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SCHWEINFURT
Streik bei H&M: Für mehr Geld und mehr Personal
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 08.11.2021 14:57 Uhr

70 Mitarbeiter hat die H&M Filiale in Schweinfurt, 26 von ihnen sollten am Samstag arbeiten. Doch tatsächlich standen nur drei im Laden. Ausnahmezustand beim Textil-Riesen.

„So gehen Streikbrecher, Streikbrecher geh‘n so . . .“ – Mit gekrümmtem Rücken tanzen die Mitarbeiterinnen der H&M-Filiale singend vor dem Geschäft. Mit Plakaten weist die Geschäftsleitung darauf hin, dass es beim Einkaufen zu Verzögerungen kommen kann, weil die Mitarbeiter ihr Streikrecht wahrnehmen.

Ver.di rief die Beschäftigten der H&M-Filiale in Schweinfurt am Samstag zu einem ganztägigen Streik auf. Sie unterstützen damit ihre Kollegen in Würzburg, die sich schon seit Freitag im Ausstand befinden. Von den insgesamt 70 Mitarbeitern der Filiale waren für diesen Samstag 26 eingeplant, aber nur drei stehen wirklich im Laden und die haben richtig Stress. Draußen vor der Tür bei den Streikenden dagegen ist die Stimmung eher fröhlich ausgelassen.

Ver.di-Sekretär Peter König ist begeistert. Hier ist der Streikaufruf der Gewerkschaft auf große Resonanz gestoßen. „Die Leute wissen, was ihre Arbeit wert ist.“ An diesem Streikmorgen hat er auch schon sieben neue Mitglieder gewonnen, erzählt König.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft fordert für die Beschäftigten im bayerischen Einzelhandel daher 5,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 140 Euro mehr. Die Ausbildungsvergütungen sollen um 70 Euro angehoben werden. König betont: „H&M ist einer der bestgehendsten Textilhändler Deutschlands und macht jährlich Millionenumsätze, von Quartal zu Quartal steigend. “Die könnten es sich auch leisten, auf andere Arbeitgeber einzuwirken.„ König geht es nicht nur um eine Lohnaufbesserung für die Beschäftigten. “Wenn heute nur noch Mindestlohn gezahlt wird, welche Beträge landen dann eigentlich in den Rentenkassen?“, fragt er. Er findet, der Arbeitgeberverband sollte sich der Forderung der Gewerkschaft anschließen. Das würde auch den kleineren Betrieben helfen und die Konkurrenz durch Billigstanbieter verhindern. Um diesen „Kannibalisierungskampf“ der Arbeitgeber untereinander zu stoppen, so König, bräuchte es wieder einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag.

Eigentlich aber träumen er und seine Mitstreiter von einer Umsatzbeteiligung für die Beschäftigten, seit Jahren werde dieses Thema aber von den Arbeitgebern abgeblockt. „Die schenken das Geld lieber den Aktionären“, ärgert sich König.

Ein Passant kommt auf ihn zu. „Ich habe vollstes Verständnis dafür, was ihr da macht“, lobt er und setzt dann nach: „Wir, die GdL, hetzen nicht gegen Verkäuferinnen, aber gegen uns wird gehetzt.“ Ein ruhiges Gespräch mit dem aufgebrachten Vertreter der Gewerkschaft der Lokführer kommt nicht zustande, König betont nur, dass ver.di die einzige Gewerkschaft sei, die gegen die Tarifeinheit ist.

Den Streikenden vor der Filiale geht es aber nicht nur um Lohngerechtigkeit. Sie wollen auch bessere Arbeitsbedingungen. „Wir sind chronisch unterbesetzt“, erklärt eine Streikende. In zwei Schichten von 7 bis 16 und von 10 bis 19.20 Uhr müssten Waren angenommen, aufbereitet, Neuware gesichtet, Kunden beraten und bedient werden. Eine Betriebsrätin erklärt, dass ihr beides gleich wichtig sei: Geld und Arbeitsbedingungen, denn „mehr Geld in der Tasche nützt nichts, wenn man körperlich vor die Hunde geht.“ Der Krankenstand, erzählt sie, werde immer höher.

Die stellvertretende Filialleiterin Diana Frank ist nicht zu sprechen, sie verweist an die Pressestelle des Konzerns in Wuppertal. Die beiden Mitarbeiterinnen, die an diesem Tag an der Kasse stehen, sind nach eigenen Worten „nicht von hier.“ König kennt das: „Wenn ein Betrieb bestreikt wird, holen sich die Arbeitgeber Mitarbeiter aus anderen Filialen oder ungelernte Kräfte.“ Draußen vor der Tür wird die Stimmung indes immer besser. „Es macht doch auch Spaß, Solidarität zu zeigen“, meint eine der Streikenden, allesamt Frauen. Auch der ehemalige Personalchef der Würzburger Kaufhoffiliale kommt vorbei. Er hat eine ganz andere Freude und findet es gut, dass er „damit“ nichts mehr zu tun hat.

 
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