Ende April gehen im Café „Fehrer“ die Lichter aus. Für immer. 67 Jahre lang war es für viele Würzburger fast schon zum zweiten Wohnzimmer geworden.
Und es gibt sie noch: die kleine Verkaufstheke im Eingangsbereich, der schlicht gehaltene Gastraum mit den drei Bogenfenstern, die freie Sicht auf die Wilhelmstraße ermöglichen, der alte schmiedeeiserne Kleiderständer in der Ecke, oder der wuchtige Ofen mit den dicken Stahltüren, in dem hauseigenes Brot und anderes Gebäck hergestellt wurden. In der kalten Jahreszeit lieferte dieser Koloss die Heizwärme für den Gastraum. Auch die drei Bilder mit Stadtansichten hängen wie früher noch an der Wand.
Mit gemischten Gefühlen verabschiedet sich Inhaberin Karin Fehrer von ihrer Arbeitsstätte. 42 Jahre war sie hier gerne „Mädchen für alles“ – von früh bis spät, auch wenn es ihr mal gesundheitlich nicht so gut ging.
Belgische Kriegsgefangene warnten die Fehrers vor den Bomben
„Es war eine wundervoll Zeit, die ich hier erleben durfte – mit meinen Gästen und mit meinem lieben Mann Manfred. Nachdem er vor über zwei Jahren verstorben ist, wurde mir klar, dass ich allein nicht weitermachen kann. Da sich meine Kinder Natascha und Holger beruflich anders orientiert haben, steht mein Entschluss unumstößlich fest.“
Sie lässt die Familiengeschichte Revue passieren und kommt dabei ins Schwelgen. Schwiegervater Rudolf Fehrer hatte 1940 mit einer Bäckerei in der Textorstraße begonnen. Das Geschäft wurde in der Bombennacht am 16. März 1945 völlig zerstört. Die Inhaberfamilie hielt sich an diesem Tag in Theilheim auf. Die glückliche Fügung wollte es so. Denn belgische Kriegsgefangene, als Aushilfsbäcker tätig, hatten „Feind-Radio“ abgehört und die Fehrers vor einem Luftangriff gewarnt.
Von 1945 bis 1948 betrieb man einen kleinen Bäckereiladen in Grombühl. Im Frühjahr 1948 fand dann der Umzug in die Herzogenstraße statt, um am 28. April 1948 das Café zu eröffnen. 1980 erfolgte der Generationenwechsel: Rudolf und Babette Fehrer zogen sich zurück, Sohn Manfred und Ehefrau Karin traten die Nachfolge an.
Wolfgang Bötsch kehrt heute noch bei „seiner liebsten Chefin“ ein
Nach sechs Jahrzehnten und drei Renovierungen hat das Café nichts von seinem ursprünglichen Charme eingebüßt. In den frühen 50ern mussten noch die Sichtblenden, die die Sitzecken in Nischen teilten, entfernt werden. Grund der Demontage war, dass jugendliche Gäste hinter den Trennwänden immer wieder Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten. Das ist lange her.
Lang ist auch die Liste der (Stamm)-Gäste, die hier ein- und ausgingen. Dazu zählten „Medienzar“ Leo Kirch während seiner Würzburger Studienzeit. Auch Ex-Bürgermeister Erich Felgenhauer schaute mit Bernhardiner Philipp vorbei und Barbara Stamm genoss hier – lange bevor sie Landtagspräsidentin wurde – Brötchen mit Erdbeermarmelade. Ex-Bundespost-Minister Wolfgang Bötsch kehrt heute noch bei „seiner liebsten Chefin“ ein.
Und Fehrer freut sich über 30 Stammtische, die ihr über die Jahre die Treue gehalten haben. Manche Gäste kommen sogar von auswärts – so ein Paar aus Hausen, das zweimal die Woche 40 Kilometer fährt, um die „Wiener Kaffeehausatmosphäre“ genießen zu können.
Bei Kaffee und Gebäck sind viele Freundschaften entstanden
Bedauern macht sich breit. Eine adrette Dame klagt: „Wenn das Fehrer zumacht, sind wir heimatlos.“ Ihre Nachbarin pflichtet ihr bei: „Uns fehlt dann was! Ach ja, und Weihnachten und an den Geburtstagen gab's von der Karin für uns immer ein ,Gutserle'.“
Im Café ging und geht es herzlich und bodenständig zu. Kein Musikgedudel erfüllte den Raum, ein hoch-technisierter Kaffeevollautomat wurde nie angeschafft, die Buchhaltung kommt noch immer ohne Computerei aus. Die Zeit scheint stillzustehen – und das schätzen die Gäste. „Manchmal sitzen die Leute hier ein paar Stunden bei einer Tasse Kaffee und Hörnchen und lösen Kreuzworträtsel“, sagt Karin Fehrer. „Viele Freundschaften sind geschlossen worden. Hier kamen schnell Fremde mit Einheimischen ins Gespräch.“
Und das „Fehrer“ hatte auch einiges an Spezialitäten zu bieten: Cognacsahnetorte, Baiser, Hörnchen, Eiskaffee, fränkischer Zwiebelkuchen, und die „Heinerle“ zu Weihnachten, die sogar Abnehmer im Ausland fanden. In einem Monat ist damit nun Schluss.
„Man soll dann aufhören, wenn es am schönsten ist“, sagt Karin Fehrer und kämpft mit den Tränen.