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WÜRZBURG
Stammzellzentrum Würzburg setzt auf moderne Therapien
Der erste Schritt: Blut- und Knochenmarkanalysen sind nötig um einen geeigneten Stammzellen-Spender zu finden.
Foto: dpa | Der erste Schritt: Blut- und Knochenmarkanalysen sind nötig um einen geeigneten Stammzellen-Spender zu finden.
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Borgböhmer
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:53 Uhr

Ulrike Schulz ist eine zierliche Frau mit einem netten Lächeln. Vor den zahlreich erschienenen Pressevertretern im Zentrum für Operative Medizin (ZOM) der Universitätsklinik Würzburg spricht die heute 64-Jährige von ihrer schweren Erkrankung, damals vor acht Jahren. Noch 2005 musste sie alle zwei Wochen zur Bluttransfusion, weil sich eine lange Vorerkrankung verschlimmert hatte und ihr Knochenmark angriff.

„Dann kam der Vorschlag einer Stammzelltransplantation“, sagt Schulz. „Ich war überrascht, denn zehn Jahre zuvor war das medizinisch noch nicht möglich.“ Am 4. April 2006 erhielt sie im Stammzellzentrum in Würzburg die Stammzellen einer Spenderin. Sie ist damit eine von nun weltweit mehr als einer Million Patienten, denen Stammzellen transplantiert wurden. Dies teilte kürzlich das Worldwide Network for Blood and Marrow Transplantation (WBMT) in Bern mit.

Patienten aus ganz Deutschland

„Das Überschreiten dieser Marke zeigt, dass die Stammzelltransplantation längst den Bereich der seltenen Verfahren verlassen hat“, sagt Professor Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II an der Uniklinik Würzburg. Mittlerweile ist die Therapie eine Chance für viele Patienten mit Leukämie, Hirntumoren und weiteren schweren Krankheiten. Während Leukämie früher als Todesurteil galt, lägen die Heilungschancen dank moderner Therapien heute bei bis zu 90 Prozent.

Ulrike Schulz' Fall zeigt vor allem, welche Rolle das 2005 gegründete Stammzellzentrum in Würzburg dabei spielt. Seit der Gründung ist die Zahl der Transplantationen deutlich angestiegen, derzeit sind es jährlich rund 250. Durch das breite Spektrum an Therapien werden Patienten jedes Alters aus ganz Deutschland behandelt. Umso bemerkenswerter, so Professor Christoph Reiners, Ärztlicher Direktor der Uniklinik, da man erst sehr spät in die Stammzelltherapie und Forschung eingestiegen sei.

Gerade im Bereich der Forschung machen die Würzburger Ärzte große Fortschritte: Die Uniklinik führt als eine der wenigen Einrichtungen die Nabelschnurblut-Transplantation durch, die besonders Patienten hilft, für die es keinen passenden Spender gibt. Allerdings, so Hermann Einsele, werde auch die Gefahr von Infektionen und Abstoßungsreaktionen intensiv erforscht. „Aktuell haben wir ein EU-Forschungsprojekt, bei dem Zellen, die Tumore und Infektionen bekämpfen, angereichert werden“, sagt er. Ziel der sogenannten Immunzellentherapie ist es, hochreine Zellen zu gewinnen, die das Risiko von Krankheitsrückfällen minimieren. Finanzielle Unterstützung erhalten die Wissenschaftler dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Reiners hat sogar schon weitere Pläne. Da die eng zusammenarbeitenden Abteilungen Medizinische Klinik, Poliklinik II und Kinderklinik stark ausgelastet sind, soll es in Zukunft neue Räume zur Nachbehandlung der Stammzellpatienten geben. „Wir möchten das in drei bis vier Jahren umsetzen“, sagt Reiners. Derzeit suche die Leitung noch nach Finanzierungsmodellen. Bereits im kommenden Jahr soll es dagegen eine moderne Einrichtung zur Aufbereitung der Stammzellen geben. „Es wird wohl auf einen Anbau auf dem Klinikgelände hinauslaufen“, so der Direktor im Gespräch.

Reiners verkündete noch eine gute Nachricht: Seit Februar dieses Jahres gibt es laut dem Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) in Ulm über 21 Millionen registrierte Stammzellenspender weltweit. Dennoch fänden weiter Typisierungen statt, so Reiners, zu viele Spender könne es nämlich nie geben.

Das Stammzellzentrum der Uniklinik Würzburg

Professor Christian Speer, Direktor der Kinderklinik, initiierte Ende der 1990er Jahre die Gründung des Stammzellzentrums. Damit begann die allogene Stammzelltransplantation in Würzburg. Während bei der autologen Behandlungsmethode Zellen des Patienten verwendet werden, nutzt die allogene Methode Zellen von gesunden Spendern. Aktuell behandelt die Klinik jährlich etwa 110 Patienten mit Spenderzellen – seit der Gründung sind es mehr als 650.

Eine hoffnungsvolle Therapie, bei der Stammzellen aus dem Nabelschnurblut entnommen und aufbereitet werden, sei noch besser nutzbar, so Prof. Hermann Einsele. Derzeit gebe es weltweit rund 120 000 Proben. Die Therapie sei eine Chance für Patienten, die entweder keine Verwandten mehr oder einen anderen genetischen Hintergrund haben als die meist mitteleuropäischen oder amerikanischen Spender.

Finanziert wird das Zentrum durch wohltätige Organisationen wie dem von Gabriele Nelkenstock gegründeten Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“. Nelkenstock gab 2005 die Anschubfinanzierung, indem sie Spenden- und Sponsorengelder sammelte. Ein weiterer Unterstützer ist die Elterninitiative leukämie- und tumorkranker Kinder Würzburg e.V. text: tb

 
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