
Frage: Brian, im Titelsong „Handwritten“ erwähnst du Gott. Reden wir also kurz über Religion.
Brian Fallon: „Handwritten“ ist ein unheimlich persönliches Lied, in dem ich über viele Themen spreche, die mir wichtig sind. Gott ist eines davon. Allerdings erwähne ich ihn dort eher in einem übertragenen Sinne. Ich stelle die Frage, wozu wir überhaupt noch einen Gott brauchen, wenn wir doch das allwissende Google haben. Vielleicht steckt eine Spur Zynismus in diesem Vergleich.
Fallon: Der bin ich nicht. Ich möchte mich nicht für meinen Glauben rechtfertigen. Jeder kann glauben, was er möchte. Ich bin mit dem Glauben an Gott und die Schöpfung aufgewachsen und bin anderen Ansichten gegenüber völlig tolerant. Nur erwarte ich auch, dass man mir gegenüber tolerant ist. Ich habe niemandem etwas getan.
Fallon (stöhnt leicht): Eine größere Firma bedeutet, dass du viel mehr Möglichkeiten hast. Mit „American Slang“ gingen uns am Ende die Ideen und der Dampf aus. Jetzt geben wir mehr Interviews, haben mehr Radioeinsätze, bekommen Werbeplakate. Man muss bereit sein für diesen Schritt. Bei der letzten Platte wäre es noch zu früh gewesen, jetzt passt es. Das ist Bauchgefühl. So ähnlich, als wenn du mit einem Mädchen zusammen bist und merkst, wann es Zeit ist zu heiraten.
Fallon: Ja.
Fallon: Es wird natürlich immer einige geben. Aber das mit dem angeblichen Verrat der Punk-Wurzeln, das hören wir, seit es die Band gibt. Wir kommen aus dieser Szene und haben uns unsere ersten Tattoos bei anderen Leuten in der Wohnung stechen lassen. Kohle hatten weder wir noch unsere Eltern. Ich bin Arbeiterkind, mein Vater schuftet in einer Lebensmittelfabrik. Was wir von Anfang an hatten? Unglaublich loyale Fans. Wir waren immer aufrichtig, unsere Musik ist ehrlich. Wir machen niemandem etwas vor. Das schätzen die Kids. Und so ging es Schritt für Schritt – erst New Jersey, dann die USA, dann Deutschland, dann Europa. Wir haben bei euch in Clubs vor 50 Leuten gespielt.
Fallon: Das Ziel ist trotzdem nicht die Weltherrschaft. Beim Soundgarden-Konzert in Berlin habe ich Lars Ulrich getroffen, den Drummer von Metallica. Was für ein normaler, netter Mensch. Der hat es nicht nötig, so zu tun, als sei er Rockstar.
Fallon: Wir haben mal im „Roxy“ in Los Angeles gespielt, einem weltberühmten Club. Dort sagten sie uns, wir seien die höflichste und liebste Band gewesen, die je dort aufgetreten sei. Die Leute erwarten von Musikern, dass sie sich wie Primadonnen benehmen. Aber das ist einfach nicht unsere Art, wir brauchen keine Sonderbehandlung.
Fallon: Nein. Es wäre albern, ein Album zu schreiben, das nur in einem bestimmten Umfeld funktionieren würde. Wir wollen jede Bühne zu unserem Zuhause machen und komponieren nicht nach Kalkül. Ich frage mich, ob eine Band wie die Red Hot Chili Peppers über so etwas nachdenkt. Darüber, ob die Songs im Radio oder im Stadion funktionieren. Wenn du Glück hast, landest du als Band vielleicht in den großen Arenen. Aber ich denke, du kannst es nicht erzwingen.
Fallon (lacht endlich mal): Wir heißen ja auch The Gaslight Anthem und nicht The Gaslight Lullaby. Wir versuchen immer schon, hymnische Songs zu schreiben. Nur hatten wir jetzt dank des neuen Labels auch das Geld, um die Gitarren, die Verstärker, das Umfeld zu bekommen, das wir wollten. Auch Brendan O'Brien, der einige der Platten produziert hat, die mich als Jugendlichen überhaupt erst zum Musikmachen brachten, hätten wir uns früher nicht leisten können. Der Mann ist schließlich ein echter Produzentengott.
Fallon: Ja, dieses Bild habe ich oft im Kopf. Wir versuchen immer, etwas wirklich Mitreißendes zu schreiben. Zugleich war uns bei diesem Album wichtig, dass es persönlich wird. Deshalb der Titel „Handwritten“. Ich habe die Texte in meinem kleinen Notizbuch gesammelt. Das Album lässt sich deshalb mit elf Briefen vergleichen.