zurück
Fußball: Regionalliga-Qualifikation
Überschäumende Freude in Rot und leere Blicke in Blau
Regionalliga-Relegation: Jubel am Dallenberg, Tristesse in der Zellerau. Während die Kickers mit dem 1:1 gegen Aichach den Aufstieg perfekt machen, wird für den WFV der 2:1-Sieg gegen Heimstetten zu einer Niederlage.
Gleich wird's feucht: Kickers-Verteidiger Daniel Donaldson (links) begießt den Regionalliga-Aufsteig der Rothosen auf seine Art und duscht Trainer Dieter Wirsching mit reichlich Gerstensaft.
Foto: Frank Scheuring | Gleich wird's feucht: Kickers-Verteidiger Daniel Donaldson (links) begießt den Regionalliga-Aufsteig der Rothosen auf seine Art und duscht Trainer Dieter Wirsching mit reichlich Gerstensaft.
Von Fabian Frühwirth und Frank Kranewitter
 |  aktualisiert: 15.12.2020 17:47 Uhr

18.16 Uhr: Der Rückhalt für die Zellerauer ist groß, so groß, dass sich die Verantwortlichen des Würzburger FV in Absprache mit Schiedsrichter Christian Dietz wegen des enormen Zuschauerandrangs dazu entschließen, den Anstoß um zehn Minuten nach hinten zu verlegen. „Um 18.40 Uhr aber pfeife ich an“, sagt Dietz, während die Schlangen an den Kassen nicht enden wollen. Am Ende des Tages werden 1850 zahlende Zuschauer gezählt.

18.21 Uhr: Auch am Dallenberg geht es später los. 1100 Zuschauer kommen – trotz des klaren 3:0-Siegs der Kickers beim Hinspiel in Aichach. Aber sicher ist man sich bei den Rothosen seiner Sache noch lange nicht. „Ich habe Aichach zweimal beobachtet. Diese Mannschaft kann uns noch immer gefährlich werden. Ich bin verdammt nervös“, sagt Kickers-Reserve-Coach Ginel Roman.

18.32 Uhr: Landesliga-Spielleiter Thomas Unger und der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Fußballverbands, Rolf Eppelein, betreten das Spielfeld im Kickers-Stadion. Die Rothosen erhalten die Urkunden für drei Meisterschaften: In der Landesliga, in der Kreisliga und in der B-Klasse. „Es hat lange nicht danach ausgesehen“, sagt Unger in seiner Laudatio: „Aber die Kickers sind ein verdienter Landesliga-Meister.“

18.38 Uhr: Gänsehaut-Moment an der Mainaustraße. Die Spieler des Würzburger FV betreten das Rasenrechteck und werden mit reichlich Applaus empfangen. Die Fans halten ein Transparent hoch, auf dem eine klare Botschaft steht: „Mit Kampf und Leidenschaft in die Regionalliga.“ WFV-Coach Michael Hochrein ballt die Faust und sagt: „Da muss was gehen.“ Die Hypothek ist schwer, die Zellerauer haben das Hinspiel beim SV Heimstetten 0:1 verloren. „Wir biegen das um“, sagt Hochrein und wirkt dabei brutal angespannt.

18.48 Uhr: Die Kickers, die von ihren Fans zuvor mit einer beeindruckenden Choreographie empfangen werden, legen gleich zu Beginn ein erstaunliches Tempo vor. Vor allem ein Akteur scheint es wissen zu wollen: Sergey Zimin. Der Russe macht sein letztes Spiel, er hört nach der Saison auf. In der neunten Minute hätte er Gäste-Keeper Stefan Brunner beinahe mit einem listigen Heber aus über 40 Metern überrascht. Doch der Aichacher Torhüter lenkt das Leder gerade noch mit den Fingerspitzen über die Latte. Die Sache – so scheint es – läuft gut für die Kickers.

Fotoserie
18.50 Uhr: Der Würzburger FV kommt ordentlich ins Spiel, der Wille ist den Spielern deutlich anzumerken. Es wird um jeden Zentimeter, um jeden Ball gekämpft. Die Einstellung stimmt. Und Tobias Riedner hat eine erste Chance: Der zu harmlose Schuss aber wird zur fetten Beute von SV-Keeper Patrick Lehner.

19.01 Uhr: 0:1 – aus dem Nichts! Die Kickers drücken, haben Chancen, Aichach trifft mit dem ersten richtigen Torschuss. Im Hinspiel war's genau umgekehrt. Jetzt geht die Angst um am Dallenberg. Nicht, dass es heute andersrum läuft.

19.05 Uhr: Die Kunde vom Rückstand der Kickers macht an der Mainaustraße die Runde. Aber wirklich interessiert das niemanden. Trainer Michael Hochrein schon gar nicht, er hat gemerkt, dass seine Mannschaft einmal mehr die Nerven nicht wirklich im Griff und jetzt das Spiel aus der Hand gegeben hat. Heimstetten hat mehr vom Spiel und die besseren Möglichkeiten. Torwart Jan-Peter Grunz verhindert den Rückstand mehrmals, der WFV wirkt plötzlich angeschlagen, tut sich schwer und schafft es nicht, die Kulisse mit noch mehr Emotion auf dem Rasen vollends hinter sich zu bringen.

19.12 Uhr: Tooooor für die Kickers! Sergey Zimin, dieser verrückte Hund! Als eine Freistoßflanke von Frank Wirsching abgeblockt wird, setzt der kleine Russe nach, nimmt den Ball aus gaaaaanz spitzem Winkel, fast auf der Torauslinie, volley und hämmert ihn in den Torgiebel. „Ich habe nicht nachgedacht und das Ding einfach reingehauen“, sagt Zimin später. Welch ein Treffer, welch eine Erlösung! Kickers-Coach Dieter Wirsching spurtet über 65 Meter, um mit dem Torschützen zu jubeln – 1:1, was soll jetzt noch schief gehen? Aichach braucht nun noch drei Tore.

19.13 Uhr: Der WFV hat durch Riedner zumindest im Ansatz eine gute Chance, doch dem WFV-Kapitän springt der Ball zu weit von der Brust. Die Partie wird schon jetzt zur nervenaufreibenden Sache.

19.23 Uhr: Die Zuschauer auf der Sepp-Endres-Sportanlage haben den Torschrei auf den Lippen, raufen sich aber die Haare: Christian Steinmetz verbucht kurz vor der Pause bei einem der wenigen verheißungsvollen Angriffe die größte Chance der Gastgeber – sein Kopfball aber wird im letzten Moment zur Ecke geklärt.

19.26 Uhr: Halbzeit am Dallenberg. Die Kickers sind auf Regionalliga-Kurs.

19.27 Uhr: Halbzeit in der Zellerau. Das Fazit ist ernüchternd, aber zumindest die Hoffnung lebt. Heimstetten zeigt sich sogar noch eine Spur besser als noch am Samstag im Hinspiel. Die Schützlinge von Trainer Rainer Elfinger sind taktisch perfekt eingestellt, lassen wenig anbrennen und setzen immer wieder Nadelstiche.

19.55 Uhr: Eine kleine Szene am Rande des Spielfelds: Aichachs Mäzen, Präsident und Trainer Volker Weingartner umarmt Kickers-Coach Dieter Wirsching. Es schaut schon nach Gratulation aus. Hat Aichach sich bereits aufgegeben? Wohl ja!

20.01 Uhr: Verzweiflung auf der Aichacher Bank. BC-Angreifer Vogel trifft aus kurzer Distanz an den Pfosten (72.). Torgelegenheiten hatte Aichach in beiden Spielen reichlich, eine echte Chance haben sie jetzt nicht mehr.

20.02 Uhr: Trainer Michael Hochrein scheint die richtige Ansprache in der Kabine gefunden zu haben. Der WFV ist jetzt überlegen, während Heimstetten abbaut und das Ergebnis zu verwalten versucht. Weiter aber mangelt es den Zellerauern an echten Torgelegenheiten. Riedner probiert es mit der Hacke – vergebens. Dem WFV läuft die Zeit davon.

20.08 Uhr: Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Der Bayernligist von der Mainaustraße agiert nun in der Defensive offener und muss zweimal aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht.

Fotoserie
20.11 Uhr: Tooooor! Der Wahnsinn. Die Geschichte klingt unglaublich, ist aber wahr – 42 Sekunden nach seiner Einwechslung drückt Tobias Rosenberger die Kugel tatsächlich zur 1:0-Führung der Blauen über die Linie. Der Jubel kennt keine Grenzen, die fast 2000 Zuschauer feiern, fremde Menschen liegen sich in den Armen. Ausgerechnet Rosenberger, der Mann, der zuletzt keine Rolle mehr spielte, immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Er könnte der Held dieses Abends werden. Der Rückstand aus dem Hinspiel ist egalisiert.

20.13 Uhr: Schockstarre in der Zellerau. Ist das denn die Möglichkeit? Nur 109 Sekunden nach der WFV-Führung gleicht Heimstettten aus. Es ist ein Geschenk. „Das war mein Bock“, gibt Innenverteidiger Marcello Asta hernach zu. Er war es, der den Ball direkt in die Füße von Memis Ünver schiebt. Von dort aus landet die Kugel auf dem Kopf von Orhan Akkurt. Und aus nicht einmal drei Metern köpft der Goalgetter in seinem letzten Spiel für Heimstetten – der Wechsel des Ex-Profis (Wacker Burghausen) zum Süd-Landesligisten SV Pullach ist längst fix – den 1:1-Ausgleich. Jetzt braucht der WFV noch zwei Treffer. Noch bleibt eine Viertelstunde.

20.18 Uhr: Sergey Zimin wird ausgewechselt. Sein letztes Spiel war eines seiner allerbesten. Als es darauf ankam, war Zimin ein Garant für den Aufstieg. „Mir war es eine Ehre, in dieser Mannschaft zu spielen“, sagt Zimin nach der Partie im Jubelrausch.

20.23 Uhr: Der WFV hat sich nicht aufgegeben. Rosenberger ist dabei, sich bei den Fans unsterblich zu machen. Wieder ist er es, der goldrichtig steht und trifft. Toooor! 2:1. Jetzt braucht der WFV noch einen Treffer. Noch bleiben fünf Minuten plus Nachspielzeit.

20.25 Uhr: Der eingewechselte Adria Istrefi verpasst das Fußball-Wunder von der Mainaustraße. Der A-Jugendliche trifft den Ball in aussichtsreicher Position nicht richtig. Noch zwei Minuten. Auf der Bank beim WFV sitzt keiner mehr, das Trainerteam und die Einwechselspieler peitschen die Mannschaft nach vorne. Hochrein bringt den groß gewachsenen Markus Bauer.

20.28 Uhr: Nach über fünf Minuten Nachspielzeit beendet Schiedsrichter Markus Hertlein das Spiel. Die Kickers sind Regionalligist. Stadionsprecher Hans-Rainer Hirsch sagt ins Mikrofon: „Nach vielen Jahren als heimliche Nummer eins der Stadt sind die Kickers zurück.“

20.29 Uhr: In der zweiten Minute der Nachspielzeit ist es Riedner, der den Ball per Kopf über das Tor der Gäste jagt. Danach ist Schluss. Aus. Vorbei. Nichts geht mehr. Tristesse pur. Ungläubig blicken die gescheiterten WFV-Akteure ins Leere. Trotzdem gibt es Applaus von den Rängen. „Wir kommen wieder“, ruft einer von der Tribüne trotzig.

Die Spiele in der Statistik

FC Würzburger Kickers – BC Aichach 1:1 (0:0)

Würzburg: Tsiflidis – Azizi, Donaldson, Bauer, Yücetag (56. Vollmer) – Eichler, Weidner – F. Wirsching, N. Wirsching (69. Graf) – Tahir, Zimin (88. Desic). Aichach: Brunner – Konjevic, Jarrosch, Tischner (46. Bulik), Brysch – Korenik, Benede, Mitterhuber, Hiemer – Vogel (77. Hinkelmann), Doll (63. Brnadic). Tore: 0:1 Mitterhuber (21.), 1:1 Zimin (32.). Schiedsrichter: Hertlein (Dinkelsbühl). Zuschauer: 1100.

Würzburger FV – SV Heimstetten 2:1 (0:0)

Würzburg: Grunz – Walther (72. Rosenberger), Günder, Asta, Ganzinger (89. Bauer) – Steinmetz – Drenkard (64. Istrefi) , Deißenberger, Krautschneider – Riedner, Kamolz. Heimstetten: Lehner – Mayer, Löppert, Paul, Toy – Ünver (78. Heigermoser), Chr. Schmitt, Moll, Simari – D. Schmitt – Akkurt (83. Grahammer). Tore: 1:0 Rosenberger (73.), 1:1 Akkurt (75.), 2:1 Rosenberger (85.). Gelb-Rot: Moll (90.+1, Heimstetten, wiederholtes Foulspiel). Schiedsrichter: Dietz (Kronach). Zuschauer: 1850.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
FC Würzburger Kickers
Niederlagen und Schlappen
SV Wacker Burghausen
Spielfelder
Trainer und Trainerinnen
Würzburger FV
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen