voller Rätsel, dass der damalige Würzburger Mordermittler Gerd Farnschläder ihn in die ZDF-Fahndungsserie „Aktenzeichen XY ungelöst“ brachte.

Der 2007 verstorbene Mordermittler – ein gewiefter Analytiker – stellte 1983 mit XY-Erfinder Eduard Zimmermann den Fall vor: So soll mitten in der Nacht ein Gast in der Gaststätte im benachbarten Gerchsheim aufgetaucht sein. Der berichtete von einem Auto am Straßenrand mit einer liegenden Person davor. Da er eine Falle witterte, um ausgeplündert zu werden, fuhr er weiter und ließ in Gerchsheim die Polizei verständigen. Das brachte die Kripo aber ebenso wenig weiter wie ein geheimnisvoller Wanderer, der tags zuvor unterwegs gewesen sein soll – oder ein heller Kleintransporter, der dem Paar im Dunkeln begegnet sein soll und das Licht ausschaltete, um sein Kennzeichen im Dunkeln nicht erkennen zu lassen. 60 Hinweise bekam die Kripo damals, erinnert sich Ermittler Hinterseer – aber keine heiße Spur.

Ein Zeuge will am Tag vor dem Mord auch einen roten VW-Käfer mit Hamburger Kennzeichen gesehen haben. Das ließ die Kripo aufhorchen. Schmidts Ehefrau – mit der er erst zwei Monate verheiratet war – stammte von dort. Sie war mit einer Drückerkolonne hier gelandet, hatte Streit mit Kollegen bekommen und war geblieben. Zunächst arbeitete sie als Bedienung in der Gastwirtschaft. Als sie schwanger wurde, heiratete Schmidt sie, obwohl er nicht der Vater war – sehr zum Missfallen eines Teils seiner Verwandten.

Die Mordwaffe fand die Kripo nicht. Der blutige Schuhabdruck am Tatort half nicht weiter, ebenso wenig die Erwähnung, dass Schmidts Zigaretten, Feuerzeug und ein 50-Mark-Schein verschwunden waren, den er eingesteckt hatte.

Die Ermittler fragen sich bis heute: Wen hoffte er, dort auf dem Weg am Ortsrand in der Kleingartenkolonie zu treffen? Oder stieß er zufällig auf seinen Mörder? Ermittlungen ergaben, dass er im Haus von Bekannten, das nahe dem Tatort lag, eine Feuerstelle gemauert hatte. Wollte er dorthin? Oder zum Schrebergarten seiner Eltern, der nur 200 Meter entfernt lag? „Es ist uns ein Rätsel, was er zu dieser nachtschlafenden Zeit da suchte“, betont Hinterseer. Machte er Geschäfte, von denen niemand etwas wissen sollte? Martin Hinterseer zuckt mit den Schultern. Erst im vorigen Jahr hat er sich die Akten noch einmal vorgenommen, hin und her überlegt: „Wir haben keine neuen Erkenntnisse“, sagt er – doch er gibt die Hoffnung nicht auf, dass ein Hinweis ihn weiterbringen könnte.

Junge Leute, die bei der Beerdigung anwesend waren, wurden von der Polizei zu Hause befragt. Diese Aktion stand im Zusammenhang damit, dass der Tatort ein von jungen Leuten bei Nacht gern aufgesuchtes Plätzchen sei. „Nahe am Dorf, mit dem Auto zu erreichen, aber von der Straße her nicht einzusehen“, sagte ein Kripo-Mann.

Es sei nicht auszuschließen, dass der späte Spaziergänger dort in der Nacht ein Pärchen gestört haben könnte. Überdies waren noch Fahrzeugspuren zu erkennen, die vom Tatort in Richtung Dorf führten. Aufgrund des Obduktionsergebnisses muss sich der Getötete gegen den überraschenden Messerangriff sehr heftig zur Wehr gesetzt haben. Der Täter könnte dabei Verletzungen davongetragen haben. Sicher ist, dass seine Kleidung mit Blut beschmutzt wurde.

Wer kann zur Aufklärung des Mordes beitragen? Die Polizei setzt auf Zeugen. Hinweise an die Kripo Würzburg: Tel. (09 31) 4 57 17 32

„Warum hat – obwohl viele bei offenem Fenster schliefen – keiner etwas gehört von dem Kampf?“
Martin Hinterseer, Mordermittler im Fall Schmidt
 
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