Gibt es das wirklich, Rassismus an der Schule? Werden Kinder und Jugendliche „angemacht“, getreten oder geschlagen, nur weil sie anders aussehen, andere Klamotten tragen oder auch sonst nicht dem Durchschnitt entsprechen? „Ja, ganz sicher. An der Hauptschule war es richtig schlimm“, erinnert sich Alex, der mittlerweile die zehnte Klasse der Richard-Rother-Realschule (RRR) Kitzingen besucht. „Dagegen ist es hier an der RRR richtig gut.“
Tatsächlich ist das Thema Rassismus in der Kitzinger Realschule ständig präsent. Seit vier Jahren organisieren Lehrer und Schüler jährlich ein Projekt unter der Überschrift „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Einmal haben sie ein Projekt für Rollstuhlfahrer organisiert, ein anderes Mal den Pausenhof zum Kunstwerk gemacht: „RRR ist bunt“. Heuer gibt es erstmals einen Kurzfilm.
Bilder aus dem Schulalltag
An dem Drei-Minuten-Spot wirken Schüler aller Klassenstufen als Laienschauspieler beziehungsweise Fotomodelle mit. Haut- und Haarfarbe, Religion, Herkunft – alles ganz unterschiedlich. Ihre Botschaft ist jedoch dieselbe: Zu den wichtigsten Werten gehören Respekt und Toleranz – in der Schule sowie darüber hinaus.
Doch wie setzt man diese Aussage möglichst eindrucksvoll in Bilder um? Darüber haben sich die drei Lehrer Gerd Ulherr, Elke Anselm und Markus Düll lange Gedanken gemacht. Schon zu Beginn des neuen Schuljahres haben die drei „Kreativköpfe“ Ideen gesammelt und das Projekt langsam entwickelt – „das klappte in stetiger Kommunikation ganz gut, auch mal abends bei einem Glas Wein“, berichtet der leidenschaftliche Fotograf, Physik- und Chemielehrer Gerd Ulherr, der beim Filmen und Fotografieren die Hauptarbeit übernahm.
Das Ergebnis durfte die Klasse 10 b kürzlich begutachten – gemeinsam mit Schulleiter Michael Rückel und seinem Stellvertreter Stefan Wolbert. Alle Augen waren bei der Premiere des Filmspots auf eine große Leinwand gerichtet. Gerd Ulherr schaltete das Licht aus – und los ging's.
Der Film beginnt mit einem Krachen. Dutzende Bilder aus dem Schulalltag tauchen neben- und untereinander auf der Leinwand auf, alle im gleichen Format, wie ein Mosaik. Es kracht leise – so klangen früher die analogen Kameras beim Fotografieren – und die inneren Bilder werden nach außen gezoomt, die äußeren verschwinden. Krachen, Zoomen, krachen, zoomen – am Ende bleibt ein Bild des RRR-Schulgebäudes im Zentrum stehen.
Musik setzt ein und im Sekundentakt werden nacheinander einzelne Schülergesichter eingeblendet. Alle sind vor dem gleichen, dunklen Hintergrund porträtiert worden und schauen den Betrachter direkt an. Das jüdische Sprichwort erscheint: „Niemand kann immer ein Held sein, aber jeder kann immer ein Mensch sein.“
Zwei ehemalige Schüler – Nico Pfrenzinger und Sine Renner – kommen ins Bild. Nico stellt klar, dass seine Welt bunt ist – „und das ist auch gut so“. Sine sagt, dass die Sprache der Musik die ganze Welt verbindet.
Besonders viele Emotionen weckt der Auftritt von Rasim Coban – eigentlich ist es eine Auffahrt. Denn der Rollstuhlfahrer fährt vor das Schild des Körperbehindertenzentrums Würzburg und hebt erst den Kopf, als er zu sprechen anfängt: Respekt und Toleranz seien hier selbstverständlich, betont Coban, der schon einmal an einem Projekt der Schule mitgewirkt hat.
In der Umkleidekabine der s. Oliver Baskets Würzburg – der RRR-Schulprojektpaten – sitzt der große Star Jason Boone. Seine Muskeln glänzen im matten Licht. „There is no room in the world for racism“, findet der aus New York stammende Basketballer; im 21. Jahrhundert sei kein Platz mehr für Diskriminierung und Gewalt. Zum Schluss schreitet Schulleiter Michael Rückel zu der Treppe vor dem Schulgebäude. Er setzt sich in die Mitte. Im stampfenden Rhythmus des Song „Where is the love?“ (Black Eyed Peas) taucht im Sekunden-Rhythmus ein Schüler auf, setzt sich zu Rückel. Es werden immer mehr, eine Gemeinschaft entsteht. Ein ganz neues Mosaikbild der Schule mit ihren vielen Gesichtern.
Nach drei Minuten und sechs Sekunden endet der Spot. Die Zehntklässler applaudieren. Elke Anselm fragt sie, ob die Aussage des Films stimmt. „Schule ohne Rassismus – das ist ein sehr ambitionierter Titel“, meint sie. „Ist er nur ein Wunschtraum?“ Die meisten Schüler schütteln spontan die Köpfe. Adam, der aus Pakistan stammt, meldet sich zu Wort: „Eigentlich gibt es bei uns keinen Rassismus, höchstens mal ein paar nicht Ernst gemeinte Sprüche, um in der Gruppe toll dazustehen.“ Lisa sieht das ähnlich: „Es kommt im Streit mal vor, dass jemand beleidigt wird. Aber rassistisch ist das nicht gemeint.“
Joanne, die vom Gymnasium kommt, sagt, dort sei es wesentlich schlimmer zugegangen: „Hier ist der Zusammenhalt gut, da ist kein Platz für so etwas.“ Das liege wahrscheinlich auch daran, dass „wir hier mehr über das Thema reden“, fügt Celina an.
GEMA kassiert: kein Verständnis
Und sie reden nicht nur. Sie tun auch was. „Wir setzen das Motto 'Respekt' auch um“, sagte Schulleiter Rückel und zeigte sich stolz auf den unterfränkischen Sozialpreis. Er bedankte sich herzlich bei Schülern und Lehrern für die „viele Arbeit“, die sie für den Anti-Rassismus-Spot und andere Anti-Diskriminierungsprojekte geleistet haben.
Gerd Ulherr hat es übrigens nicht bei dem Film belassen. Ihm haben die Schülerporträts so gut gefallen, dass er zusätzlich ein Plakat mit dem Titel „Toleranz hat viele Gesichter“ gestaltet hat. Dass er alle Gesichter gleich groß und vor dem gleichen Hintergrund abgelichtet hat, ist ein starkes Symbol: „Alle sollen in der Schule gleich behandelt werden.“
Nur einen einzigen Wermutstopfen gibt es: Die GEMA verlangt für eine Minute Hintergrundmusik („Where is the love?“) tatsächlich 75 Euro netto – jedes Jahr. Ulherr findet: „Das versteht kein Mensch.“
Der Film läuft als Videostreaming auf der Homepage der RRR, www.richard-rother-schule.de, und auf der Webseite des Schüler-TV-Magazins www.zoom-me.de